Vakzine:Heiß begehrter Stoff

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"Abstrakte Gefährdung": Das BKA warnt vor möglichen gewaltsamen Protesten bei Impfzentren - im Bild eine Einrichtung in Husum. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Die in Deutschland geplanten Impfzentren müssen wohl bewacht werden.

Von Florian Flade, Georg Mascolo, Dietrich Mittler und Ronen Steinke

Je näher die Auslieferung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus rückt, desto wichtiger wird der Schutz der Menschen, die mit diesem Medikament hantieren. Darauf weist ein internes Lagebild des Bundeskriminalamts (BKA) hin, das von alarmierenden Szenarien ausgeht. Aufgrund der "hohen Dynamik und Emotionalität, die dem Themenkomplex Corona innewohnen", müsse von einer "abstrakten Gefährdung" für Impfstoffhersteller, aber auch für Impfzentren sowie die Transport- und Lagerstätten ausgegangen werden, heißt es nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR in dem vertraulichen Papier. Zuerst hatte die Wirtschaftswoche darüber berichtet.

Insbesondere warnt das BKA davor, dass Kritiker der Corona-Maßnahmen versuchen könnten, in die Impfzentren einzudringen, um für ihren Protest besonders große mediale Aufmerksamkeit zu bekommen. Diese Sorge hat einen konkreten Hintergrund. Für diesen Samstag war eine Demonstration der "Querdenker" vor der Firmenzentrale von Biontech angekündigt, jenem Forschungsunternehmen in Mainz, das nach bisherigem Stand einen vielversprechenden Corona-Impfstoff entwickelt hat.

Aus Sorge um die Sicherheit hat inzwischen zwar das örtliche Ordnungsamt interveniert. Die Stadt Mainz schlug einen alternativen Veranstaltungsort vor, machte auf strikte Auflagen aufmerksam. Daraufhin zog der Demo-Anmelder zurück. Das BKA warnt dennoch, bei "Protesten von Impfgegnern, Corona-Skeptikern und Verschwörungstheoretikern" an solchen Orten seien Sachbeschädigungen "wahrscheinlich" und sogar "physische Übergriffe" möglich.

Aber auch aus einer anderen Richtung könnten, wenn demnächst erste Impfstoffe marktreif sein sollten, Gefahren kommen. Es sei "auch ein Entwenden des gelagerten Impfstoffes denkbar, dies insbesondere bei Verzögerungen der Impfprozesse sowie bei einer Verknappung des Impfstoffes". Einbrecher könnten versuchen, die kostbare Ware für ihren eigenen Gebrauch oder für den Verkauf auf dem Schwarzmarkt zu stehlen. Beruhigend sei andererseits: Der Impfstoff muss sehr kalt gelagert werden, sein Transport ist sehr aufwendig. Für die meisten Einbrecher sei das dann doch nichts.

Bayern verrät nicht, wo die Vakzine gelagert werden

Nicht nur in Deutschland, so schreiben die BKA-Experten, sondern auch weltweit seien Forschungseinrichtungen und Produktionsanlagen der Impfstoffe im Visier von "Konkurrenzunternehmen" und "staatlichen Akteuren". Ein so kostbarer Stoff ruft Neider auf den Plan, ein so potenziell wertvolles Medikament sei an vielen Orten der Welt dringend gefragt. Daher müssten deutsche Impfstoff-Hersteller auch mit Cyberangriffen rechnen - etwa durch ausländische Geheimdienste. "Insbesondere der möglicherweise bevorstehende Durchbruch bei der Impfstoffforschung kann ein verstärktes Interesse von staatlichen Angreifergruppierungen bedeuten", heißt es in der Analyse.

Seit einigen Wochen werden in der Bundesregierung Pläne erarbeitet, wie die begehrten Impfstoffe gegen das Coronavirus zukünftig gelagert und verteilt werden können. In Bayern beispielsweise wird aus Sicherheitsgründen ein Geheimnis daraus gemacht, wo künftig die Kühlschränke stehen sollen, in denen der Impfstoff bei minus 70 Grad gelagert wird. Wie zu hören ist, sind Räume in den sechs bayerischen Universitätskliniken vorgesehen - und regionale Krankenhäuser. Alle Standorte sind bereits von Beamten des Landeskriminalamtes begutachtet und sodann sicherheitstechnisch aufgerüstet worden. Auch die Bundeswehr hat angeboten, bei der Logistik zu unterstützen und eventuell Lagerstätten zur Verfügung zu stellen, die auch bewacht werden könnten.

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