Am Dienstag erklärte er sich grundsätzlich dazu bereit, den Posten zu übernehmen, allerdings nur unter der Bedingung, dass sich die unterschiedlichen Parteiflügel bis Ende der Woche geschlossen hinter ihn stellten. Ryan sagte, er kandidiere nur widerwillig. Er wolle sich aber nicht vorwerfen lassen, in diesem schwierigen Moment nicht alles versucht zu haben. "Wenn ich wirklich die einigende Gestalt sein kann, bin ich glücklich zu dienen", sagte er.
Falls Ryan sich für eine Kandidatur entscheidet, wäre ihm die Unterstützung des "House Freedom Caucus" wohl gewiss, so signalisierte es am Sonntag jedenfalls Jim Jordan, Abgeordneter aus Ohio und Vorsitzender der Gruppe.
Republikaner wirken führungslos
Die Grabenkämpfe und die schwerfällige Suche nach einem Kandidaten für das hohe Amt fallen in eine Zeit wichtiger Entscheidungen. Noch stehen im Kongress Abstimmungen über Schuldenobergrenzen und neue Haushaltsdebatten bevor, wieder dräut ein Shutdown, dieses Mal im Dezember.
Der chaotische und führungslose Eindruck, den die amerikanischen Konservativen derzeit hinterlassen, wird zusätzlich genährt durch einen Wahlkampf, den die bisherigen Nicht-Politiker Donald Trump, Ben Carson und Carly Fiorina dominieren: ein Immobilienzar, dessen Sätze die 140-Zeichen-Länge einer Twittermitteilung selten übersteigen; ein ehemaliger Top-Chirurg, der die Evolution anzweifelt; und die einstige Hewlett-Packard-Chefin, deren Amtszeit unglücklich verlief - sie alle sind stolz darauf, eben nicht dem typischen Politikerbild zu entsprechen.
Washington ist für sie beinahe ein Schimpfwort und fehlende politische Erfahrung plötzlich kein Hindernis mehr, "Amerika wieder groß zu machen", wie Trump nicht müde wird zu betonen. Auch das sagt viel über den Zustand dieser Partei aus.
Entgegen den Prognosen vieler sogenannter Experten und Meinungsmacher haben zumindest Trump und Carson nichts von ihrer Popularität eingebüßt, im Gegenteil. In der neusten Umfrage von Wall Street Journal und NBC News konnten sie ihren Vorsprung auf etablierte Mitstreiter wie Jeb Bush oder Marco Rubio gar ausbauen. Unkonventionelle Kandidaten wie Trump, die mit ihrer lauten Art die Masse der Wutbürger hinter sich scharen, gab es auch in früheren Wahlkämpfen schon, Herman Cain etwa oder Newt Gingrich, aber keiner hielt sich so lange, nämlich 93 Tage, und so erfolgreich wie "The Donald".
Trotz seines Erfolges bleibt Trump im Grunde unwählbar, wahrscheinlich weiß er das selber. Seine kriselnde Partei aber bringt er in Erklärungsnotstand, weil er ihr einen Spiegel entgegenhält.