Vatikan:"Es gibt Korruption"

Pope Francis holds weekly audience at Vatican

Der oberste Hirt gibt sich reumütig: Sogar Spendenfonds für Bedürftige wurden eingesetzt, um krumme Geschäfte auszugleichen.

(Foto: Guglielmo Mangiapane/Reuters)

Papst Franziskus muss einräumen, dass es im Vatikan nicht immer ganz sauber zuging - vor allem bei Immobiliengeschäften im Ausland.

Von Andrea Bachstein

Von Atomwaffen, Krieg und Frieden sprach der Papst hoch über den Wolken. Doch auf dem Rückflug von Japan nach Rom elektrisierte bei der rituellen Pressekonferenz im Flugzeug weit mehr, was Franziskus am Dienstag zu den jüngsten Vorgängen innerhalb der Vatikanmauern sagte, bei denen es um viele Millionen geht. Es war das erste Mal, dass der Pontifex sich öffentlich zu Vorgängen äußerte, die seit Wochen Staub aufwirbeln. Ohne Umschweife sagte er: "Es gibt Korruption" im Vatikan, das sei hässlich, "man hat Dinge getan, die nicht sauber zu sein scheinen". Gott sei Dank aber funktioniere das System: "Ich war froh, weil das heißt, dass die Vatikanverwaltung in der Lage ist, Licht in Schlechtes zu bringen, das im Inneren passiert", sagt Franziskus. Noch ist nicht alles am Licht, aber einiges erhellt.

Am Ende hatte der Geschäftsmann einen netten Gewinn, der Vatikan einen hässlichen Verlust

Die Beteiligung an einer Immobilie an Londons Sloane Avenue im feinen Bezirk Kensington und Chelsea, von der sich das Vatikanische Staatssekretariat ein gutes Investment versprach, geriet zur teueren Fehlspekulation. Das Staatssekretariat ließ sich offenbar von einem cleveren italienischen Geschäftsmann über den Tisch ziehen. Der besaß eine Firma, der die Immobilie gehörte. Dieser Raffaele Mincione brachte das Staatssekretariat dazu, sich schließlich mit 200 Millionen Dollar an der Firma zu beteiligen. Er hatte am Ende einen netten Gewinn, der Vatikan einen hässlichen Verlust, weil das Geschäft nicht so viel wert war. Und für das schlechte Geschäft wurde offenbar als Darlehen auch Geld eingesetzt aus dem Peterspfennig, dem Spendenfonds für Bedürftige.

Dieses verteidigte der Papst beim Rückflug nach Rom. Vorübergehend Spendengeld für Investitionen zu benützen, widerspreche nicht dem karitativem Zweck - es unterstütze ihn vielmehr, weil so der Wert des Geldes erhalten bleibe, womöglich gemehrt. Allerdings, so Franziskus, müssten die Anlagen diversifiziert, sicher und ethisch einwandfrei sein und das Geld am Ende dem eigentlichen Zweck zukommen.

Treibende Kraft der unseligen Beteiligung in London war 2014 Monsignore Giovanni Angelo Becciu, im Staatssekretariat Chef der Abteilung "Allgemeine Angelegenheiten". Er versenkte 2015 erneut viel Geld des Vatikan mit Anteilen an einem bankrotten Krankenhaus in Rom. Vergangenen Sommer wurde Becciu als Kardinal zum Präfekten der Kongregation für Heilig- und Seligsprechungen wegbefördert. Angeblich darf er derzeit auf Anweisung des Papstes den Vatikan nicht verlassen.

Die Affäre um das Haus an der Sloane Avenue bekam in den vergangenen Wochen krimireife Züge. Nachdem das vatikanische Geldinstitut IOR Auffälligkeiten gemeldet hatte, trat die Vatikan-Gendarmerie am 1. Oktober an und durchsuchte Büros der vatikanischen Finanzaufsicht Aif und im Staatssekretariat und beschlagnahmte Dokumente. Fünf Mitarbeiter wurden suspendiert. Weil dies der Presse zugespielt wurde, musste Gendarmerie-Chef Domenico Giani gehen. Vergangene Woche ging auch Aif-Präsident René Brülhart. Der Schweizer, als Geldwäsche-Bekämpfer international bekannt, hatte sich zuvor hinter die suspendierten Mitarbeiter gestellt, sie hätten nichts falsch gemacht. Dann verließen zwei Aif-Kontrollräte ihre Posten, der Amerikaner Juan Carlos Zarate und der Schweizer Marc Odendall, der sagte, Vorgänge im Vatikan hätten von der Aif nur eine "leere Muschel" übrig gelassen.

Am Mittwoch gab der Papst Brülharts Nachfolger als Aif-Präsident bekannt: Der 63 Jahre alte Carmelo Barbagallo, der fünf Jahre die Aufsichtsabteilung von Italiens Staatsbank leitete.

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