USA:Warrens Visionen

Democratic presidential candidate Senator Elizabeth Warren speaks during the fourth U.S. Democratic presidential candidates 2020 election debate at Otterbein University in Westerville, Ohio U.S.

Sie sprach von allen Kandidaten am längsten, gegen sie richteten sich die meisten Angriffe: Elizabeth Warren.

(Foto: Shannon Stapleton/REUTERS)

Die Senatorin dominierte die TV-Debatte der Demokraten - und gegen sie richteten sich die meisten Angriffe. Für die größte Überraschung sorgte Bernie Sanders.

Von Alan Cassidy, Washington

Die entscheidende Frage stellte der Moderator von CNN erst nach mehr als zweieinhalb Stunden: Revolution oder Evolution? Soll der Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, der gegen Donald Trump antreten wird, für große Pläne einstehen, für einen tief greifenden Wandel in Politik und Wirtschaft? Oder für kleinere Schritte, die sich eher umsetzen lassen? Bei ihrer vierten TV-Debatte in der Nacht zum Mittwoch war es diese Frage, die das Bewerberfeld der Demokraten spaltete - besonders ihr führendes Trio.

Auf der Seite der selbst ernannten Revolutionäre stehen die Senatoren Elizabeth Warren und Bernie Sanders, auf der anderen der frühere Vizepräsident Joe Biden. Nicht für alle endete der Abend gleich gut. Für die größte Überraschung sorgte Sanders. Erst vor zwei Wochen war der 78-Jährige mit einem Herzinfarkt in ein Krankenhaus eingeliefert worden, musste seine Wahlkampfauftritte absagen. Weil er in den Umfragen schon an Boden gegenüber Warren verloren hatte, mit der er um die Wähler des linken Flügels kämpft, hatten viele ihn bereits abgeschrieben.

In der Debatte machte Sanders allerdings einen erstaunlich fitten Eindruck. "Ich fühle mich großartig", sagte er auf die Frage einer Moderatorin. Sie solle doch zu seiner Wahlkampfveranstaltung kommen, die er demnächst in New York abhalte. Da könne sie sich von seiner Stehkraft überzeugen. "Es wird da auch einen besonderen Gast geben", kündigte Sanders an. Noch während die Debatte im Fernsehen lief, sickerte über die Washington Post durch, um wen es sich bei diesem "besonderen Gast" handelt: Alexandria Ocasio-Cortez, die junge Kongressabgeordnete aus New York, die in kurzer Zeit eine der einflussreichsten Stimmen des linken Flügels geworden ist. Dass sie Sanders nun ihre Unterstützung ausspricht, obwohl das Rennen der Demokraten noch offen ist, war nicht erwartet worden. Für Sanders ist es ein Wahlkampfgeschenk.

Die Debatte war aber auch ein Beleg dafür, dass Warren inzwischen bei vielen Demokraten als Spitzenreiterin gilt. Sie sprach von allen zwölf Kandidaten auf der Bühne am längsten, gegen sie richteten sich die meisten Angriffe ihrer Konkurrenten, und es waren ihre Vorschläge aus dem Wahlkampf, die in der Diskussion ausgiebig verhandelt wurden: die Vermögensteuer für Superreiche, die Zerschlagung der Technologiekonzerne, die Einführung einer öffentlichen Krankenversicherung. Nicht immer sah Warren dabei gut aus. Doch indem die anderen Demokraten über ihre Pläne sprachen, gab die ehemalige Harvard-Professorin auch dann die Themen vor, wenn sie selbst gar nicht redete.

Es war natürlich Biden, der Warren und Sanders dafür kritisierte, dass ihre Pläne nicht umsetzbar seien: zu teuer, zu radikal, um dafür im Kongress Mehrheiten zu finden. "Ihre Visionen klingen für viele Leute attraktiv", sagte Biden. "Aber ich bin der Einzige auf dieser Bühne, der tatsächlich auch große Dinge in die Tat umgesetzt hat." Der 76-Jährige, der einmal mehr durch viele seiner Statements stolperte, verwies damit auf seine lange Karriere als Senator und Vizepräsident, in der er an wichtigen Gesetzen beteiligt war. Doch dass die vielen Jahre in Washington Biden eben auch verwundbar gemacht haben, zeigte die Replik von Sanders: "Du hast auch den desaströsen Krieg im Irak umgesetzt. Du hast ein Insolvenzgesetz umgesetzt, das die Mittelschicht in ganz Amerika beschädigt."

Warren sagte, dass auch niemand geglaubt habe, dass es ihr gelingen würde, nach der Finanzkrise eine Behörde für Verbraucherschutz aufzubauen. "All die Genies in Washington sagten, damit kommst du nie durch." Biden reagierte hier einmal blitzschnell, als er zu Warren sagte, dass er es gewesen sei, der ihr im Senat die nötigen Stimmen für die Behörde verschafft habe - einen Einwand, den Warren ignorierte. Letztlich gehe es darum: "Ich weiß, was kaputt ist, ich weiß, wie wir es beheben können, und ja, ich werde da rausgehen und dafür kämpfen."

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