USA:Zwei Kanäle nach Kiew

In der Ukraine-Affäre sagt der Ex-Botschafter William Taylor vor dem Impeachment-Ausschuss im Kapitol Ermittlern aus. Er belastet Präsident Donald Trump und seinen Anwalt Rudy Giuliani - sie hätten Druck auf die Regierung in Kiew ausgeübt.

Von Alan Cassidy, Washington

USA: Der Diplomat William Taylor fand verstörend, was er in Kiew mitbekam.

Der Diplomat William Taylor fand verstörend, was er in Kiew mitbekam.

(Foto: Olivier Douliery/AFP)

William Taylor war bereits im Ruhestand, als ihn im vergangenen Frühjahr die Anfrage von US-Außenminister Mike Pompeo erreichte. Ob er nicht auf seinen alten Posten als Botschafter in der Ukraine zurückkehren könne? Taylor war schon von 2006 bis 2009 US-Gesandter in Kiew gewesen, Präsident George W. Bush hatte ihn nach einer langen Karriere als Offizier und Diplomat dorthin geschickt. Mit dem Land verband ihn noch immer vieles. Doch Taylor zögerte: Die bisherige Botschafterin war aus politischen Gründen nach Washington abberufen worden, und es gab Gerüchte, wonach die US-Regierung ihre langjährige Unterstützung für die Ukraine reduzieren wolle. Nach einem zweiten Gespräch mit Pompeo sagte der 72-Jährige aber zu - und traf im Juni als geschäftsführender Botschafter in Kiew ein.

Wie sehr ihn allerdings die Ereignisse verstörten, die er dort in der Folge beobachtete, hat er am Dienstag den Abgeordneten mehrerer Ausschüsse erzählt, die ihn vorgeladen hatten. Zehn Stunden lang wurde Taylor im abhörsicheren Konferenzraum im Keller des Kapitols befragt, in dem die Demokraten ihre Impeachment-Anhörungen gegen Präsident Donald Trump durchführen. Diese Anhörungen sind eigentlich vertraulich, aber nicht zum ersten Mal dauerte es nicht lange, bis Teile von Taylors Aussage an die Dutzenden von Journalisten durchgereicht wurden, die vor der Tür des Konferenzraums standen - in Form des 15-seitigen Eingangsstatements, das Taylor vorgelesen hatte.

Er habe schon früh bemerkt, dass die USA mit der neu gewählten Regierung von Präsident Wolodimir Selenskij über zwei verschiedene Kanäle in Kontakt standen, berichtete Taylor. Es gab demnach den offiziellen Kanal, dem neben Taylor und der US-Botschaft auch die meisten Zuständigen des Nationalen Sicherheitsrats in Washington angehörten. Und einem inoffiziellen, in dem Trumps persönlicher Anwalt Rudy Giuliani das Sagen hatte, der sich dafür unter anderem mit Gordon Sondland absprach, dem von Trump ernannten Botschafter bei der EU.

Es sei erklärt worden, dass die Militärhilfe abhängt von Ermittlungen gegen die Bidens

Über diese Spur hätten die Vertrauten des Präsidenten eine ganz eigene Agenda verfolgt: Sie versuchten, Selenskij dazu zu bringen, mit einem öffentlichen Auftritt Ermittlungen gegen den Demokraten Joe Biden und seinen Sohn Hunter anzukündigen, der bei einer ukrainischen Firma tätig war - und dem Trump Korruption vorwirft.

All dies war zwar schon in den vergangenen Wochen in Umrissen bekannt geworden: durch die Beschwerde des anonymen Whistleblowers, der die Affäre erst losgetreten hatte, sowie durch die Anhörungen von anderen Zeugen aus dem diplomatischen Dienst. Neu an Taylors Aussagen war aber die Behauptung, dass Trump den Ukrainern via Sondland explizit klarmachte, dass der Präsident sowohl einen Besuch Selenskijs im Weißen Haus wie auch die Zahlung der überraschend zurückbehaltenen Militärhilfe an die Ermittlungen gegen die Bidens knüpfte. "Botschafter Sondland sagte, dass ,alles' von einer solchen Ankündigung abhänge, auch die Sicherheitsunterstützung", heißt es in Taylors Stellungnahme. Sondland habe ihm gesagt, dass sich Trump eben als "Geschäftsmann" sehe, der erst eine "Vorleistung" sehen wolle, bevor er einen Scheck ausstelle.

Die Demokraten sahen sich nach Taylors Auftritt bestätigt. Die Schilderungen des Diplomaten seien "unglaublich vernichtend", sagte der Abgeordnete Ted Lieu. Trump bestreitet dagegen weiterhin, eine Gegenleistung eingefordert zu haben, ein "Quid pro quo". Eine Sprecherin des Weißen Hauses teilte mit, "Präsident Trump hat nichts Falsches getan". Gegen Trump laufe eine "koordinierte Schmutzkampagne von linksradikalen Abgeordneten und radikalen, nicht gewählten Bürokraten". Die Republikaner reagierten auf Taylors Auftritt vor allem mit Kritik am Vorgehen der Impeachment-Untersuchung: Die Demokraten führten einen Prozess hinter verschlossenen Türen, über den sie nur selektiv Informationen öffentlich machten. Das sei nicht fair. Die Opposition hat zuletzt angedeutet, dass sie bald öffentliche Anhörungen von Zeugen durchführen will. Noch gehe es aber darum, Fakten zu sammeln.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: