US-Wahl:Wo die Gefahr für Clinton lauert

U.S. Democratic presidential candidate Hillary Clinton shields her eyes from the sun at a campaign event in Davenport

Hillary Clinton auf Wahlkampftour in Iowa: Es ist ungewiss, ob die frühere First Lady ins Weiße Haus zurückkehrt.

(Foto: REUTERS)

Eigentlich müsste Hillary Clinton mit Leichtigkeit die US-Präsidentschaft erobern. Doch bisher hat der Wettbewerb nur lärmende Außenseiter belohnt. Bleibt das so?

Kommentar von Nicolas Richter

Der US-Wahlkampf findet an zwei Tischen statt. Am Kindertisch wirft Donald Trump mit Geschirr und Bernie Sanders verteilt Süßigkeiten, während am Erwachsenentisch Hillary Clinton neben Jeb Bush vor sich hingrübelt. Am Tisch der Erwachsenen ist Clinton die Erfahrenste.

Betrachtet man ihre Qualifikation und ihr Programm, so ist sie eine fulminante Kandidatin: Sie weiß über Washington und die Welt mehr als alle anderen, sie verkörpert ein fortschrittliches Amerika; aus ihren Ideen sprechen Menschlichkeit und Toleranz und immer das Bemühen, das richtige Maß zu finden. Als Vernünftigste am Tisch der Großen müsste Hillary Clinton nächstes Jahr eigentlich mit Leichtigkeit die Präsidentschaft erobern.

Clintons Wahlkampf hat bisher nicht begeistert

Aber es ist ungewiss, ob die frühere First Lady ins Weiße Haus zurückkehrt. Ihr Wahlkampf hat bisher wenig begeistert; eher hat er ihre Schwächen betont. Meist hat das Geschrei vom Kindertisch ihre Worte übertönt, und wenn ausnahmsweise mal alle auf sie achteten, dann kleckerte sie gerade. Mehr denn je verlangen die Amerikaner von ihrem Präsidenten nicht bloß Kompetenz, und Erfahrung wirkt geradezu wie eine Last.

Bisher hat der Wettbewerb daher nur lärmende Außenseiter belohnt. Die Republikaner ergötzen sich an Geschwätz und Prügeleien von politischen Halbstarken, die es zu einer Qualifikation erklären, keine zu besitzen. Die Demokraten berauschen sich derweil am Linkspopulisten Sanders, der lauter Wohltaten verheißt, die sich in den USA nicht durchsetzen lassen.

An diesem Dienstag stellt sich Clinton bei der ersten Fernsehdebatte der Demokraten ihren innerparteilichen Rivalen. Dem Publikum wird auffallen, dass die Partei nach sieben Amtsjahren Barack Obamas alt wirkt. Clinton ist 67, ihr größter Rivale Sanders ist 74. Ein dritter Bewerber, Ex-Gouverneur Martin O'Malley, ist erst 52, aber unbekannt. Noch nicht erklärt hat sich Vizepräsident Joe Biden, der auch schon 72 ist. Offensichtlich hat es diese Partei versäumt, junge Talente zu fördern, und Clinton ist die Einzige mit einer realistischen Erfolgschance.

Die schlechten Gewohnheiten der Clintons

Es ist leichtsinnig, alles auf eine Kandidatin zu setzen, besonders wenn sie - trotz aller Stärken - auch solch offensichtliche Schwächen aufweist wie Clinton. Ihre E-Mail-Affäre zum Beispiel: Als Außenministerin hat sie ihre dienstliche Korrespondenz auf einem privaten Server abgewickelt. Das ist an sich kein Skandal, aber es erinnert an schlechte Gewohnheiten, die bei den Clintons chronisch sind - dass sie für sich eigene Regeln beanspruchen, gereizt auf Kritik reagieren, Schuldige woanders suchen. Zur Gewohnheit Hillary Clintons gehört leider auch, Vorwürfe und Affären trotzig auszusitzen.

Eine weitere Kehrseite ihrer Erfahrung ist es, dass sie zu allem und jedem Entscheidungen gefällt hat, und zwar nicht nur gute. Sie hat nicht nur den Irak-Krieg befürwortet, sondern als Ministerin auch das Abdriften Libyens ins Chaos mitverantwortet. Einst hat sie den Freihandel mit Asien mitgetragen, den sie nun ablehnt, weil Sanders sie nach links drängt. Sie ist zwar nicht die erste Demokratin, die dieses Thema wahltaktisch angeht, aber zurzeit reagieren die Wähler sehr empfindlich auf Karrierepolitiker, die wendehalsig, gar opportunistisch wirken.

Die größte Gefahr für Clinton heißt nicht Trump

Clintons dritte Schwäche ist es, dass sie noch immer Mühe hat, natürlich und menschennah zu wirken, wie es ihr Mann Bill noch immer unnachahmlich kann. Alle paar Monate sagen ihre Berater, dass sie von jetzt an wirklich spontan, gelöst und humorvoll sein soll, was allein verrät, wie gekünstelt dieses Unterfangen ist. Es ist sogar ein entscheidender Wettbewerbsnachteil in einem Jahr, da "Authentizität" - und sei sie noch so kindisch - das wertvollste politische Gut ist.

Angesichts der schwachen innerparteilichen Konkurrenz dürfte Clinton die Nominierung der Demokraten am Ende gewinnen, und sie hätte auch keine Mühe, anschließend in der Hauptwahl einen Republikaner vom Kindertisch zu schlagen: In einer landesweiten Abstimmung dürfte sie gegen den großspurigen Ausländerfeind Donald Trump haushoch gewinnen.

Die größte Gefahr für Clinton lauert darin, dass sich am Ende auch bei den Republikanern die Erwachsenen durchsetzen, so wie es auf der Rechten meist der Fall ist, wenn nach viel Geschrei wieder die Großen das Wort ergreifen. Jeb Bush, Marco Rubio oder John Kasich zielen eindeutig auf die Mitte Amerikas, sie verheißen einen Neuanfang nach acht Jahren Obama und könnten auch Minderheiten wie die Latinos überzeugen. Sie sind nicht ganz so weltgewandt wie Clinton, könnten aber deren größte Schwäche ausnutzen - die nämlich, dass sie nach all den Jahren am Erwachsenentisch schlicht keine Überraschung mehr verspricht.

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