Brett Talley ist 36 Jahre alt, er hat in Harvard Jura studiert und arbeitet als stellvertretender Abteilungsleiter im US-Justizministerium in Washington. Ein junger Mann am Anfang seiner Karriere, könnte man meinen.
Doch das Weiße Haus hat Großes mit Brett Talley vor. Im September nominierte Präsident Donald Trump ihn für ein Richteramt an einem US-Bundesgericht in Alabama. Der Justizausschuss des Senats hat die Ernennung bereits bestätigt. Stimmt auch der volle Senat zu, dann kann der junge Herr Talley für den Rest seines Lebens im Namen der Vereinigten Staaten Recht sprechen. Und das, obwohl er noch nie an einem echten Gerichtsprozess teilgenommen hat und die amerikanische Anwaltskammer ihn als "unqualifiziert" für einen Richterposten einstuft. Doch Brett Talley hat in den Augen der Trump-Regierung einen unschlagbaren Vorteil: Er ist ein ausgewiesener Konservativer.
Konservative Richter legen die Gesetzestexte buchstabengetreu aus
Amerikas Rechte werfen den Richtern im Land gerne vor, durch Urteile Politik machen zu wollen - und zwar linke Politik. Entscheidungen, durch die soziale Missstände beseitigt oder Frauen- und Minderheitenrechte geschützt werden sollen, entspringen nach dieser Sicht nicht der juristischen Expertise eines Richters, sondern dem selbstherrlichen Wunsch, an den gewählten Volksvertretern in den Parlamenten vorbei zu regieren. Nach Meinung der Konservativen sollen Richter ausschließlich das Gesetz anwenden, ohne Rücksicht auf die sich ändernden gesellschaftlichen Umstände, buchstabengetreu - und seien diese Buchstaben, wie im Falle der US-Verfassung, mehr als 200 Jahre alt.
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Ein Beispiel: Konservative Richter legen das Recht auf Waffenbesitz als individuelles, absolutes Verfassungsrecht aus, das nicht beschnitten werden darf. Ihre liberaleren Kollegen wägen eher ab. Sie weisen darauf hin, dass die moderne Waffentechnik und die heutigen gesellschaftlichen Zustände die alte, wörtliche Rechtsauffassung zu einer sehr gefährlichen machen; dass Bürger mithin heute auch das Recht auf Schutz vor Waffen haben, nicht nur das Recht, sie zu tragen. Entsprechend unterschiedlich fallen ihre Urteile aus.
Dieser Streit über die Aufgaben und Befugnisse von Richtern mag wie eine rechtsphilosophische Auseinandersetzung erscheinen. Aber er hat sehr handfeste politische Folgen. Denn weil viele gesellschaftliche Streitthemen, von Abtreibung bis Waffenbesitz, vom gelähmten Kongress nicht per Gesetz gelöst werden, landen sie vor Gericht. Und dann ist es wichtig, welche politische Färbung die Richter haben.
Wie wichtig, das konnte man in diesem Jahr bei Trumps umstrittenem Einreiseverbot für Bürger bestimmter muslimischer Länder sehen. Konservative Richter hätten das vielleicht als zulässige Maßnahme der Regierung zum Schutz der nationalen Sicherheit gewertet - möglicherweise ineffektiv, aber legal. Doch die Klagen gegen das Einreiseverbot wurden - nicht zufällig - bei eher liberalen Gerichten eingereicht. Dort werteten die Richter die Verfügung als verbotene religiöse Diskriminierung und kippten sie. Trump antwortete mit Schimpftiraden über "angebliche Richter", die ihm in die Arbeit pfuschten.
Um das künftig zu verhindern, besetzt die Trump-Regierung frei werdende Richterstellen seit Monaten systematisch mit Konservativen. Hilfe bekommt sie dabei von rechten Juristenvereinigungen, allen voran der Federalist Society, die Kandidatenlisten erstellt. Der wichtigste, oft unterschätzte Erfolg Trumps in dieser Hinsicht war die Ernennung des Konservativen Neil Gorsuch zum Richter am US-Verfassungsgericht in Washington.
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Doch auch für die Ebenen unterhalb des Supreme Court, die Bundes- und Bundesberufungsgerichte, nominiert das Weiße Haus reihenweise Konservative. Talley ist nur einer von fast 60 Richterkandidaten, die Trump in seinem ersten Regierungsjahr vorgeschlagen hat; 13 hat der Senat bisher bestätigt. Bei etlichen gibt es Vorbehalte, weil sie wie Talley als zu jung, unerfahren und unqualifiziert gelten. Aber ihre politische Haltung ist offenbar Empfehlung genug.
Die Demokraten können wenig dagegen tun
Die Folgen dieser Personalpolitik wird Amerika auf Jahrzehnte hinaus spüren. Denn die Stellen als Bundesrichter, derzeit insgesamt etwa 870, werden auf Lebenszeit vergeben. Trump kann also in vier Jahren zumindest einen Teil der Richterschaft politisch ausrichten. Und viele republikanische Wähler, welche die amtierenden Richter für linke Aktivisten halten, fordern genau das. Was immer Trump bis zum Präsidentschaftswahljahr 2020 erreicht - die Neuausrichtung der Justiz ist für seine Anhänger extrem wichtig und dürfte ein starkes Argument für Trumps Wiederwahl werden.
Die Demokraten können wenig dagegen tun. Früher waren im Senat für die Bestätigung von Bundesrichtern nicht nur 51 der 100 Stimmen nötig, sondern 60. Diese Regel haben die Demokraten einst selbst abgeschafft. Sie hatten damals eine einfache Mehrheit in der Kammer und wollten ihre eigenen Richterkandidaten durchbringen. Nun haben sie nur noch 48 Sitze, doch wegen der Regeländerung fehlt ihnen die Blockademacht.