Süddeutsche Zeitung

USA wollen Social Media überwachen:Zugriff auf Twitter und Skype

US-Präsident Obama will neue Kommunikationsmedien überwachen lassen. Das Argument der Regierung: Terroristen und Drogenhändler nutzen die Systeme.

Reymer Klüver, Washington

Auch unter Präsident Barack Obama dringt die US-Regierung auf eine intensivere Kontrolle der elektronischen Kommunikation in den Vereinigten Staaten und nach Übersee. Obama will dem Kongress im kommenden Jahr ein neues Überwachungsgesetz vorlegen, das FBI und Geheimdiensten leichteren Zugang zu neuen Kommunikationstechnologien wie Facebook, Twitter, Blackberry oder Skype verschaffen soll. Dort haben Ermittler oft Schwierigkeiten, E-Mails oder verschlüsselte Telefonate zu überwachen, weil ihnen der Zugang zu den Systemen fehlt. Zur Begründung heißt es in Washington, dass Terroristen und internationale Drogenringe, aber auch Kriminelle in den USA selbst vermehrt auf diese Technologien setzten.

Nach Darstellung des FBI soll das neue Gesetz nicht die Überwachungsmöglichkeiten ausdehnen. "Es geht nicht um einen Ausbau unserer Vollmacht. Es geht lediglich darum, bereits bestehende Vollmachten wirklich auszuschöpfen", erklärte Valerie Caproni, die Chefjuristin der amerikanischen Bundespolizei. Zudem müssten alle Abhöraktionen ohnehin gerichtlich genehmigt werden. Das FBI dringt offenbar bereits seit längerem auf die Gesetzesinitiative.

Tatsächlich haben die US-Sicherheitsbehörden - bei richterlicher Anordnung - umfassende Abhörmöglichkeiten. Ein 1994 verabschiedetes Telekommunikationsgesetz verpflichtet Telefon- und Kabelanbieter, den staatlichen Ermittlern Schnittstellen anzubieten, an denen sie die elektronische Kommunikation überwachen können. Von dieser gesetzlichen Pflicht sind Anbieter wie Facebook oder Skype nicht erfasst, weil es diese Kommunikationstechnologien Mitte der neunziger Jahre noch nicht gab. Damals hatte Washington mit dem Gesetz auf die Umstellung der Telekommunikation vom Festnetz auf Handys reagiert. Entsprechend, so heißt es nun, müsse man jetzt den neuen Technologien Rechnung tragen. So seien die Ermittlungen gegen Feisal Shahzad, der im Frühjahr eine Bombe auf dem Time Square in New York zünden wollte, dadurch behindert worden, dass er über einen Server kommunizierte, zu dem die Behörden keinen Zugang hatten.

Das neue Gesetz würde Unternehmen wie Facebook, Skype oder Twitter verpflichten, Schnittstellen einzurichten, von denen aus Ermittler ohne Zeitverzug Zugang zum möglicherweise brisanten Datenfluss hätten. Verschlüsselte Kommunikation soll Ermittlern in unverschlüsselter Form zugänglich sein. Ausländische Unternehmen, die in den USA tätig sind, müssten die Schnittstellen in den USA anbieten.

Bürgerrechtler protestierten gegen die Pläne sofort nach deren Bekanntwerden. Die Gesetzesänderung wäre ein "enormer Eingriff in die Privatsphäre", warnte die Bürgerrechtsorganisation ACLU. Die Electronic Frontier Foundation wies darauf hin, dass die geplanten Gesetzesvollmachten viel zu umfassend seien. Von 2400 Überwachungsanträgen, die US-Behörden 2009 gestellt, sei es nur in einem Fall um verschlüsselte Daten gegangen.

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SZ vom 29.09.2010/jab
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