Vatikan:Deal mit dem Peterspfennig

Im Vatikan wird ein Kardinal vor Gericht gestellt. Der Vorwurf: Korruption mit Spendengeldern. Der Prozess ist eine Premiere - und ein Wagnis.

Von Oliver Meiler, Rom

Ein Datum wie eine Wegmarke: 27. Juli 2021, Prozessauftakt. Zum ersten Mal wird ein Kardinal der katholischen Kirche vor vatikanische Richter treten müssen. Angelo Becciu, 73 Jahre alt, aus dem sardischen Pattada, wird vorgeworfen, bei Geschäften mit den Millionen der Kirche sein Amt missbraucht sowie Freunde und Verwandte begünstigt zu haben. Und da es sich dabei auch um Ressourcen aus dem Peterspfennig handelte, also um Spendengeld für die Allerärmsten, wiegt der Vorwurf doppelt schwer.

Becciu war von 2011 bis 2018 Substitut im Staatssekretariat des Vatikans, also Stellvertreter des Chefs in der Verwaltungszentrale der Weltkirche. Dort war er hauptsächlich zuständig für Investitionen. In seine Amtszeit fiel der Erwerb einer Luxusimmobilie im schicken Londoner Stadtteil Chelsea - für mehrere Hundert Millionen Euro. Im ehemaligen Lager des Kaufhauses Harrods an der Sloane Avenue sollten Wohnungen für sehr reiche Kunden gebaut werden. In den Deal waren Trader und Broker verwickelt, die für ihre Vermittlung hohe Kommissionen erhielten. Im Fall von Raffaele Mincione, der das Geschäft eingefädelt hatte, sollen es 40 Millionen Euro gewesen sein.

Der Papst hat Becciu im vergangenen Herbst alle Ämter weggenommen. Allerdings durfte der Sarde seinen Kardinalstitel und das Purpurgewand behalten, und die Wohnung in der Vatikanstadt bewohnt er bis heute. Das spektakuläre Verfahren gegen zehn Personen, die zu dem "faulen und raffgierigen System" gehört haben sollen, wie es die vatikanischen Ermittler in ihrer Anklageschrift schreiben, wird wohl lange dauern. Vorgeworfen wird ihnen Veruntreuung, Betrug, Geldwäsche, Erpressung, Korruption und Aktenfälschung. Sie sollen auch versucht haben, die Fahndungsarbeit zu behindern.

Vatikan: "Dame des Kardinals": Die sardische Unternehmerin Cecilia Marogna ist in die Geschäfte von Kardinal Angelo Becciu verwickelt.

"Dame des Kardinals": Die sardische Unternehmerin Cecilia Marogna ist in die Geschäfte von Kardinal Angelo Becciu verwickelt.

(Foto: privat/Imago)

Zu den Angeklagten gehört Cecilia Marogna, eine 40-jährige sardische Unternehmerin mit einer Briefkastenfirma in Slowenien. In den italienischen Medien ist sie unter dem Begriff "Dame des Kardinals" bekannt. 575 000 Euro soll sie erhalten haben für ihre Dienste für Becciu. Worin diese Dienste genau bestanden, ist nicht klar. Marogna erklärte einmal, sie habe dank ihres Netzwerks in Geheimdienstkreisen bei Geiselnahmen von Geistlichen vermittelt. Sie lasse sich nichts vorwerfen, schließlich habe das Staatssekretariat alle Überweisungen genehmigt. Mit dem Geld kaufte sie sich Kleider und Accessoires großer Modehäuser. Becciu soll auch seine drei Brüder mit Aufträgen und Zuwendungen aus dem Vatikan bedacht haben. Einer betreibt eine Bierbrauerei.

Gespannt ist man nun, ob der gefallene Kardinal versuchen wird, andere hohe Würdenträger durch belastende Aussagen mit sich in die Tiefe zu zerren. Becciu war jahrelang so mächtig in der vatikanischen Verwaltung, dass er alles weiß, er kennt auch alle Geheimnisse. Das Staatssekretariat tritt als Kläger im Prozess auf, als habe der Kardinal allein aus eigenem Antrieb und zum Schaden der Kirche gehandelt. Damit soll auch die Verantwortung der Nummer zwei des Vatikans, von Staatssekretär Pietro Parolin, aus dem Fokus entfernt werden. Parolins Position gilt als tabu. Der Papst hat den Investitionsarm im Staatssekretariat unterdessen entmachtet und die Strukturen neu sortiert. Aber ob das reicht?

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