Wahl in den USA:Im Moment sieht es für Trump nicht gut aus

Wahl in den USA: US-Präsident Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Orlando.

US-Präsident Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Orlando.

(Foto: SAUL LOEB/AFP)

Wenn die Umfragen stimmen, dann wird der US-Präsident am 3. November eine Niederlage erleben. Die entscheidende Frage: Stimmen die Umfragen?

Von Hubert Wetzel, Washington

In drei Wochen wählen die Amerikaner ihren Präsidenten. Und im Moment sieht es für den Amtsinhaber nicht gut aus. Im Gegenteil: Wenn die Umfragen stimmen - sprich: wenn das Ergebnis am Wahltag mehr oder weniger die Werte der aktuellen Erhebungen widerspiegelt -, dann wird Donald Trump am 3. November eine Niederlage erleben. Und zwar nicht nur eine knappe, sondern eine gewaltige - eine Niederlage von erdrutschartigen, demütigenden Dimensionen.

Die Zahlen sind eindeutig. Im landesweiten Durchschnitt der Umfragen, den das Meinungsforschungsinstitut FiveThirtyEight laufend errechnet, führte der Demokrat Joe Biden am Dienstagmittag mit 52,3 Prozent der Stimmen. Trump kam nur auf 41,9 Prozent - eine Differenz von satten 10,4 Prozentpunkten. Wie der Präsident diesen Rückstand in drei Wochen aufholen will, sofern es im Wahlkampf keine dramatische Wendung gibt, ist nicht ersichtlich.

Allerdings ist die Aussagekraft von landesweiten Umfragen begrenzt. Die Präsidentschaftswahl wird in den einzelnen Bundesstaaten entschieden, die je nach Bevölkerungsgröße unterschiedlich viele Stimmen im Electoral College haben. Dieses Wahlmännerkolleg wählt den Präsidenten, und um im Electoral College zu siegen, sind 270 Stimmen notwendig. Das heißt: Es ist durchaus möglich, dass ein Kandidat landesweit absolut weniger Stimmen als sein Gegner bekommt, die Präsidentschaftswahl aber gewinnt, weil er in den entscheidenden Bundesstaaten siegt. Das war im Jahr 2000 so, als George W. Bush gewann, ebenso im Jahr 2016, als Trump siegte.

Donald Trump

Donald Trump auf dem Weg zu einem Wahlkampfauftritt

(Foto: AP)

2016 sagten die Umfragen einen Sieg der Demokratin Clinton voraus

Doch auch gemessen an der Stimmenverteilung im Electoral College liegt Biden deutlich vor Trump. Die Internetseite 270ToWin.com schlägt dem Demokraten auf der Grundlage der aktuellen Umfragen im Moment 290 Stimmen zu - Stand ebenfalls Dienstagmittag -, dem amtierenden Präsidenten nur 163. 85 Electoral-College-Stimmen sind demnach noch umstritten. Aber selbst wenn Trump sie alle gewönne, würde es nicht reichen, um Präsident zu bleiben.

Die entscheidende Frage bei all diesen Szenarien ist natürlich: Stimmen die Umfragen? Die Antwort lautet: vielleicht.

Sicher ist, dass die Wahlexperten in diesem Jahr zumindest versucht haben, aus den Problemen des Jahres 2016 zu lernen. Damals sagten ihre Umfragen einen Sieg der Demokratin Hillary Clinton voraus. Und tatsächlich bekam sie landesweit etwa drei Millionen Stimmen mehr als Trump. Allerdings waren die Erhebungen in einigen sehr wichtigen Bundesstaaten zu optimistisch. In Pennsylvania, Michigan und Wisconsin verlor Clinton mit insgesamt weniger als 100 000 Stimmen. Das reichte, um Trump die Stimmenmehrheit im Electoral College zu bringen. Dass viele Medien die Siegchance von zehn bis 20 Prozent, die Trump damals fast allen Modellen zufolge hatte, sehr nonchalant auf null abgerundet hatten, trug zur Überraschung am Wahlabend bei.

Die US-Meinungsforscher haben daher in diesem Jahr ihre Annahmen und Kriterien für die Umfragen verändert, etwa bei der Gewichtung nach dem Bildungsstand der Wähler. Dadurch, so die Erwartung, müsste es möglich sein, die wahre Zusammensetzung der Wählerschaft zu erfassen und so die politische Stimmung treffender abzubilden.

Was das konkret für die Bewertung der Umfragen bedeutet, kann man am Beispiel der drei bereits genannten Bundesstaaten durchdeklinieren, die 2016 die Wahl entschieden haben: Im Oktober 2016 lag Clinton in Pennsylvania im Schnitt 6,6 Prozentpunkte vor Trump. In Michigan führte sie mit 7,5 Punkten, in Wisconsin mit 7,4 Punkten. Vier Jahre später liegt Biden in Pennsylvania durchschnittlich 7,1 Prozentpunkte vor Trump, in Michigan sind es acht Punkte, in Wisconsin 7,6 Punkte. Bidens heutige Führung ist damit größer als Clintons Vorsprung vor vier Jahren. Aber der Demokrat liegt längst nicht so weit vorne, dass man zu dem Schluss kommen könnte, die Wahl sei gelaufen. Trumps Siegchance mag klein sein - FiveThirtyEight gab ihm am Dienstag nur 13 Prozent -, aber sie existiert und ist nicht null.

Wenn man zusätzlich bedenkt, dass Trump zwei dieser drei genannten Bundesstaaten verlieren kann, und trotzdem Präsident bleibt - vorausgesetzt, er gewinnt erneut alle anderen Bundesstaaten, in denen er 2016 gesiegt hat -, dann ist Bidens Vorsprung alles andere als bombensicher. Unterm Strich steht er, zumindest in den heftig umstrittenen Staaten im sogenannten Rostgürtel, weniger als einen Prozentpunkt besser da als Clinton vor vier Jahren. Das kann reichen, aber garantiert ist es nicht.

Unstrittig ist, dass der Trend gegen Trump spricht

Am Ende hängt also die Bewertung der Lage davon ab, ob man den Meinungsforschern vertraut: Haben sie die methodischen Fehler in ihren Umfragen, die 2016 die Ergebnisse verfälscht haben, korrigiert? Ist ein Sieben-Punkte-Vorsprung von Biden heute mithin valider, als es der Sieben-Punkte-Vorprung von Clinton war, der sich als Illusion herausgestellt hat? Die Experten sagen Ja - aber was sollen sie auch sonst sagen?

Bidens Anhänger weisen allerdings nicht zu Unrecht darauf hin, dass ihr Kandidat auch in vielen anderen Bundesstaaten führt, die Trump 2016 gewonnen hat, zum Beispiel in Florida oder Arizona. Selbst traditionelle republikanische Bastionen wie North Carolina oder Texas könnten kippen und an Biden gehen. Das käme einer politischen Revolution gleich. Außerdem sei die Zahl der unentschlossenen Wähler heute deutlich geringer als 2016, um die drei oder vier Prozent statt mehr als zehn. Es gebe daher kein Reservoir, aus dem Trump noch viele Stimmen schöpfen könne.

Unstrittig ist zudem, dass der Trend gegen Trump spricht. Bidens Umfragen-Durchschnitt ist in den vergangenen Wochen gewachsen. Das unhöfliche Gepolter bei der ersten Fernsehdebatte mit dem Demokraten und die Corona-Show haben den Präsidenten offenbar nicht beliebter gemacht. Seit Ende Juli liegt Biden in den landesweiten Umfragen konstant bei mehr als 50 Prozent. Trump kam seither nie über 43 Prozent.

All das ist der Grund, warum auch erfahrene republikanische Parteileute Trumps Siegchancen für nicht allzu hoch halten. Das am schlechtesten gehütete Geheimnis Washingtons sei, dass der Präsident auf eine krachende Niederlage zusteuere, konstatierte vor einigen Tagen das Magazin Politico - alle wüssten es, aber niemand traue sich, es laut zu sagen. Trump "steckt in Schwierigkeiten, gar keine Frage", sagte auch Ari Fleischer, der einstige Pressesprecher von Präsident George W. Bush, der Nachrichtenagentur AP. "Nach jedem gängigen Maßstab sieht es nach einem Erdrutschsieg für Biden aus."

Andererseits: Nach jedem gängigen Maßstab hätte 2016 auch Hillary Clinton die Wahl gewinnen sollen. Es siegte aber Donald Trump.

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