Süddeutsche Zeitung

Ustascha-Gedenken in Kärnten:Hitlergruß und Vaterunser

  • An diesem Samstag feiern wieder Tausende Kroaten eine Messe im österreichischen Bleiburg, die an gefallene Kämpfer der faschistischen Ustascha erinnert - darunter viele Neonazis.
  • Auch ranghohe kroatische Politiker reisen an, obwohl solch eine Veranstaltung in Kroatien unmöglich wäre.
  • In Österreich lassen Behörden, Politik und Kirche das Treffen seit Jahrzehnten zu - doch es mehrt sich Kritik.

Von Leila Al-Serori und Vera Deleja-Hotko

4093 Einwohner leben in Bleiburg, einer verschlafenen Kleinstadt im südösterreichischen Kärnten. Doch jedes Jahr im Mai vervielfacht sich die Zahl der Menschen in dem Ort: In Bussen reisen Tausende aus Kroatien an. Für eine Gedenkveranstaltung, bei der katholische Ordenskleider auf Uniformen des faschistischen Ustascha-Regimes treffen. Und das Vaterunser in der Messe gesungen wird, während im Bierzelt nebenan einige Gäste die Hand zum Hitlergruß erheben.

So zeigen es Fotoaufnahmen, so schildern es Journalisten und Aktivisten, die dabei waren: beim "größten Treffen von Neonazis in ganz Europa", wie es das Dokumentationsarchiv für den österreichischen Widerstand (DÖW), die wichtigste Forschungseinrichtung im Land für Rechtsextremismus, klassifiziert. Vor drei Jahren kamen knapp 30 000 Menschen. Zahlreiche Teilnehmer sollen teils kroatischem, teils österreichischem Recht zuwiderhandeln. Und das Ustascha-Regime verherrlichen.

Die Ustascha, " der Aufständische", war eine radikal nationalistische Organisation, die von 1941 bis 1945 im "Unabhängigen Staat Kroatien" als Handlangerin der deutschen Nazis herrschte. Gegründet wurde sie von Ante Pavelić, einem ehemaligen Parlamentarier des Königreiches Jugoslawien, der von der Unabhängigkeit Kroatiens träumte. Pavelić erließ Rassengesetze, die sich vorwiegend gegen Serben, aber auch Juden und Roma, richteten. In Jasenovac, dem einzigen Vernichtungsslager, das nicht von Deutschen betrieben wurde, brachte das Regime mindestens 60 000 Menschen um.

Als das Dritte Reich zerfiel, flohen die Ustascha - und Angehörige der ebenfalls mit den Nazis kollaborierenden Slowenischen Domobranzen (Heimwehr), serbische Tschetniks, deutsche Soldaten sowie zahlreiche Zivilisten - vor den jugoslawischen Tito-Partisanen in Richtung britischer Besatzungsgebiete und damit ins heutige Kärnten. Am 14. Mai 1945 erreichten sie das Loibacher Feld bei Bleiburg. Doch die Briten übergaben sie den kommunistischen Partisanen und schickten sie zurück über die nahe Grenze. Zehntausende starben in der Folge auf Todesmärschen und bei Massakern, auch bereits in der Gegend von Bleiburg auf österreichischem Gebiet.

Seit fast 70 Jahren findet das Gedenken an die gefallenen Kämpfer nun auf dem Loibacher Feld statt, diesmal am 12. Mai. Zuerst auf dem Friedhof dann auf einem großen Privatgrundstück, wo ein Gottesdienst und Politikerreden abgehalten werden. In den vergangenen Jahren stellten die Organisatoren auch Bierzelte und Souvenirstände auf, es gab Bratwürste und massenhaft Alkohol.

"Die meisten Bewohner verlassen an diesem Samstag nicht einmal das Haus", ärgert sich Stefan Visotschnig, Bürgermeister von Bleiburg. Man lebe zwar seit Jahrzehnten mit dem jährlichen Spektakel, aber es sei immer mehr "ein Manifest für Faschisten" geworden. "Das kann doch so nicht weitergehen", sagt er der Süddeutschen Zeitung.

Organisiert wird das umstrittene Treffen von der katholischen Kirche Kroatiens und dem österreichischen Verein "Bleiburger Ehrenzug" - mittlerweile wieder unterstützt vom Parlament in Zagreb. Das Gedenken wird live im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Kroatiens übertragen, ranghohe konservative kroatische Politiker halten Reden - diesmal Parlamentspräsident Gordan Jandroković. Und das obwohl diese Veranstaltung in seiner Heimat unmöglich wäre. Denn Symbole der Ustascha sind in Kroatien verboten.

Fahren sie also nach Österreich, um die Gesetzeslage in Kroatien zu umgehen? Und warum spielt Österreich da mit? Schließlich hat das Land eines der strengsten Verbotsgesetze für nationalsozialistische Symbole und Aussagen in Europa.

"Die Politik müsste deutlich mehr Druck ausüben"

Wer recherchiert, bekommt schnell den Eindruck, dass ein Verbot der Veranstaltung durchaus kompliziert wäre - aber auch, dass jahrzehntelang weggeschaut wurde. Nach mehreren Medienberichten im vergangenen Jahr hat die breite Öffentlichkeit überhaupt davon erfahren; und erst jetzt gibt es zögerliche Schritte, dem Treiben Einhalt zu gebieten. Dieses Mal sollen etwa 300 Polizisten im Einsatz sein - bei mindestens 10 000 erwarteten Teilnehmern. Erstmals ist eine Gegendemonstration in Bleiburg angekündigt. In vergangenen Jahren trat auch Anneliese Kitzmüller bei dem Gedenken auf. Die FPÖ-Politikerin ist mittlerweile Dritte Präsidentin des österreichischen Nationalrats.

Der Hauptteil der Veranstaltung ist ein vierstündiger Gottesdienst der kroatischen katholischen Kirche, der von den österreichischen Glaubensbrüdern bewilligt wird. Diese könnten ihn durchaus untersagen - was aber diplomatisch heikel ist. Da der Druck größer wird, hat man sich zumindest öffentlich von den rechtsradikalen Vorfällen distanziert und strenge Auflagen erlassen. "Strikt verboten" sind Botschaften mit politischem Inhalt sowie das Tragen von Uniformen, wie der Sprecher der Diözese Gurk in Kärnten auf Nachfrage mitteilt. Auch der Verkauf und Konsum von Alkohol ist verboten. Diese Auflagen gelten für die Messe und das direkte Umfeld - was davor oder danach passiert, sei nicht mehr Sache der Kirche, da wären Politik und Behörden am Zug, heißt es von der Diözese.

Wer bei der Landesregierung Kärnten nachfragt, bekommt zu hören, dass ihr die Hände gebunden seien. Schließlich sei es eine kirchliche Veranstaltung, noch dazu auf privatem Grund. "In Österreich ist die Religionsausübung und -freiheit umfassend geschützt", rechtfertigt sich eine Sprecherin.

Tatsächlich findet die Veranstaltung auf privatem Gelände statt - aber sie ist seit Jahren offensichtlich nicht nur religiös. Davor und danach soll es mehr den Charakter eines Volksfestes haben, durchmischt mit Neonazis, die aus ganz Europa anreisen, schildern Augenzeugen. Die Symbole der Ustascha-Bewegung wurden in der Vergangenheit in Bleiburg regelmäßig zur Schau gestellt und auch der Hitlergruß ist keine Seltenheit.

Der Wiener Grüne Karl Öllinger brachte mehrere Fotos von Männern mit ausgestreckter Hand im vergangenen Jahr zur Anzeige. Der Hitlergruß ist in Österreich durch das sogenannte Verbotsgesetz strafbar. Doch alle Anklagen wurden fallengelassen, da die Personen nicht klar identifizierbar gewesen seien. "Die Politik müsste deutlich mehr Druck ausüben", sagt Öllinger der Süddeutschen Zeitung. "Stellen Sie sich vor, türkisch-muslimische Verbände würden in Bleiburg aufmarschieren. Was da los wäre in Österreich." Auch die Israelitische Kultusgemeinde Wien appelliert an die Politik, dem Treffen ein Ende zu setzen.

Der bekannte österreichische Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk kommt zu dem Schluss, dass seitens der Exekutive "bewusst weggeschaut" wurde. Denn "das Geschehen rund um die Gedenkmesse unterliegt der Überwachung der Behörden". Das bedeute, sollte zeitgleich zur Predigt im angrenzenden Bierzelt ein faschistisches Lied gesungen und die Hand zum Hitlergruß gehoben werden, dann sei es notwendig einzuschreiten. Dies falle nicht unter die Religionsfreiheit. Und obwohl die Veranstaltung auf privatem Grund stattfinde, müsse die Polizei einschreiten, sobald gegen das österreichische Justiz- oder Verwaltungsstrafrecht verstoßen wird, sagt Funk.

Die Landespolizeidirektion Kärnten weist diese Vorwürfe zurück. In den vergangenen Jahren sei es bereits zu Anzeigen und Festnahmen gekommen und das würde nicht vom "Wegschauen" kommen, heißt es in einem Statement.

Das gilt für Verstöße gegen österreichische Gesetze. Da Ustascha-Symbole aber nur in Kroatien verboten sind, können die Polizisten nicht dagegen vorgehen. Solange also nicht geklärt ist, wie mit faschistischen Grüßen und Liedern anderer Länder umzugehen ist, so lange wird in Bleiburg wohl weiter alles so laufen wie bisher.

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) plädiert deshalb für eine Änderung des entsprechenden Gesetzes. Das wiederum sei aber Sache der Regierung beziehungsweise des Parlaments in Wien, heißt es aus seinem Büro. Ähnlich argumentiert auch die Polizeidirektion Kärnten - die auf das Innenministerium verweist, das wiederum eine Stellungnahme ablehnt und zurück auf die Polizei verweist. Immerhin werden dieses Jahr auch zwölf Polizisten mit Kroatisch-Kenntnissen dabei sein - damit zumindest ein paar verstehen, was da vor ihnen so gesungen wird.

Und die Veranstalter? Die verstehen die ganze Aufregung nicht. Vereinzelt sei es zwar zu solchen Vorfällen gekommen, doch eigentlich sei es ein Totengedenken "für alle Gefallenen des Massakers von Bleiburg, egal ob Zivilisten oder Soldaten", kein "Ustascha-Treffen", sagt Thomas Baumgärtner der Kleinen Zeitung. Der ehemalige Polizist aus Ulm ist gebürtiger Kroate und seit kurzem Obmann des Vereins "Bleiburger Ehrenzug". Sein Vorgänger und Eigentümer des Grundstücks, auf dem das Treffen stattfindet, ist Ilija Abramović. Eigenen Aussagen zufolge war dieser früher selbst Mitglied der Ustascha.

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