USA:Weil der Chef es so will

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Ende eines Traums: Illegal in die USA eingereiste Menschen werden von Behördenvertretern im texanischen El Paso eskortiert. Donald Trump will eine Null-Toleranz-Politik in der Migrationsfrage. Doch an der Grenze zu Mexiko schlägt sich sein Ansinnen noch nicht in den gewünschten Zahlen nieder. (Foto: Jose Luis Gonzalez/Reuters)

Donald Trump verkündet den Rücktritt seiner Heimatschutzministerin, bevor sie sich selbst äußern kann. Er braucht einen Sündenbock.

Von Christian Zaschke, New York

So sehr sich Kirstjen Nielsen auch beeilte, nach ihrem Treffen mit Donald Trump am Sonntagabend ihren Rücktritt von ihrem Posten als Heimatschutzministerin zu verkünden - der Präsident war schneller. Trump tippte in sein Handy, dass Nielsen ihren Posten verlassen werde, und verbreitete diese Botschaft auf Twitter, bevor sie eine Chance hatte, sich selbst zu erklären. Dabei war Nielsen sogar auf diesen Schritt vorbereitet gewesen: Den Beobachtern in Washington zufolge hatte sie zwar nicht die Absicht gehabt, ihr Amt am Sonntag aufzugeben, aber sicherheitshalber ein Rücktrittsschreiben vorbereitet. Bis dieses die Öffentlichkeit erreichte, hatte der Präsident bereits Fakten geschaffen.

Auch der ihr unterstellte Direktor des Secret Service, Randolph Alles, muss seinen Posten räumen, verkündete Trumps Sprecherin am Montag. Dass Trump es ihr nicht gönnte, sich zunächst selbst zu äußern, dürfte auch daran gelegen haben, dass er zuletzt schlecht auf die Ministerin zu sprechen war. Zwar gefiel es ihm, dass Nielsen in Interviews oft entschlossen agierte und seine harte Linie in Sachen Immigration verteidigte. Was ihm jedoch zunehmend missfällt, sind die Zahlen von der Grenze zu Mexiko: Mehr und mehr Menschen erreichen diese Grenze jeden Tag, vor allem Familien aus Zentralamerika bitten um Asyl. Allein im März haben die Behörden etwa 100 000 Menschen an der Grenze festgesetzt.

Trump will unbedingt, dass diese Zahlen kleiner werden. Wie das bewerkstelligt wird, scheint ihm ziemlich egal zu sein. Vergangene Woche hat er mehrmals damit gedroht, die Grenze zu Mexiko komplett zu schließen, davon aber wieder Abstand genommen, weil Vertreter seiner Regierung und aus der Industrie erläutert hatten, dass das enorme wirtschaftliche Konsequenzen habe. Von Nielsen soll er mehrmals gefordert haben, die Entwicklungshilfe für zentralamerikanische Staaten einzustellen, obwohl das Außenministerium für diese Zahlungen zuständig ist. Zudem soll er Nielsen dazu gedrängt haben, niemandem mehr Asyl zu gewähren. Ihre Hinweise, dass es diesbezüglich internationale Standards gebe, hätten ihn erst recht wütend gemacht.

Nielsen hatte das Amt im Jahr 2017 von John Kelly übernommen, nachdem dieser zum Stabschef im Weißen Haus aufgestiegen war. Kelly hatte sich für sie eingesetzt, obwohl es Bedenken gab, sie könne zu unerfahren sein, um diese Mammutbehörde zu führen. Das Ministerium für Heimatschutz hat ein Budget von 40 bis 50 Milliarden Dollar im Jahr und 240 000 Mitarbeiter. Die heute 46 Jahre alte Nielsen war die bisher jüngste Chefin der Behörde, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 geschaffen worden ist. Das Ministerium bearbeitet eine enorme Bandbreite an Themen, es ist für den Umgang mit Naturkatastrophen ebenso zuständig wie für die Abwehr von Cyberattacken.

Nachdem Kelly seinen Posten als Stabschef Anfang des Jahres aufgegeben hatte, fehlte Nielsen ihr wichtigster Fürsprecher im Weißen Haus. Stattdessen verschafften sich der Nationale Sicherheitsberater John Bolton und Stephen Miller, Berater in Einwanderungsfragen, zunehmend Gehör beim Präsidenten. Sie forderten eine härtere Gangart an der Grenze und sprachen sich für eine Ablösung von Nielsen aus. Besonders Miller gilt als Hardliner in Immigrationsfragen. Er bestärkt den Präsidenten, keinerlei Kompromisse zu machen.

Der Nachfolger der geschassten Ministerin gilt selbst bei den Demokraten als Pragmatiker

Miller galt auch als Befürworter der sogenannten Null-Toleranz-Politik, in deren Zuge im vergangenen Jahr mehr als 2500 Kinder an der Grenze von ihren Eltern getrennt wurden. Diese Praxis wurde wieder eingestellt, es erwies sich zum Teil als schwierig, Eltern und Kinder wieder zu vereinen. Trump hat verlauten lassen, dass Miller künftig für die Entwicklung aller neuen Maßnahmen in Sachen Einwanderung verantwortlich sein werde.

Deren Umsetzung soll zunächst von Nielsens kommissarischem Nachfolger Kevin McAleenan vorgenommen werden, der derzeit als Beauftragter für Zölle und Grenzschutz arbeitet. Dass er in der Sache ähnlich wie Trump denken könnte, hat er kürzlich angedeutet, als er sagte, in puncto Immigration sei die Belastungsgrenze erreicht. Damit reagierte er darauf, dass die Behörden allein am 27. März 4100 Einwanderer aufgegriffen hatten. Das ist die höchste Zahl an einem einzigen Tag seit mehr als einem Jahrzehnt.

Anfang der 2000er-Jahre waren die Zahlen noch höher. Damals versuchten vor allem Mexikaner auf Arbeitssuche ins Land zu gelangen, die leicht abgeschoben werden konnten. Nun sind es überwiegend Familien aus Zentralamerika. Da die Auffanglager überfüllt sind, werden diese zumeist auf Städte und Gemeinden an der Grenze verteilt. Trump hat diese Praxis zuletzt mehrmals kritisiert. Wenn die Leute erst einmal im Land seien, monierte er, würden sie sich später keinem geregelten Asylverfahren mehr stellen.

Darauf, dass Nielsens kommissarischer Nachfolger Kevin McAleenan womöglich doch nicht ganz der Hardliner ist, den Trump sich wünscht, könnten zwei Dinge hinweisen: Zum einen wird er von den Demokraten als Pragmatiker geschätzt, zum anderen ist er mit einer Einwanderin aus El Salvador verheiratet.

© SZ vom 09.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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