USA:Was die Wählerdaten verraten

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Ted Cruz verdankt seinen Sieg in Iowa vor allem der treuen Unterstützung des erzkonservativen Lagers.

(Foto: Jim Young/Reuters)

Wem Ted Cruz seinen Sieg zu verdanken hat - und warum sich bei den Demokraten ein Duell Alt gegen Jung abzeichnet.

Analyse von Paul Munzinger

Ted Cruz, Pastorensohn, Abtreibungsgegner und Liebling der Tea Party kann sich auf das erzkonservative Lager verlassen. Das ist die gute Nachricht für den Senator aus Texas, der die erste Vorwahl in Iowa bei den Republikanern mit 28 Prozent der Stimmen überraschend deutlich vor dem Immobilien-Milliardär Donald Trump (24 Prozent) und Marco Rubio, Senator aus Florida, (23 Prozent) gewinnen konnte.

Die schlechte Nachricht, aus Sicht von Cruz: Iowa ist nicht überall. Was ihn in dem christlich geprägten, praktisch ausschließlich von Weißen bewohnten Staat im Mittleren Westen starkmacht, kann ihm in anderen Staaten zum Nachteil werden. Das zeigen die Zahlen zur Vorwahl in Iowa deutlich, die die New York Times erhoben hat (ebenso wie, mit leichten Abweichungen, zahlreiche andere US-Medien).

Fast die Hälfte der Republikaner in Iowa, die sich selbst als "sehr konservativ" einschätzen, stimmte für Cruz. Ein Drittel der Wähler, die sich den evangelikalen und wiedergeborenen Christen zuordnen, wählte Cruz. 37 Prozent der Republikaner, für die die wichtigste Eigenschaft eines Kandidaten darin besteht, dass er ihre Werte teilt, entschieden sich für Cruz. In diesem Milieu ist der 45-jährige Hardliner unschlagbar, kein Konkurrent kommt hier auch nur in die Nähe seiner Werte. Außerhalb Iowas wird ihm das nichts nützen. Womöglich schadet es ihm sogar.

Trump hat eine Kernkompetenz - und ein Kernthema

Bewegt man sich vom rechten Rand langsam in Richtung Mitte der amerikanischen Gesellschaft, dorthin, wo die Präsidentschaftswahlen entschieden werden, dann liegen Cruz' Konkurrenten vorne. Bei den "eher konservativ" eingestellten Republikanern holte Marco Rubio die meisten Stimmen (28 Prozent), bei den nach eigener Aussage "gemäßigten" Wählern liegt Donald Trump vorne (35 Prozent).

Der Medien-Profi Trump hat es in Iowa zwar nicht geschafft, eine Mehrheit der Republikaner für sich zu begeistern (auch wenn er sich jetzt bemüht, seine Niederlage in einen Sieg umzudeuten). Trump ist es aber eindrucksvoll gelungen, die Wähler davon zu überzeugen, dass er der Kandidat ist, der die Dinge beim Namen nennt. Zwei Drittel derjenigen, die sich einen Präsidenten wünschen, der "sagt, wie es ist", stimmten für den Milliardär. Und Trump hat nicht nur eine Kernkompetenz, er hat auch ein Kernthema: Immigration. Jeder Zweite, dem Einwanderung die wichtigste Frage des Wahlkampfs zu sein scheint, entschied sich für Trump. Der hat angekündigt, keine Muslime mehr ins Land zu lassen und eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen zu wollen (was davon zu halten ist, lesen Sie hier).

Trump ist auch der Kandidat derjenigen, die sich einen "notwendigen Wandel" erhoffen (33 Prozent). Am größten ist diese Hoffnung bei jenen, die am wenigsten haben: Ein Drittel der Wähler mit nur Highschool-Abschluss oder weniger wählte den Milliardär. Je geringer die Bildung, desto eher Trump.

Rubio gilt als heimlicher Sieger von Iowa - die Zahlen zeigen, warum

Marco Rubio gilt vielen mit 23 Prozent der Stimmen als heimlicher Sieger des caucus in Iowa. Die Zahlen zeigen, warum. Rubio überzeugte die Gebildeten. Wer einen College-Abschluss hat, wählte am ehesten den kubanischstämmigen Senator aus Florida. Und, vielleicht das wichtigste Indiz: Rubio ist derjenige, dem die größten Chancen eingeräumt werden, im November die Präsidentenwahl zu gewinnen. Fast die Hälfte der Republikaner, für die die Siegchancen gegen den demokratischen Konkurrenten ausschlaggebend für den Kandidaten sind, setzte auf Rubio.

Warum, auch darauf liefern die zahlen Hinweise. Rubio liegt bei denen vorne, die ihre Entscheidung kurzfristig getroffen haben, zum Teil erst am Tag der Abstimmung. Womöglich liegt es am präpotenten Auftreten Donald Trumps, dass Rubio vielen Republikanern nun als bessere - und vor allem mehrheitsfähige Alternative erscheint.

Alter und Einkommen spalten die Demokraten in zwei Lager

Liegen die Kandidaten der Republikaner in vielen Punkten nahe beieinander, sind die Demokraten ganz klar in zwei Lager geteilt. Wer älter ist und gut verdient, wählt Hillary Clinton. Jung und arm wählt den selbsternannten demokratischen Sozialisten Bernie Sanders. Das Geschlecht spielt dagegen, anders als vielleicht zu vermuten, keine große Rolle. 53 Prozent der Frauen und 44 Prozent der Männer entschieden sich für Clinton, genau die Hälfte der Männer und 42 Prozent der Frauen wählten Sanders. Das Gesamtergebnis ist ein hauchdünner Sieg für Hillary Clinton, der fast einem Patt gleichkommt. Sanders hat sich für Clinton zum echten Gegner entwickelt.

Zunächst zum Einkommen: Wer mehr als 100 000 Dollar im Jahr verdient, wählt eher Clinton (55 Prozent gegenüber 37 für Sanders). Bei einem Jahreseinkommen zwischen 50 000 und 100 000 ist es immer noch die Hälfte (50 zu 44 Prozent). Unter 50 000 Dollar liegt Sanders vorn (50 zu 47), noch deutlicher bei jenen, die weniger als 30 000 Dollar im Jahr verdienen (57 zu 41). Angesichts dieser Zahlen überrascht es wenig, dass Sanders die deutliche Mehrheit der Wähler in Iowa hinter sich hat, die die Ungleichheit beim Einkommen für das wichtigste Thema des Wahlkampfes halten. Wem die Wirtschaft, die Gesundheitsvorsorge oder vor allem die Terrorbekämpfung bedeutender erscheinen, der hält es eher mit Clinton.

Bernie Sanders ist die Hoffnung der Jungen

Weit tiefer noch als beim Einkommen ist die Kluft innerhalb des demokratischen Lagers, wenn es um das Alter der Wähler geht. Bernie Sanders, der 74-jährige Senator aus Vermont, ist die Hoffnung der Jungen. 84 Prozent der 17- bis 29-Jährigen in Iowa stimmten für Sanders, bei den 30- bis 44-Jährigen waren es immer noch fast 60 Prozent. Jenseits von 45 Jahren dreht sich das Verhältnis um, mit nahezu der gleichen Deutlichkeit neigten die Demokraten dann Clinton zu.

Wer sich einen ehrlichen und glaubwürdigen Kandidaten wünscht, wählte Sanders (83 Prozent gegenüber zehn Prozent für Clinton, die vielen Amerikanern kalt und berechnend erscheint). Wer sich einen Kandidaten wünscht, der sich um "Leute wie mich" kümmert, wählte Sanders (74 Prozent gegenüber 22 für Clinton, die sich in den Augen vieler Amerikaner vor allem um sich selbst kümmert). Clinton überzeugt die Wähler, wenn es um die nötige Erfahrung geht (88 Prozent) - und um die Aussichten auf einen Wahlsieg im November (77 Prozent).

Für Bernie Sanders, so lassen sich die Zahlen aus Iowa zusammenfassen, würden sich die Herzen vieler Demokraten entscheiden. Für Hillary Clinton spricht vor allem die Vernunft.

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