USA:Von der Mauer zur Metapher

Präsident Donald Trumps Großprojekt für die Sicherung der Landesgrenzen zu Mexiko ist zumindest vorerst nicht realisierbar: Der US-Senat lässt eher das Haushaltsgesetz scheitern, als dafür Geld zu genehmigen.

Von Thorsten Denkler, New York

Alles hängt an dieser Mauer. Besteht US-Präsident Donald Trump darauf, dass im Kongress das Geld für eines seiner teuersten Wahlversprechen lockergemacht wird, gibt es im laufenden Streit um den Nachtragshaushalt wohl keine Lösung. Die Folge wäre der "Shutdown" des Regierungsapparats. An diesem Freitag endet die Frist, bis zu der das sogenannte Überbrückungsgesetz verabschiedet und vom Präsidenten unterschrieben sein muss. Passiert das nicht, darf die Regierung danach nur noch für die wirklich nötigen Dinge Geld ausgeben, Regierungsbehörden müssen ihre Arbeit großteils einstellen, die Angestellten in Zwangsurlaub.

Daran haben weder Republikaner noch Demokraten ein besonderes Interesse. Seit Trump Ende Januar das Amt antrat, liefern sich beide Seiten in Repräsentantenhaus und Senat selbst für amerikanische Verhältnisse harte Kämpfe. Sie gipfelten darin, dass die Republikaner am Ende die sogenannte nukleare Option ziehen mussten, um Trumps Kandidaten für den Richterposten am Supreme Court durchzusetzen, dem höchsten US-Gericht. Zur Abstimmung über Neil Gorsuch konnte es nur kommen, weil die Republikaner ein wichtiges Minderheitenrecht abgeschafft haben, mit dem die Demokraten eine Entscheidung über Gorsuch hätten verzögern oder ganz verhindern können: den Filibuster, das Dauerreden.

Der Streit hat vor allem im Senat Spuren hinterlassen. Dort gilt als Selbstverständlichkeit, dass beide Seiten zusammenarbeiten. In den meisten Gesetzgebungsfragen gilt der Filibuster weiter. Jeder Senator darf so lange reden, wie er will. Nur mit 60 der 100 Stimmen im Senat kann eine Dauerrede beendet werden. Keine Seite schafft es in der Regel, 60 oder mehr Senatssitze zu erkämpfen. Was Republikaner und Demokraten in vielen Fragen zwingt, sich zu einigen. Das gilt auch für den Nachtragsetat. Ohne Zustimmung der Opposition kommt unweigerlich der Shutdown.

Bis zu 70 Milliarden Dollar könnte der Bau kosten. Zuerst müssten US-Bürger zahlen

Sowohl Demokraten als auch Republikaner scheinen des Streits überdrüssig zu sein. Alles deutet auf eine einvernehmliche Lösung zwischen den Lagern hin. Das ist möglich, weil die größte Hürde aus dem Weg geräumt zu sein scheint: Geld für die Mauer wird es vorerst nicht geben, dafür sollen mehr Mittel in andere Formen der Grenzsicherung fließen. Diese Einigung war gar nicht so schwer: Auch mancher Demokrat ist für mehr Grenzsicherheit, und mancher Republikaner wiederum hält die Idee eines Mauerbaus für verrückt. Außerdem für eine teure. Laut Trump soll die Mauer etwa zehn Milliarden Dollar kosten, das Heimatschutzministerium rechnet intern mit 21,6 Milliarden Dollar. Eine Schätzung der Demokraten kommt gar - wohl etwas übertrieben - auf 70 Milliarden. Damit ließe sich Sinnvolleres anstellen, als eine fragwürdige Mauer zu bauen.

Trump scheint längst eingeknickt zu sein. In einem Interview mit der Nachrichtagentur Associated Press vergangene Woche vermied er es, neue Drohkulissen aufzubauen. Seine Wähler würden die Mauer zwar dringend erwarten. Auf die Frage aber, ob er ein Haushaltsgesetz unterzeichnen werde, das kein Geld für seine Mauer bereithält, antwortet er recht kleinlaut: "Ich weiß es noch nicht."

Was das alles für die Zukunft der Grenzmauer zu Mexiko bedeutet, lässt sich schwer abschätzen. "Lasst euch von den Fake-Medien nicht einreden, ich hätte meine Position zur Mauer verändert. Sie wird gebaut werden", twitterte Trump am Dienstag. Sein Sprecher Sean Spicer verkündete, die Mauer werde in Trumps erster Amtsperiode errichtet werden.

Unklar bleibt die Finanzierung. Trump hat sein Versprechen, Mexiko müsse die Mauer bezahlen, mehrmals relativiert. Inzwischen heißt es, Mexiko werde auf irgendeinem Weg an den Kosten beteiligt. Wie immer der Weg aussehen mag: Klar ist, zunächst müssten die US-Steuerbürger bezahlen. Die Demokraten aber scheinen nicht im Ansatz gewillt zu sein, jetzt oder künftig Geld aus dem Bundeshaushalt dafür bereitzustellen.

Aus dem Weißen Haus ist zu hören, dass man bereits über eine neue Sprachregelung nachdenkt, die Trump den Abschied von der Mauer erleichtern kann. Die Mauer soll demnach auf "so etwas wie eine Metapher" reduziert werden, die für eine deutlich bessere Ausstattung der Grenzsicherung steht, schreibt die New York Times.

Die Republikaner hatten noch versucht, die Demokraten mit angedrohten Kürzungen der staatlichen Krankenversicherung für Bedürftige in die Ecke zu drängen, um ihre Kompromissbereitschaft in der Mauerfrage zu erhöhen. Die Demokraten aber konnten die Spieß umdrehen: Millionen US-Bürger hätten mit diesen Kürzungen ihre Krankenversicherung verlieren können - darunter viele Trump-Wähler. Die Republikaner haben die Drohkulisse schnell wieder abgebaut.

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