Trump stellt Hilfe ein:Was wird aus den IS-Lagern?

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Im Lager al-Hol leben seit Jahren Zehntausende Frauen und Kinder, die sich dem „Islamischen Staat“ angeschlossen haben. (Foto: Bernat Armangue/dpa)

In Syrien leben Zehntausende Angehörige von Terroristen in Camps. Bisher wurden die vor allem mithilfe von USAID betrieben. Das Geld bleibt nun aus.

Von Bernd Dörries, Kairo

Im Jahr 2022 reiste der republikanische US-Senator Lindsey Graham in den Nordosten Syriens. In einem tarnfarbenen Poloshirt besuchte er das riesige Al-Hol-Camp, in dem fast 40 000 Angehörige der Terrororganisation Islamischer Staat gefangen gehalten werden. In dem der IS unter den in Armut aufwachsenden Kindern neue Mitglieder anwirbt, in dem er mordet und seine Rückkehr vorbereitet. Das US-Militär spricht von einer „IS-Armee auf der Lauer“. Die Zäune um das Lager sind nicht besonders hoch, immer wieder kommt es zu Ausbruchsversuchen. Damals sagte Graham: „Die meisten Leute denken, der Krieg gegen Isis sei vorbei. Sie denken nicht darüber nach, wie man den Schaden repariert. Was macht man mit den Gefangenen?“

Folgt man Graham, dann gehört drei Jahre später sein Parteifreund und US-Präsident Donald Trump zu jenen, die nicht besonders viel darüber nachgedacht haben, was in den Lagern im Nordosten Syriens vor sich geht, wie man der Gefahr begegnet, die in den IS-Camps lauert. Am 24. Januar ließ Trump alle Zahlungen und laufenden Aufträge der staatlichen Entwicklungshilfe USAID stoppen, die ganze Organisation soll offenbar abgewickelt werden. Einen Tag nach dem Stopp bekamen die Frauen und Kinder in al-Hol kein Brot mehr geliefert, stellten viele Hilfsorganisationen im Camp ihre Arbeit ein, die sich bisher um die sanitären Anlagen gekümmert hatten oder Schulen betreiben. Unter vielen Insassen der Camps soll Panik ausgebrochen sein.

Die Camps in Syrien für die IS-Mitglieder sind politisch der kurdischen Autonomiebehörde unterstellt, faktisch werden sie aber von Hilfsorganisationen und Privatfirmen verwaltet, die wiederum nach Schätzungen bis zu 90 Prozent von USAID finanziert werden und wiederum lokale Subunternehmer anheuern. Ihnen wurde nun der Geldhahn zugedreht, auch bereits bezahlte Aufträge durften nach der Direktive vom 24. Januar nicht mehr ausgeführt werden.

Die Mitarbeiter von Blumont, dem wohl größten US-Unternehmen, das in al-Hol tätig ist, kamen nicht mehr zur Arbeit, ihre Büros bleiben verschlossen. Auch zahlreiche andere Hilfsorganisationen stellten ihre Arbeit ein. Sie sind für Bildungseinrichtungen in dem Lager zuständig, für Freizeitangebote, Toiletten und Treibstoff. Außerdem stellen sie teilweise die Sicherheitskräfte, die die Arbeit der Hilfsorganisationen im Lager vor den IS-Fanatikern beschützen.

Nach außen bewacht werden die Lager von den Truppen der kurdischen Autonomieverwaltung (SDF), die sich im syrischen Bürgerkrieg von Damaskus losgelöst hat. Die SDF stellten neben den Amerikanern auch die meisten Kämpfer, waren entscheidend dafür verantwortlich, dass die Terrorgruppe IS im Jahr 2019 besiegt werden konnte. Mit den Folgen fühlen sich die Kurden aber alleingelassen. In den Camps befinden sich fast 50 000 IS-Familienangehörige, von denen viele weiter an die Ideologie des IS glauben, etwa 5000 männliche Kämpfer sitzen in Gefängnissen ein. Viele von ihnen kommen aus China, Europa und den USA und werden von ihren Heimatländern nicht zurückgenommen.

Die Lager selbst sind ein weitgehend rechtsfreier Raum. „Wir können nicht einfach ins Camp gehen und nachschauen, was da vor sich geht“, sagte die Lagerleiterin Jihan Hannan der SZ bei einem Besuch im Sommer 2024. Nur mithilfe der in Syrien stationierten US-Soldaten können die kurdischen Sicherheitskräfte alle paar Monate das Lager betreten: Dort finden sie dann Waffen, eingeschmuggeltes Geld und manchmal Frauen in Zelten, die dort vom IS als Sklaven gehalten werden. IS-Mütter haben eine „Hisbah“ gegründet, eine Art Sittenpolizei, die kontrolliert, dass sich alle an das Gesetz des Kalifats halten. Wer nicht gehorcht, wird umgebracht, die Enthauptungen gehen auch im Lager weiter. Zwischen 2019 und 2022 gab es etwa 170 Morde in den syrischen IS-Lagern.

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:„Wir müssen die Kinder da rausholen“

Zehntausende IS-Terroristen hausen im Norden Syriens in Lagern, die in Teilen unkontrollierbar sind. Da werden Kinder zu Kämpfern ausgebildet, Frauen versklavt. Und die Welt? Tut, als sei das ein Problem der Kurden. Shamil und die Suche nach einer Zukunft.

Von Bernd Dörries

Das ist die Lage in den Lagern, die sich nach Ansicht vieler Experten nun durch den Entzug der US-Hilfe dramatisch verschlechtern könnte, die kurdische Autonomieverwaltung fürchtet Aufstände.

Auch in Washington wurde man mittlerweile offenbar auf das Problem aufmerksam. Für den Betreiber Blumont gibt es nun eine Ausnahmegenehmigung, um weiterzuarbeiten. Die läuft aber am Montag ab. Und Geld hat Blumont auch nicht gesehen, weil offenbar das zentrale Zahlungssystem von USAID gesperrt wurde. Blumont musste bereits zahlreiche Mitarbeiter entlassen, weitere Hilfsorganisationen werden wohl folgen, sollte Trump seine Politik nicht ändern.

Firmen wie Blumont stehen schon länger im Fokus der Republikaner. Sie sind keine Hilfsorganisationen im klassischen Sinne, die auch Spenden sammeln – sondern Teil der „Hilfsindustrie“. Oft von ehemaligen Mitarbeitern von USAID gegründet, bewerben sie sich um US-Regierungsaufträge im Irak, in Afghanistan und Syrien, und stellen für deren Ausführung lokale Mitarbeiter zu günstigen Löhnen ein. Formal erwirtschaften sie keine Gewinne, zahlen ihrem Management aber oft hohe Gehälter und Prämien.

Blumont hieß früher International Relief and Development (IRD), sein Gründer Arthur B. Keys und seine Frau Jasna Basaric-Keys verdienten nach Recherchen der Washington Post zwischen 2008 und 2012 mehr als 5,9 Millionen Dollar an Vergütung. Ihre Tochter und Basaric-Keys’ Bruder erhielten in dieser Zeit mehr als 1,3 Millionen Dollar. Später kamen noch Vorwürfe hinzu, die Firma habe den Taliban Schmiergelder gezahlt und ihre Ziele nicht erfüllt. „Es ist schwer zu verstehen, warum USAID weiterhin US-Steuergelder und nationale Sicherheitsziele aufs Spiel setzt, indem es Geschäfte mit Organisationen macht, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen und sich an potenziell illegalen und unethischen Aktivitäten beteiligen“, sagte der damalige republikanische US-Senator Bob Corker 2015.

Mittlerweile hat sich IRD in Blumont unbenannt und sein Management ausgewechselt. Im Al-Hol-Camp betreibt es Sportplätze und eine Bücherei, organisiert Webkurse für Frauen. Es versorgt das Lager aber vor allem mit Essen und Gaskochern und anderen Dingen des Alltags. Geld dafür ist offenbar keines mehr da. Wie es weitergeht, weiß in al-Hol derzeit niemand.

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