USA:Bundesstaaten treten bei Lockerungen auf die Bremse

Coronavirus in den USA: Demonstrationen während der Corona-Pandemie

Demonstranten in Arizona protestieren mit dem Slogan der Black-Lives-Matter-Bewegung "I can't breathe" (sinngemäß übersetzt als "Ich bekomme keine Luft") gegen das Tragen von Masken. Das Tragen oder Nichttragen von Mundschutz kommt in den USA einem politischen Bekenntnis gleich.

(Foto: REUTERS)

In den USA erreichen die Corona-Fälle einen neuen Höhepunkt. Einige Gouverneure stoppen die Wiedereröffnung der Wirtschaft. Dabei ist ein Kampf zwischen demokratischen und republikanischen Staaten entbrannt.

Von Hubert Wetzel, Washington

In den USA steigt die Zahl neuer Infektionen mit dem Coronavirus so stark an, dass einige Bundesstaaten bereits gelockerte Beschränkungen für Unternehmen wieder verhängt haben. In Texas und Arizona, wo die Ansteckungszahlen exponentiell wachsen, wurden Bars wieder geschlossen. In anderen Staaten verfügten die Gouverneure eine Pause bei der Wiedereröffnung der Wirtschaft. In einigen Staaten im Nordosten, wo die Fallzahlen zuletzt sanken, müssen Besuchern aus härter betroffenen Gegenden sich nun nach ihrer Ankunft in Quarantäne begeben.

Nach Daten der New York Times haben die neuen Corona-Fälle im Land in den vergangenen zwei Wochen um 65 Prozent zugenommen. Derzeit werden täglich mehr als 40 000 neue Infektionen bestätigt - mehr als während des ersten Höhepunkts der Pandemie in den USA im April. Dieser Anstieg lässt sich nur durch neue Infektionen, nicht durch eine Ausweitung der Tests erklären. Die Zahl der täglichen Todesfälle hat in den vergangenen Wochen allerdings um 23 Prozent abgenommen. In den USA sterben derzeit zwischen 600 und 650 Menschen am Tag an dem Virus. Gesundheitsexperten warnen jedoch davor, dass die Todesfälle den bestätigten Infektionen um etwa zwei Wochen nachhängen.

Auch republikanisch beherrschte südliche Bundesstaaten sind nun von dem Virus stark betroffen

Die Fälle steigen derzeit in den Bundesstaaten, die im Frühjahr vergleichsweise glimpflich davongekommen waren. Damals war die Lage im Nordosten dramatisch, vor allem in New York. Republikanische Politiker beruhigten ihre Wähler damals mit der Behauptung, das Virus sei vor allem ein Problem für dicht besiedelte, urbane - und demokratisch regierte - Regionen. Jetzt jedoch fürchten große republikanisch beherrschte Staaten wie Florida, Texas, Arizona, Mississippi oder South Carolina, dass ihre Krankenhäuser dem Ansturm von Patienten nicht gewachsen sein könnten. Die Liste der Landkreise, in denen die Infektionen relativ zur Einwohnerzahl gesehen am schnellsten steigen, wird von ländlichen Countys in Louisiana, Missouri, Georgia und Arkansas angeführt. Mit einigen Monaten Verzögerung ist die Corona-Pandemie damit im republikanischen Amerika angekommen.

Die plausibelsten Erklärungen für den Anstieg sind zum einen die Massenproteste gegen Polizeigewalt und Rassismus, bei denen in den vergangenen Wochen im ganzen Land Zehntausende Menschen auf engem Raum beieinander waren. Allerdings fanden diese Proteste im Freien statt, wo das Übertragungsrisiko nach derzeitigen Erkenntnissen geringer ist. Das könnte der Grund dafür sein, dass Orte wie zum Beispiel die Hauptstadt Washington, D.C., in denen große Demonstrationen stattgefunden haben, derzeit keinen dramatischen Anstieg verzeichnen.

Eine zweite, offensichtliche Erklärung für die vielen Neuinfektionen ist, dass die betroffenen Gegenden ihre Wirtschaft zu früh und zu nachlässig wiedereröffnet haben. In vielen Staaten im Süden wurde die Bedrohung durch das Virus aus politischen Gründen längst nicht so ernst genommen wie im Nordosten. In dem Moment, in dem sich die Lage in New York entspannte, eröffneten dort Restaurants, Bars, Nagelsalons, Friseure und Kinos wieder - Orte, an denen sich Menschen treffen und engen Kontakt haben. Vor allem gibt es in den meisten der nun von Neuinfektionen betroffenen Staaten keine strikte Pflicht, in der Öffentlichkeit oder in Geschäften immer Schutzmasken zu tragen.

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Den Kampf gegen die Pandemie überlässt Donald Trump den Gouverneuren

Das wiederum hat mit einem Phänomen zu tun, das es im Westen wohl nur in den politisch so gespaltenen USA gibt: Das Tragen von Mundschutz kommt hier einem politischen Bekenntnis gleich. Linke Amerikaner sind deutlich eher bereit, sich zum Schutz ihrer selbst und ihrer Mitbürger Masken umzubinden, als konservative. Diese Spaltung wird von Präsident Donald Trump befördert, der sich - anders als der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden - konsequent weigert, in der Öffentlichkeit eine Maske zu tragen. Das ist einerseits Eitelkeit, andererseits aber auch ein Signal an seine rechten Kernwähler, die den Maskenzwang und alle anderen Corona-Beschränkungen für einen Angriff auf ihre persönliche Freiheit halten.

Von Trump sind daher keine nennenswerten Initiativen zu erwarten, um die derzeitige Corona-Welle einzudämmen. Der Präsident ignoriert die steigenden Fallzahlen weitgehend und überlässt es den Bundesstaaten, damit fertigzuwerden. Für Trump und seinen Wahlkampf ist wichtiger, dass der Aktienmarkt sich erholt und die Wirtschaft funktioniert. Der Druck auf die Gouverneure, die Ausgangssperren aufzuheben und die Geschäfte in ihren Staaten wieder aufmachen zu lassen, kam zu einem wesentlichen Teil aus dem Weißen Haus. Das rächt sich nun.

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