Süddeutsche Zeitung

Usbekistan:Die verschwundene Prinzessin

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Langzeitherrscher Islam Karimow ist tot, was wird nun aus Usbekistan? Eine Familiendynastie - wie einst geplant - wohl eher nicht.

Von Frank Nienhuysen, München

Am Sonntag wird in Usbekistan ein neuer Präsident gewählt, aber die Frage nach dem Sieger ist nur eines von zwei Personenrätseln dieser Tage. Der langjährige Ministerpräsident Schawkat Mirsijajew wird es wohl machen. Er hat schon nach dem Tod des Langzeitherrschers Islam Karimow vorübergehend die Führung übernommen und organisierte auch prestigeträchtig dessen Beerdigung. Seine drei Gegenkandidaten gelten eher als Versuch, wenigstens offiziell etwas demokratischen Anstand zu wahren, denn Usbekistan gilt bisher als eines der autokratischsten Länder Asiens. Was wird nun also aus dem Land? Eine Familiendynastie jedenfalls nicht.

Seit Beginn der Unabhängigkeit hatte Karimow Usbekistan gelenkt, und darauf schien es ja lange hinauszulaufen: dass seine älteste Tochter Gulnara Karimowa eines Tages seine Nachfolgerin werden würde. Die Frau tanzte auf vielen Hochzeiten gleichzeitig: Sie war eine der mächtigsten Geschäftsfrauen des Landes, nachdem sie in Harvard eine erstklassige Ausbildung erhalten hatte, sie war Vertreterin bei den Vereinten Nationen in Genf, Botschafterin in Spanien, sie jettete mit einer eigenen Schmuckkollektion durch die schöne weite Welt und hatte sogar noch etwas Zeit übrig, um Popstar zu werden.

Es gibt Fotos von ihr mit Sharon Stone und Elton John, bei einer Modenschau in Taschkent saß sie in der ersten Reihe neben Sting, der Sänger mit weißem T-Shirt und Turnschuhen, Gulnara Karimowa elegant wie eine Prinzessin. Weil sie immer wieder mit dem Society-Darling Paris Hilton verglichen wurde, legte der frühere britische Botschafter Craig Murray irgendwann Einspruch ein. Er verglich die als machthungrig und skrupellos geltende Frau eher mit einer "schönen und tödlichen James-Bond-Schurkin": "Gulnara Karimowa ist ein Höllenpaket: reicher als Paris Hilton, zweifellos klüger und womöglich sexier - ich habe sie beide getroffen."

Gulnara Karimowa ist in ihrem eigenen Land in Ungnade gefallen

Aber seit zwei Jahren ist sie schon nicht mehr öffentlich gesehen worden, und vor zwei Wochen tauchte sogar das Gerücht auf, dass sie gestorben sei. Spekulationen, die die usbekische Führung klar dementieren ließ, und die auch ihr in Großbritannien lebender Sohn in einem BBC-Interview als falsch zurückwies. Islam Karimow junior sagte, dass seine Mutter von den Sicherheitsbehörden in der Hauptstadt Taschkent in einem Drei-Zimmer-Anbau ihres Anwesens unter Hausarrest stehe. "Zwei, drei Jahre lang isoliert zu sein, ohne ein Mindestmaß an Menschenrechten, das verdient niemand in der Welt", sagte Karimow junior in dem BBC-Gespräch. Direkten Kontakt zu ihr habe er von London aus allerdings auch nicht.

Die Tochter des Präsidenten hatte sich nach einem Korruptionsskandal und nach persönlichen Fehden mit ihrer eigenen Familie überworfen, den usbekischen Sicherheitsdienst attackierte sie mehrmals über ihren Twitter-Account. So sehr ist Gulnara Karimowa in ihrem eigenen Land in Ungnade gefallen, dass sie nach dem Tod ihres Vaters nicht einmal in Samarkand an der Beerdigung teilnehmen durfte. Ein Hinweis vielleicht, dass auch Übergangspräsident Mirsijajew derzeit noch kein übersteigertes Interesse an abrupten Veränderungen hat. Karimow junior hofft gleichwohl auf das Gegenteil, auf eine Öffnung des Landes, auf etwas mehr Transparenz - vor allem im Umgang mit seiner Mutter.

Die amerikanische Justiz ist auch sehr gespannt darauf, wie sich Usbekistan entwickelt. Sie hat nämlich bewirkt, dass 600 Millionen Dollar aus einem Bestechungsskandal, in den Gulnara Karimowa verwickelt sein soll, in der Schweiz derzeit festgesetzt sind. Nach einem Bericht von Radio Free Europe/Radio Liberty würden die US-Behörden das Geld wohl gern nach Usbekistan zurückbringen, wissen aber nicht so recht, wer genau es bekommen solle. Eine entsprechende Frist für eine Einigung mit dem zentralasiatischen Land sei kürzlich auf Ende Januar verschoben worden. Bis dahin dürfte der neue usbekische Präsident den Übergang in eine andere Epoche eingeleitet haben.

Die usbekische Bevölkerung hatte sich in den zweieinhalb Jahrzehnten seit 1991 derart an ihren Herrscher Karimow gewöhnt, dass viele nach der Todesnachricht im September mit einem Hauen und Stechen rechneten, Chaos befürchteten und manche sogar einen Bürgerkrieg. Danach sieht es nun aber nicht aus. Der 59 Jahre alte Mirsijajew, der die größten Aussichten auf den Wahlsieg hat, wird Experten zufolge das gas- und baumwollreiche Land ebenfalls autoritär führen. Optimisten setzen hingegen darauf, dass vor einem Monat die Freilassung des politischen Gefangenen Samandar Kukanow nach 23 Jahren das Symbol für eine weichere Linie sein könnte. Karimow ist stets mit sehr harter Hand gegen seine Kritiker vorgegangen. Menschenrechtsorganisationen warfen ihm vor, dass er den Kampf gegen Islamisten im Nachbarland Afghanistans dabei immer wieder als Vorwand genutzt habe.

Außenpolitisch scheint Usbekistan das Verhältnis zu seinen zentralasiatischen Nachbarn weiter verbessern zu wollen. Auch Russland ist an einem engeren Verhältnis interessiert, doch in den Wochen unter Mirsijajew hat Usbekistan bisher keine Anstalten gemacht, der Eurasischen Wirtschaftsunion beizutreten, so wie Moskau es sich wünscht. Mit Gulnara Karimowa aber hat all das schon lange nichts mehr zu tun.

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SZ vom 03.12.2016
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