Vatikan:Papst löst Debatte über gleichgeschlechtliche Partnerschaft aus

  • Traditionalisten warnen vor Relativismus, wenn zivile Partnerschaften der kirchlichen Ehe gleichgestellt würden
  • Fortschrittliche Kreise halten den Vorstoß von Franziskus für einen ersten Schritt - sie halten dem Argentinier vor, nicht mutig genug zu sein bei der Modernisierung der Kirche
  • Will der Papst mit der Öffnung einem "Schisma von links" vorbeugen, wie die Zeitung La Repubblica mutmaßt?

Von Oliver Meiler, Rom

Mit seinem Segen für eingetragene Partnerschaften für homosexuelle Paare hat Papst Franziskus heftige Reaktionen in der katholischen Kirche ausgelöst. Im konservativen und traditionalistischen Lager, das dem Pontifikat des Argentiniers insgesamt kritisch begegnet, sieht man darin einen weiteren Schub für eine Relativierung alter Dogmen; der liberalere, progressive Flügel hingegen freut sich darüber, dass der Pontifex eine Reformforderung aufnimmt.

Umstand für die jüngste Wallung ist die Passage in einem Dokumentarfilm, der dieser Tage beim römischen Filmfestival gezeigt wurde. "Homosexuelle habe das Recht, in einer Familie zu leben", sagt der Papst im Film "Francesco" des russischen Regisseurs Jewgeni Afinejewski. Sie seien schließlich Kinder Gottes. "Was wir brauchen, ist ein Gesetz, das eine zivile Partnerschaft ermöglicht." Er habe sich für die rechtliche Absicherung homosexueller Paare eingesetzt.

Neu ist Franziskus' Haltung in der Frage nicht. Schon früher deutete er an, dass er zivile Partnerschaften für möglich hält, nachdem er vor zehn Jahren, damals noch als Erzbischof von Buenos Aires, sie einmal einen "Schachzug des Teufels" genannt hatte. Nun also wirbt Jorge Mario Bergoglio als erster Papst in der Geschichte öffentlich und explizit für die Einführung eines solchen Gesetzes.

Wahrscheinlich hätten die paar wenigen Sätze aus dem Film keinen so großen Wirbel ausgelöst, wenn darin das Wort "Familie" nicht vorgekommen wäre. Kritiker sagen, von Familie könne nur die Rede sein, wenn ein Paar heirate und Kinder habe. Hier werde nun alles vermischt und auf dieselbe Ebene gestellt, das Sakrament der Ehe und die zivilen Partnerschaften. "Wichtig ist, dass klar ist, dass nicht alles dasselbe ist", sagte etwa Kardinal Edoardo Menichelli aus Ancona der Zeitung Corriere della Sera. "Zum Beispiel darf nicht sein, dass unter dem Deckmantel ziviler Partnerschaften dieses Geschäft mit Kindern aus Leihmutterschaften zugelassen wird."

Tatsächlich aber spricht der Papst weder von Ehe noch von Kindern. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist weiterhin kein Thema in der katholischen Kirche, an der Doktrin ändert sich nichts. Es gibt auch Diskussionen darüber, in welchem Kontext er die Worte gesprochen hat. Womöglich liegen sie schon einige Zeit zurück und stammen aus einem Fernsehinterview.

Die stets gut informierte Zeitung La Repubblica schreibt, sie wisse aus mehreren Quellen, dass Franziskus sich mit dieser Öffnung nicht so sehr mit den Traditionalisten anlegen wolle. Ziel sei es, ein "Schisma von links" zu verhindern. Gemeint ist ein Schisma fortschrittlicher, vor allem deutscher und schweizerischer Bischöfe, die enttäuscht seien von den bisherigen Reformen Bergoglios. Mindestens einen Punkt ihres Forderungskatalogs müsse er erfüllen, um sie zu besänftigen. Und da es nicht die Abschaffung des Zölibats oder die Priesterweihe für Frauen sein könne, versuche er es mit seinem Segen für homosexuelle Paare.

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