Vance in Paris:Wohltat nach der Polter-Rede

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US-Vizepräsident Vance beim Treffen mit der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen in Paris. (Foto: Ian Langsdon/DPA)

Mit seinem aggressiven Auftritt beim KI-Gipfel hatte US-Vizepräsident Vance eine trotzige Entgegnung von EU-Kommissionschefin von der Leyen ausgelöst. Im persönlichen Gespräch verstehen sich beide dann offenbar besser.

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Betrachtet man die vorhandenen Bilddokumente, muss die erste persönliche Kontaktaufnahme zwischen den Bewohnern des Planeten Europa und dem Besucher vom doch sehr fremden Stern Trump-Amerika ziemlich freundlich verlaufen sein. Zumindest veröffentlichten sowohl EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als auch die Außenbeauftragte Kaja Kallas am Dienstag nach ihrem Gespräch mit US-Vizepräsident James David Vance in Paris beim Kurznachrichtendienst X  allerlei Fotos, auf denen viele lachende, fast schon strahlende Menschen zu sehen waren – vor allem natürlich sie selbst und der Gast aus Washington.

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„Willkommen in Europa“, schrieb von der Leyen zu dem Bild, das sie und Vance vor europäischen und amerikanischen Flaggen zeigte. Und: „Danke für eine gute Diskussion über unsere gemeinsamen Herausforderungen.“ Kallas assistierte: „Gutes Treffen mit Vizepräsident Vance.“

Auch europäische Diplomaten bestätigten, dass das Treffen von Vance mit den Spitzenvertreterinnen der EU durchaus erfreulich verlaufen sei. Der amerikanische Vizepräsident sei ausgezeichnet informiert und interessiert gewesen, das Gespräch sei sachlich gewesen und habe sich auch um viele Themen gedreht, bei denen die EU und die USA gemeinsame Interessen hätten – etwa, was den Umgang mit China betreffe. Gerade von der Leyen und Kallas gehören in Brüssel zu den EU-Kreisen, die Trumps Regierung als Chance dafür sehen, dass Europa und die USA zusammen China härter konfrontieren.

Zuvor waren noch ganz andere Töne zu vernehmen

Das persönliche Gespräch war damit offenbar ein deutlicher und ermutigender Kontrast zu der Rede, die Vance zuvor in Paris gehalten hatte. In dieser hatte der Abgesandte Trumps die Europäer noch klipp und klar gewarnt, den amerikanischen Internet- und Technologie-Giganten bloß nicht durch allzu viel Regulierung in die Quere zu kommen und die „autoritäre Zensur“ der Inhalte bleiben zu lassen. Europäische Vertreter wittern hinter diesem vermeintlichen Ruf nach Meinungsfreiheit zwar eher das Ziel, dass amerikanische Konzerne in der EU möglichst ungehindert Geschäfte machen können. Doch das ändert nichts an der Härte der Rede von Vance.

Für die in jüngster Zeit geschundenen Nerven der Führungsleute in Brüssel dürften die Bilder und die ersten Berichte von dem Vance-Leyen-Kallas-Treffen daher eine Wohltat sein. Trump hat Amerikas Verbündete in Europa bisher nicht geschont. Noch bevor er überhaupt als Präsident vereidigt worden war, hatte er bereits Amerikas Gebietsanspruch auf Grönland angemeldet, das zum EU- und Nato-Mitglied Dänemark gehört.

Auch Trumps Zölle treffen Europa – auf alle Stahl- und Aluminiumimporte erheben die USA von März an eine Sonderabgabe von 25 Prozent. Nur wenige Stunden vor der Freundschaftssause in Paris hatte Kommissionspräsidentin von der Leyen Trump und Vance in einer geharnischten Erklärung noch wissen lassen, dass Europa sich dagegen verteidigen werde.

Die Angst, Trump könne die Ukraine einfach fallen lassen, ist in den vergangenen Wochen deutlich abgeebbt

Aber immerhin: Auch Vance hat offenbar kein Interesse daran, bei seiner ersten Dienstreise wie ein Trump-Elefant durch den europäischen Porzellanladen zu toben. Dem Vernehmen nach präsentierte er jedenfalls keine Forderungen, die über das hinausgingen, was man in Europa von der neuen US-Regierung längst erwartet: Die Verteidigungsausgaben müssten steigen, der Krieg in der Ukraine müsse endlich enden, Europas Rüstungsindustrie mehr produzieren. Alles in allem klang das doch recht zahm.

Mit ähnlicher Erleichterung wurde in Brüssel auch zur Kenntnis genommen, dass ein zweiter wichtiger Vertreter der Trump-Regierung, Verteidigungsminister Pete Hegseth, in Europa ist. Hegseth nimmt an diesem Donnerstag in Brüssel an einem regulären Ministertreffen der Nato teil, vor allem aber saß er am Mittwoch bei einer Sitzung der sogenannten Ramstein-Gruppe mit am Tisch – jener mehr als 50 Staaten, die Waffen an die Ukraine liefern.

Zwar war die Einladung zu diesem Treffen nicht wie bisher immer von den USA ausgesprochen worden, sondern von Großbritannien, das die Sitzung auch leitete. Aber dass der amerikanische Minister anwesend war, wurde von den Freunden der Ukraine als positives Signal gewertet.

Weniger positiv dürfte Hegseths eher undiplomatische Feststellung aufgenommen worden sein, eine Rückkehr zu den Grenzen von 2014, vor der Annexion der Krim durch Russland und der Abspaltung des Donbas, sei für die Ukraine „unrealistisch“ und „illusorisch“. Dass Kiew Gebietsverluste wird hinnehmen müssen, gilt zwar in Brüssel ebenfalls als Binsenweisheit. Aber man redet lieber nicht so offen darüber. Auch Hegseths Bemerkung, die jetzt amtierende US-Regierung könne sich als Teil einer mit Moskau ausgehandelten Friedensvereinbarung keine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine vorstellen, war nicht unbedingt das, was man in Brüssel hören wollte.

Die große Angst der Europäer, Trump könne die Ukraine einfach kurzerhand fallen- und dem russischen Diktator Wladimir Putin ganz als Beute überlassen, ist in den vergangenen Wochen allerdings deutlich abgeebbt. Trump redet inzwischen auch über härtere Sanktionen gegen Russland und sein Interesse an den Bodenschätzen der Ukraine – beides aus Sicht der Europäer Schritte in die richtige Richtung.

Am Freitag ist Vance in München zu Besuch

Womöglich sind all das gute Omen für Freitag. Dann wird Vance bei der Sicherheitskonferenz in München eine Rede halten – die erste offizielle Gelegenheit der neuen US-Regierung, ihre Vorstellung davon darzulegen, wie es mit dem amerikanischen Engagement in Europa und im Rest der Welt weitergeht, welchen Wert Allianzen wie die Nato noch für Washington haben, welche Kosten auf die Partner zukommen und wie Trumps Strategie, Amerika wieder groß zu machen, sich mit den Interessen anderer Länder verträgt.

Europäische Diplomaten erwarten, so drückt einer es aus, „eine satte Rede“. Womöglich aber sind die Botschaften, die Vance dann in den vielen bilateralen Treffen aussendet, die er haben wird, nicht mehr ganz so dramatisch, ähnlich wie am Dienstag in Paris.

Aber wer weiß. Vielleicht wollte der Amerikaner am Dienstag auch nur höflich sein bei seinem Abstecher hinunter auf die Oberfläche des so leicht erschreckbaren Planeten Europa. Vance jedenfalls revanchierte sich nicht wirklich für die herzlichen Freundschaftsbezeugungen seiner Gesprächspartnerinnen – auf seinen X-Konten war auch am Tag danach kein Bild von dem Treffen mit von der Leyen und Kallas zu finden, nur eine kurze Mitteilung, er habe „fruchtbare Gespräche mit europäischen Amtsträgern“ geführt, um „Präsident Trumps Agenda voranzutreiben“.

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