Es leuchtet nicht sofort ein, warum Donald Trump so viel daran liegt, nach Washington zurückzukehren. Das Weiße Haus findet er schäbig im Vergleich zum goldenen Trump Tower in Manhattan und seinem Prunkpalast Mar-a-Lago in Florida. Und führte er eine Rangliste der Städte, die er am meisten hasst, würde die amerikanische Hauptstadt ganz zuoberst stehen. Allenfalls hinter Brüssel, für Trump ein „hellhole“, also ein Höllenloch.
Ein „fürchterliches killing field“ sei Washington, sagte Trump im Wahlkampf, eine Anspielung auf die kambodschanischen Reisfelder mit Millionen Ermordeten. Die Hauptstadt Washington, in der Trump dann auch nur 6,7 Prozent der Stimmen erhielt, erhob er zum Symbol für alles, was unter linken Regierungen falsch laufe: Drogenmisere, Obdachlosigkeit, Gewaltdelikte, Verschmutzung.
Fast jeder sechste Bundesangestellte arbeitet im Großraum D.C.
Washington, D.C., erlebte nach der Pandemie eine Verbrechenswelle und hatte mehr Mühe als andere Städte, sie zu beenden. Jetzt, da sich die Lage beruhigt hat, macht sich stattdessen Furcht vor Trumps zweiter Amtszeit breit. Nicht nur wegen dessen Abbauplänen für Bundesstellen, eine besondere Gefahr für den Großraum Washington, der beinahe jeden sechsten Angestellten des Bundes beherbergt.
Der Grund sind vielmehr die zwei seltsamen Buchstaben im Namen. Sie stehen für District of Columbia und erinnern daran, dass die Hauptstadt kein eigener Staat ist, anders als Washington drüben an der Pazifikküste. Der District of Columbia ist ein Territorium unter Direktverwaltung der Bundesbehörden, wo der Präsident und der US-Kongress das Sagen haben. Hier kann Donald Trump ein bisschen so regieren, wie er das – im Scherz, wie er sagt – für das ganze Land angekündigt hat: wie ein Diktator.

Er werde Washington „übernehmen“, drohte Trump im Wahlkampf. Einen Vorgeschmack hatten die 700 000 Einwohner 2020 erhalten. Auf die Proteste gegen die Ermordung des Afroamerikaners George Floyd antwortete der Präsident brachial. Er ließ in der Stadt Bundespolizisten und Soldaten ausschwärmen, die nicht geschult sind, auf Krawalle zu reagieren. Die erzürnte Bürgermeisterin Muriel Bowser, natürlich Demokratin, rächte sich, indem sie eine Straße vor dem Weißen Haus auf voller Breite mit riesigen gelben Buchstaben bemalen ließ: „Black Lives Matter“.
Schließlich ließ sich Trump von Beratern davon abhalten, die Kontrolle ganz zu übernehmen. Beim zweiten Mal könnte er viel weiter gehen. Der Präsident kontrolliert nicht nur die Soldaten der Nationalgarde von Washington, er kann auch die gesamte Stadtpolizei unter sein Kommando stellen. Dank der republikanischen Mehrheit im Kongress verfügt er zudem über die Macht, Abtreibungen zu verbieten, das Waffenrecht zu lockern, den öffentlichen Schulen die Gelder zu streichen oder im Extremfall die Selbstbestimmung der Stadt, erst 1973 eingeführt, abzuschaffen. Immer wieder mal hatten die Republikaner damit gedroht, doch ließen sie es dann doch immer bleiben.
Muriel Bowser, noch immer Bürgermeisterin, übt sich in Zweckoptimismus. Sie hat den künftigen Präsidenten um ein Treffen gebeten. „Washington, D.C., heißt die neue Regierung willkommen, und wir sind bestrebt, eine glatte und gemeinsame Amtseinführung des Präsidenten zu gewährleisten“, sagte sie, im Vertrauen darauf, dass dem Präsidenten das Führen der Alltagsgeschäfte in der aufmüpfigen Bundesstadt dann doch zu mühselig wäre.