V-Mann unter Mordverdacht:Ein V-Mann und drei Tote

Ein weißer Ford Escort Kombi im Parkhaus am Frankfurter Flughafen, darin das Blut vermisster Männer. Der Wagen gehört dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz. Der Fahrer ist als V-Mann auf die Islamisten-Szene angesetzt - nun ist er nach SZ-Informationen in die mutmaßliche Ermordung dreier Georgier verwickelt.

Ein weißer Ford Escort steht im Parkhaus am Frankfurter Flughafen. Er ist leer, der Innenraum ist aufgeräumt, und auf den ersten Blick erscheint nichts eigenartig an ihm. Erst auf den zweiten Blick entdeckt die Spurensicherung der Polizei Blut - geronnenes Blut, und nicht wenig.

V-Mann unter Mordverdacht: Ein weißer Ford Escort im Parkhaus am Frankfurter Flughafen, darin das Blut vermisster Männer. Das Auto gehört dem LKA Rheinland-Pfalz, der Fahrer ist V-Mann.

Ein weißer Ford Escort im Parkhaus am Frankfurter Flughafen, darin das Blut vermisster Männer. Das Auto gehört dem LKA Rheinland-Pfalz, der Fahrer ist V-Mann.

(Foto: Foto: AP)

Es führt sie zu drei Männern, die vor einem Monat verschwunden sind: drei Georgier, zwischen 28 und 48 Jahre alt, die nach Deutschland gekommen waren, um gebrauchte Autos zu kaufen. Nun sind sie weg, und das Blut eines der Männer klebt in den Ritzen des Autos am Flughafen.

Ein Kapitalverbrechen, so sieht es aus. Besonders brisant dabei: Der Wagen im Parkhaus gehört dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz, der Fahrer ist ein V-Mann in die Islamistenszene. Er wird wegen Mordverdachts verhaftet.

Er macht eine Aussage, und wenn man ihr glaubt, dann hat sich eine geradezu wahnwitzige Geschichte abgespielt. Eine Geschichte, die die Extremismus-Experten in Berlin zu einem gewagten Vergleich reizt: "Wenn das stimmt, dann haben wir zum ersten Mal einen Mord nach dem Muster von van Gogh in Deutschland."

Theo van Gogh, der niederländische Regisseur, wurde im November 2004 von einem Islamisten auf der Straße ermordet, weil er mit einem Islam-kritischen Film den Zorn von Extremisten auf sich gezogen hatte. So etwas soll auch in Deutschland geschehen sein?

Die Aussage des V-Mannes klingt so verrückt, dass man sie zunächst nicht glauben will: Vier Georgier sind am 28. Januar zum Autokauf nach Deutschland gekommen. Dies gilt den Ermittlern als gesichert. Schon mehrmals sind sie offenbar in Ludwigshafen gesehen worden, wo sie regelmäßig Gebrauchtwagen aussuchten. Der V-Mann des LKA soll ihnen bei der Vermittlung von Autos geholfen haben. Am 30.Januar verschwinden drei der Georgier spurlos - belegt durch eine Vermisstenanzeige, die der vierte im Bunde bei der Polizei erstattete.

Streit ums Kreuz?

Die drei Männer, so berichtet der V-Mann des LKA nun, stiegen in sein Auto, um mit ihm Richtung Heppenheim zu fahren, die hessische Kreisstadt am Rande des Odenwalds. Der vierte hatte schon am Vortag einen Wagen gekauft, er kommt nicht mit.

Fortsetzung auf der nächsten Seite: Kontakt zu den Bombenbauern vom Sauerland.

Ein V-Mann und drei Tote

Die Aussage steigert sich nun fast ins Unglaubwürdige: Unterwegs soll unter anderem ein Autohändler namens Ahmed H. zugestiegen sein. Der ist aus Ludwigshafen, geboren in Somalia, schon lange in Deutschland lebend. Man fährt zu einem Gehöft, ein Streit entbrennt. Angeblich, weil ein Georgier ein Goldkettchen mit einem Kreuz um den Hals getragen habe.

Es kommen noch mehrere andere Männer hinzu, drei von ihnen vermummt. Zwischen den Georgiern und den Vermummten um Ahmed H. wird heftig gestritten. Angeblich, so erzählt der festgenommene V-Mann, sei es noch um anderes gegangen: Um die Haltung Georgiens im Tschetschenien-Krieg, in dem Muslime gegen die Russen kämpfen, eine Front, in der es nur Freund oder Feind gibt.

Die Vermummten werfen den Georgiern vor, sie hätten die Tschetschenen nicht unterstützt, sie hätten geholfen, ihre Brüder zu ermorden. Am Ende werden zwei Georgier erschossen, den dritten nehmen die Vermummten mit. Er sollte, so erzählt der V-Mann, rituell geschächtet werden - bei einem bestimmten Imam im Großraum Frankfurt. Doch die zuständigen Behörden kennen keinen solchen Imam.

Auch die Leichen bleiben zunächst verschwunden, die Ermittler vermuten sie im Raum Heppenheim. Dort suchen sie den Jochimsee ab, auf dem Wasser schlagen Leichenspürhunde an. Doch nichts wird gefunden. An diesem Mittwoch dann werden im Altrhein bei Mannheim zwei Leichen gefunden. Die Körper sind jedoch so verschlammt, dass sie zunächst nicht identifiziert werden können. Die Staatsanwaltschaft will sich dazu bisher nicht näher äußern.

Dafür wissen die Ermittler umso mehr über jenen Ahmed H., der mit den Georgiern gefahren ist. Er gilt als überzeugter Islamist, als jemand, der viele Kontakte hat. Er sitzt mittendrin in einer islamistischen Szene, die die Fahnder fest im Blick behalten wollen.

Er ist als "Gefährder" eingestuft, gegen ihn wurde bereits mehrere Male ermittelt. Er soll Geld beschafft haben für den Dschihad, den Heiligen Krieg. Die Verfahren wurden eingestellt, doch die Fahnder lassen nicht locker: Sie wissen, mit wem er Kontakt hat: zum Beispiel mit Adem Yilmaz, dem Mann aus dem hessischen Langen, der zu den Bombenbauern vom Sauerland gehört und nun in Haft sitzt.

Oder auch zu Dr. Yehia Youssif, einem Pharmakologen und Prediger, der erst in Freiburg, dann im Multikulturhaus von Neu-Ulm predigte. Jener Mann, der den Dschihad predigte und in dessen Garage man Anleitungen zur Organisation von Terrorausbildungslagern fand. All diese Menschen kennt H.

Wie man Fahnder lockt

Hochrangige Ermittler halten es auch für möglich, dass es nicht um einen Ritualmord ging - sondern um Banaleres: die Beschaffung von Geld für den Dschihad. Und weil drei Georgier mit vielen Tausend Euro in der Tasche da waren, konnte man deren Geld den Heiligen Kriegern zukommen lassen. Nach Erkenntnissen der Ermittler kamen die Georgier jeweils mit Summen zwischen 5000 und 10.000 Euro zum Autokauf. "Möglicherweise ist der Raub dann zum Mord eskaliert", sagt ein Fahnder.

Fortsetzung auf der nächsten Seite: Möglich ist alles: vom schlichten Raubmord bis zum islamistisch inspirierten Ritualmord.

Ein V-Mann und drei Tote

"Das Einzige, woran kein Zweifel besteht: Es muss drei Tote gegeben haben", sagt ein hochrangiger Sicherheitsexperte. Doch alles andere changiert: vom schlichten Raubmord bis hin zum islamistisch inspirierten Ritualmord. "Oder es ist eine Mischung aus allem", sagt ein Verantwortlicher. "Auf jeden Fall ist das ein gewichtiger Fall."

Möglicherweise hat der inhaftierte V-Mann den islamistischen Rahmen aber auch nur konstruiert. Rätsel gibt den Ermittlern zudem auf, dass er nach dem Verschwinden der Georgier zunächst in den Nahen Osten ausreiste. Bei seiner Rückkehr hielt ihn die Bundespolizei am Frankfurter Flughafen fest - schließlich war er als vermisst gemeldet.

Weil er aber glaubhaft versichern konnte, mit dem Verschwinden der Georgier nichts zu tun zu haben, ließen sie ihn zunächst laufen. Nun redet er in der Haft über Islamismus. Der Mann weiß, womit er die Fahnder locken kann, er stand schließlich lange in ihren Diensten.

"Man hat nie eine Garantie"

Dadurch bekommt der Fall seine besondere Brisanz. Seit Anfang 2001 arbeitet der ehemalige Autohändler als V-Mann für die rheinland-pfälzische Polizei. Er ist Deutscher, der ursprünglich aus dem Nahen Osten stammt. Er gilt als zuverlässig, er habe gut geliefert, heißt es. Nun sitzt er in Haft, unter Mordverdacht.

Es ist der Gau für jede Polizei. Und die Rheinland-Pfälzer rätseln nun, wie es zu dieser Eskalation kommen konnte. Im Landeskriminalamt fürchtet man die Wirkung der Geschichte auf die Öffentlichkeit. Und man fürchtet, dass durch den aktuellen Fall Erkenntnisse in einem anderen Verfahren gefährdet werden könnten, mit dem der V-Mann beschäftigt war."Man hat bei V-Leuten nie eine Garantie, dass man nicht geleimt wird", heißt es bei hohen Sicherheitsverantwortlichen. "V-Leute müssen immer engstens kontrolliert werden." Das sei auch regelmäßig geschehen, heißt es aus dem LKA.

Nun sitzen zwei Männer in Haft: H., der Islamist, und der inzwischen abgeschaltete V-Mann. Beide werfen sich gegenseitig vor, der andere habe getötet, man selbst habe nur zugeschaut.

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