Süddeutsche Zeitung

V-Mann-Affäre in Thüringen:Kamera und Spitzel

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Ein hochrangiger Beamter des Thüringer Verfassungsschutzes hat im Jahr 2007 offenbar vereitelt, dass ein Überfall auf einen Journalisten aufgeklärt wird. Darauf deutet die Aussage eines Geheimdienstitarbeiters hin. Der Journalist erinnert sich nicht gerne an das Zusammentreffen mit Neonazis: "Ich dache, die bringen mich um."

Von Tanjev Schultz

In der Thüringer V-Mann-Affäre ist der Verfassungsschutz des Landes erneut in Erklärungsnot geraten. Das Innenministerium in Erfurt forderte das Landesamt für Verfassungsschutz in dieser Woche dazu auf, der Staatsanwaltschaft die Akten zum Fall des ehemaligen Spitzels und früheren NPD-Funktionärs Kai-Uwe Trinkaus zu übergeben.

Damit reagierte das Ministerium auf den von Abgeordneten erhobenen Vorwurf einer Strafvereitelung durch den Geheimdienst. Hintergrund ist die Aussage eines V-Mann-Führers bei der jüngsten Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Ex-Spitzel Trinkaus, Deckname "Ares".

Demnach soll der Spitzel dem Verfassungsschutz im Jahr 2007 einen Täter aus der Neonazi-Szene benannt haben. Dieser soll damals für den Überfall auf einen Fotojournalisten und den Diebstahl von dessen Kamera verantwortlich gewesen sein. Ein hochrangiger Beamter des Verfassungsschutzes in Erfurt soll damals die Anweisung erteilt haben, den Vorgang und den Namen des mutmaßlichen Täters nicht in einem Vermerk festzuhalten. Offenbar erfolgte dazu auch keine Meldung an die Polizei.

"Ich dachte, die schlagen mich tot"

Der Spitzel lieferte dem Verfassungsschutz sogar die Fotos der Kamera auf einer CD. Er soll dem Amt zudem mitgeteilt haben, dass die Kamera auf Ebay verkauft werde.

Die Polizei habe damals zwar zwei Täter des Überfalls ermittelt, den Diebstahl der Kamera aber nicht aufklären können, sagt der Fraktionschef der Linken in Thüringen, Bodo Ramelow. Deshalb sei die Weitergabe der Akten zu begrüßen und die juristische Aufklärung parallel zur Arbeit des Untersuchungsausschusses notwendig.

Das Opfer der Attacke von 2007, der Journalist Tobias Damm, sagte der SZ, auch er behalte sich juristische Schritte vor. Er war am 1. Mai 2007 in einen Pulk von Neonazis geraten; eine Lokalzeitung zitierte ihn damals mit den Worten: "Ich dachte, die schlagen mich tot." Verletzt entkam er dem Mob, seine teure Kamera blieb verschwunden.

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Quelle:
SZ vom 21.12.2013
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