Wladimir Putin gratulierte seinem Kollegen ungewöhnlich früh, noch bevor das offizielle Ergebnis der Präsidentenwahl in Usbekistan vorlag. Der Sieg von Amtsinhaber Schawkat Mirsijojew war nicht nur eine sichere Sache; mit ihm kommt Putin auch besser zurecht als mit Mirsijojews Vorgänger Islam Karimow. Mirsijojew war in den vergangenen fünf Jahren in Usbekistan als Reformer aufgetreten. Die Abstimmung am Sonntag aber gewann er in alter Autokratenmanier mit mehr als 80 Prozent der Stimmen, so das Ergebnis der Wahlkommission.
Fast ebenso erwartbar wie sein Sieg fiel das Urteil der internationalen Beobachter aus: Sie kritisierten nicht nur, dass die Wahl ohne Opposition stattfand, sondern beobachteten auch deutliche Manipulationen. Wahlzettel seien packenweise in die Urnen gestopft worden, so die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
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Es war die erste Präsidentschaftswahl in Usbekistan, seit Mirsijojew 2016 die Macht übernommen hat. Diktator Karimow war damals nach 25 Jahren Schreckensherrschaft gestorben, unter ihm war Usbekistan arm und verschlossen gewesen, wurden politische Gefangene gefoltert und Kinder zur Baumwollernte gezwungen. Sein Nachfolger Mirsijojew versprach, das Land freier und offener zu machen.
Die Abstimmung am Sonntag galt deswegen auch als Test dafür, wie weit seine politischen Reformen tatsächlich reichen. Das Ergebnis fällt ernüchternd aus, Usbekistan bleibt eine repressive Autokratie. Zwar durften vier Gegenkandidaten bei der Wahl antreten. Sie waren allerdings von der Regierung abgesegnet und den Wählern nur mäßig bekannt. Wahlkampf fand nicht statt, eine echte Konkurrenz hatten die Behörden verhindert. Oppositionelle Parteien konnten sich in Usbekistan nicht offiziell registrieren, daher auch keine Kandidaten aufstellen. Mehrere Oppositionelle berichteten zudem von Druck und Drohungen vor der Wahl.
Kinderarbeit auf den Baumwollfeldern wurde abgeschafft, aber es gibt noch Zwangsarbeit
Schon während seiner ersten Amtszeit hatte Mirsijojew widersprüchliche Botschaften gesendet. Einerseits ist unbestritten, dass er vieles im Land verbessert hat. So ließ er nach Angaben von Human Rights Watch mehr als 50 politische Gefangene frei. Doch diese Menschen seien weder rehabilitiert noch entschädigt worden, kritisieren die Menschenrechtler, viele litten an den gesundheitlichen Folgen von Haft und Folter. Ein anderes Beispiel: Die Kinderarbeit auf den Baumwollfeldern wurde abgeschafft. Dort werden nun weniger Menschen während der Ernte zur Arbeit genötigt - aber ganz verschwunden ist die Zwangsarbeit laut Internationaler Arbeitsorganisation noch nicht.
Schawkat Mirsijojew reformiert das Land vor allem deswegen, um es wirtschaftlich zu stärken. Folter und Zwangsarbeit passen nicht zu den moralischen Leitlinien internationaler Konzerne, die er sich als Investoren wünscht. Er hat Visabestimmungen gelockert, den Wechselkurs freigegeben, damit ausländisches Geld ins Land fließt. Der zentralasiatische Staat erlebte einen Wachstumsschub, den die Pandemie ausgebremst hat. Die Arbeitslosigkeit stieg, die Lebenshaltungskosten auch. Wer Arbeit hat, dem reicht der Lohn oft nicht.
Auch die politischen Reformen greifen bisher viel zu kurz. Für Menschen, die dem Regime unbequem sind, hat sich kaum etwas geändert: Es bleibt gefährlich, in Usbekistan unpopuläre Meinungen laut zu äußern. Die Gerichte sind abhängig vom Regime, der Geheimdienst ist gefürchtet. Es gibt weiterhin Berichte über Folter, weniger in den Gefängnissen, dafür aber auf Polizeistationen. In den Monaten vor der Wahl stieg der Druck auf unabhängige Journalisten. Mehrere Blogger wurden angeklagt oder gleich eingesperrt, nachdem sie den Präsidenten oder die anstehende Abstimmung kritisiert hatten.
Wie es nun weitergeht, ist offen. Manche Experten erwarten, dass sich die Lage nach der gewonnenen Wahl entspannt, die Freiheit wieder größer wird. Andere befürchten das Gegenteil, nachdem Mirsijojew die Chancen zu echten politischen Reformen nicht genutzt hat. So oder so, die zweite Amtszeit sollte seine letzte sein. Um länger an der Macht bleiben zu können, müsste er die Verfassung ändern. Aber auch das gehört längst zum Werkzeugkasten der Autokraten. Sein Kollege Putin in Moskau hat es vorgemacht.