USA:Wer vermisst Herrn Bush?

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Die Frage ist simpel, aber Hintergründe und Botschaft sind mysteriös - Amerika rätselt, was es mit dieser Werbetafel in Minnesota auf sich hat.

Corinna Nohn

Meinen die das ernst? Hat er das selbst aufhängen lassen? Ist es eine Drohung? Oder einfach nur ein blöder Gag?

"Miss me yet?", "Vermisst ihr mich schon?", steht in großen gelben Lettern auf dem schwarzen Plakat, daneben, unverkennbar, ein Bild von George W. Bush: Einfältig strahlt der Ex-Präsident von der Reklamewand herab, linkisch winkt seine Hand dem Betrachter. Das Ensemble schmückt eine riesige Reklametafel, die seit Mitte Februar neben der Interstate 35 steht, einer Autobahn bei Wyoming im US-Bundesstaat Minnesota.

Die Frage ist simpel, die dahintersteckende Botschaft rätselhaft. Autofahrer, Blogger und Fernsehzuschauer fragen sich: Wer will das wissen? Doch wohl nicht Bush selbst. Andererseits - zuzutrauen ist es ihm.

Aber mal im Ernst: Will hier tatsächlich jemand nostalgische Gefühle für Amerikas Ex-Präsidenten wecken? Oder ist es gar keine Reminiszenz an vergangene Zeiten, nur der Hinweis: Mit Obama ist es doch auch nicht so doll?

Stanley Fish, Juraprofessor aus Miami, interpretiert die Reklamewand gar als Zeichen für Bushs Rückkehr auf die politische Bühne und in die Herzen der US-Bürger. Es sei ja nicht nur das Plakat in Minnesota, schreibt der Publizist für den Meinungsblog der New York Times.

Fish macht in seinem Beitrag vom 8. März 2010 die Renaissance des texanischen Cowboys vor allem daran fest, dass Newsweek - eines der großen meinungsbildenden Nachrichtenmagazine in den USA - Bush jüngst das Cover und die große Titelgeschichte gewidmet habe. These des Beitrags: Sieben Jahre nach Beginn des Irakkriegs keime derzeit tatsächlich so etwas wie Demokratie im Nahen Osten, das sei der Anfang der Erfüllung von Bushs Zielen.

"Die Geschichte von Obamas Abstieg"

Man könne zum Inhalt der Story stehen, wie man will, meint Professor Fish, aber: Es gehe bei weitem nicht nur um Bushs Rehabilitierung. Es sei gleichzeitig die Geschichte vom steilen Abstieg Obamas, vom wuchernden Zweifel, ob der erste schwarze Präsident Amerikas wirklich den Wandel bringen kann. Schließlich sei Guantanamo immer noch nicht abgewickelt, die Banken nicht unter Kontrolle, versprochene Gesetze dümpelten vor sich hin.

Derweil sei Bush als Leiter der Clinton-Bush-Stiftung für Haiti in die öffentliche Wahrnehmung zurückgekehrt, und zwar mit positiver Konnotation - sieht alles nicht gut aus für Obama, findet Fish. Die Einlassungen des Autoren muten verstiegen an, und vor allem bleibt die Frage nach den Initiatoren offen.

Nachdem bereits Mitte Februar die Washington Post und die Online-Zeitung Huffington Post die Existenz der Tafel hinterfragt hatten, ist mittlerweile klargestellt, dass das Plakat tatsächlich an der Interstate 35 steht und nicht nur das Werk eines Photoshop-Künstlers ist. Auch der Nachrichtensender Fox News hat das Thema aufgegriffen und die Werbetafel abgelichtet.

Stecken Anhänger des Präsidenten hinter der Kampagne?

Zuletzt hat Mary McNamara von der verantwortlichen Werbeagentur Schubert & Hoey Outdoor Advertising in Minneapolis Licht ins dunkle Mysterium um die Werbetafel gebracht: Reportern sagte sie, ein Grüppchen kleinerer Unternehmer, die unerkannt bleiben wollten, habe die Fläche angemietet.

Dann ließ sich Frau McNamara noch zu einer brisanten Ergänzung hinreißen: Einige der Businessmen seien eigentlich Obama-Fans. Nach dieser Enthüllung tobt die Debatte noch intensiver, welche konkrete Intention hinter der effizienten Kampagne - ein Plakat, 2,3 Millionen Hits bei Google - steckt. Denn McNamaras Ausführung wollen viele Internetnutzer nicht folgen.

Könnten es nicht doch Leute vom Tea-Party-Movement gewesen sein, jene radikalen Konservativen, die in Obama einen Sozialisten sehen, die Republikanische Partei kapern und neu ausrichten wollen? Die Bewegung, die weniger Steuern und mehr Mitbestimmung fordert, genau wie jene aufständischen Kolonisten, die im Jahr 1773 in Boston die Teesäcke der East India Trading Company ins Hafenwasser schleuderten?

Keine Stellungnahme aus dem Weißen Haus

Andere mutmaßen, die einzig wahre Botschaft müsse lauten: "Wenn ihr glaubt, jetzt läuft's nicht so gut, denkt mal daran, wie übel es vor ein paar Jahren war."

Falsch, sagt Werbefrau McNamara, die Gruppe habe folgende Message transportieren wollen: "Hoffnung und Wandel, wo seid ihr geblieben?" Also sollen selbstkritische Förderer von Pluralismus und kritischer Debatte die Plakate aufgestellt haben? Es bleibt ein Mysterium.

Ein Ziel haben die ominösen Werbenden zumindest erreicht: Aufmerksamkeit. Dier Interstate 35 ist in diesen Tagen vermutlich die am häufigsten abgebildete Autobahn der Vereinigten Staaten, Youtube und Fernsehen sei Dank. Nur das Weiße Haus will davon bisher nichts wissen - und hat bislang noch keine Stellungnahme abgegeben.

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