Eine Wahrheit wird nicht unwahr, nur weil der Lügner Donald Trump sie ausspricht. Deswegen: Trump hat recht. Dass der syrische Diktator Baschar al-Assad immer noch die eigene Bevölkerung ermorden, dass er immer noch Frauen und Kinder mit Giftgas töten kann, hat auch mit der "Schwäche und Unentschlossenheit" von Barack Obama zu tun, wie Trump dem früheren US-Präsidenten vorwirft. Obama warnte Assad 2013 vor dem Einsatz von Chemiewaffen, er zog eine "rote Linie", er drohte mit militärischer Vergeltung - und tat dann nichts, als Hunderte Zivilisten im Sarin-Nebel starben.
Es ist unerheblich, dass Trump selbst - damals nur ein twitterwütiger Fernsehmensch und Hotelier - ebenfalls gegen ein amerikanisches Eingreifen in Syrien war. Trump war Privatmann, Obama war Präsident. Ein Privatmann kann schwätzen, was er will. Ein US-Präsident aber, der Drohungen ausstößt, auf die nichts folgt, beschädigt die Glaubwürdigkeit Amerikas. Und er trägt zumindest eine gewisse Mitverantwortung für Verbrechen, die durch seine Tatenlosigkeit ermöglicht werden.
Geberkonferenz:"Syrien-Krieg ist schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg"
Bei der Geberkonferenz in Brüssel wird nach dem Giftgasangriff Einigkeit betont, um das Leid der Syrer zu beenden - auch die Nachbarländer sollen mit finanziellen Hilfen stabilisiert werden.
Aber heute ist Donald Trump der Präsident. Er hat von Obama alles geerbt, das schöne Flugzeug, das famose runde Büro - und das Schlachthaus Syrien. Der Krieg in Syrien ist jetzt Trumps Krieg. Der Gasangriff vom Dienstag war keine Abschiedsgabe Assads an Obama, sondern ein grässliches Begrüßungsgeschenk für Trump. In dem Massaker steckte eine Botschaft an den Neuen in Washington: Die Bomben fielen, nachdem Trumps Diplomaten offiziell erklärt hatten, dass Amerika Assad nicht von der Macht entfernen wird. Über Assads Schicksal sollten die Syrer selbst entscheiden. Der Diktator hörte das mit Freude - und machte sich umgehend daran, der Entscheidungsfindung mithilfe chemischer Kampfstoffe nachzuhelfen.
Trumps absonderliche Reaktion auf diesen Völkerrechts- und Zivilisationsbruch lässt nicht darauf schließen, dass er versteht, was er da anrichtet und mit wem er es zu tun hat. Die USA stünden fest an der Seite ihrer Verbündeten, um den Angriff "zu verurteilen", teilt der Präsident zunächst mit. Tags darauf beklagte er, wie furchtbar es sei, dass so viele "wunderschöne Kinder" getötet worden seien. Ganz ehrlich, so verkündete Trump bei einer Pressekonferenz allen Ernstes, nach der Sache mit dem Gas müsse er seine Meinung über Syrien und Assad wohl ändern. Da seien "viele, viele Linien überschritten worden". Und von Russland, das den syrischen Waffenbruder gewähren lasse, sei er sehr enttäuscht. Konsequenzen? "Ihr werdet schon sehen." Das sagt Trump immer, wenn er nicht weiterweiß.
Fazit: Früher regierte in Washington ein Präsident, der rote Linien in die Luft malte, diese aber nicht verteidigte. Heute regiert in Washington ein Präsident, der Assad bisher für einen netten Burschen und Russland - Kriegspartei in Syrien - für einen Friedenspartner hielt; der keine roten Linien mag, aber allerlei Linien überschritten sieht, die er nie gezogen hat. Assad muss vorerst keine Angst haben.