Vatikan:L'Arrabbiata

Hat Angela Merkel den Papst angerufen und zur Rede gestellt, weil dieser Europa mit einer unfruchtbaren Frau verglich? So hatte es Franziskus einem Journalisten erzählt. Doch das Kanzleramt dementiert - und auch der Vatikan winkt ab.

Von Oliver Meiler

Manche Dinge hält man selbst dann für unglaublich, wenn sie der Papst sagt - in Anführungs- und Schlusszeichen. Ein Journalist des Mailänder Corriere della Sera, Italiens größter und seriösester Zeitung, durfte dieser Tage mit Franziskus reden, in der Casa Santa Marta, dem Gästehaus des Vatikans. Massimo Franco traf den Papst offenbar schon mehrmals, er gibt auch oft dessen Exegeten, obschon sich der Argentinier ja meistens so deutlich ausdrückt, dass er nicht zusätzlich gedeutet werden muss.

Aus diesem jüngsten Gespräch entstanden zwei volle Zeitungsseiten. Sie handeln unter anderem von den Beziehungen des Vatikan zum Moskauer Patriarchat, vom Krieg in Syrien, von China, von den Flüchtlingen. Als sie über Europa sprachen, erinnerte sich der Papst an seine Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg im November 2014, als er den Kontinent mit einer "Großmutter" verglich - "unfruchtbar und nicht mehr sehr lebendig". Nur wenige Stunden später habe er einen Anruf erhalten: "Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat mich angerufen", sagte der Papst, "sie war ein bisschen verärgert, weil ich Europa mit einer unfruchtbaren Frau verglichen hatte, die keine Kinder mehr gebären könne. Sie fragte mich, ob ich das wirklich denke."

Mehr noch als der Inhalt des Austauschs verwunderte der Umstand, dass Merkel mal eben zum Hörer greift und den Papst anruft - und dazu noch im Ärger: "Un po' arrabbiata", wie es der Papst gegenüber dem Corriere beschrieben haben soll. Ganz so, wie sie Sigmar Gabriel mal schnell anrufen würde, vielleicht auch François Hollande oder Barack Obama. Aber den Papst? Nun, das Kanzleramt dementierte, dass es ein solches Telefonat jemals gegeben habe. Und Padre Federico Lombardi, der Sprecher des Vatikans, schob sein Dementi nach.

Merkel hat zwar einen guten Draht zu Franziskus. Er ist gar so gut, dass sich die beiden schon dreimal persönlich trafen. Und bei einer der Privataudienzen mit viel Protokoll, so darf man annehmen, fragte die Kanzlerin wahrscheinlich auch nach der päpstlichen Allegorie - womöglich mit etwas Kummer in der Stimme, wenn sich der Papst schon daran erinnert.

Aber für eine Standleitung in den Vatikan reicht der gute Draht wohl doch nicht aus.

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