Süddeutsche Zeitung

USA und Russland:In schönster Harmonie

Russland und die USA finden kaum noch Grund zum Streit, aber das liegt vor allem an Amerika. Russlands Beitrag zum Tête-à-Tête hält sich in engen Grenzen.

Frank Nienhuysen

Kaum hat sich das Verhältnis zwischen den USA und Russland verbessert, taucht ein neues Problem auf. Die jüngste Schwierigkeit für US-Außenministerin Hillary Clinton besteht darin, überhaupt noch eine andere Meinung zu vertreten als ihr russischer Kollege Sergej Lawrow. Ein kurzer Hinweis auf eine unterschiedliche Georgien-Politik, das war es dann fast schon an öffentlich dargestellter Zwietracht.

Die beiden Außenminister zelebrierten am Dienstag in Moskau einen Auftritt in schönster Harmonie. Zu einer Freundschaft gehören auch Geschenke. Russlands Beitrag zum neuen Tête-à-Tête hält sich allerdings in engen Grenzen; es ist vor allem Amerika, das sich auf das umschmeichelte Moskau zubewegt.

Der Verzicht der US-Regierung auf die Raketenabwehr hatte die russischen Militärstrategen zunächst aufgeschreckt, weil sie fürchteten, die Welt könnte von Russland respektable Gegenleistungen verlangen. Etwa eine deutlich schärfere Haltung zu Iran. Diese Sorge ist Russland nun genommen, denn Clinton selber hält neue Sanktionen für verfrüht. Ein Punktsieg für Moskau.

Beim Nachfolge-Abkommen für den im Dezember auslaufenden Start-Vertrag steht ohnehin Barack Obama unter Zugzwang. Der US-Präsident, diplomatisch belastet mit dem frühen Friedensnobelpreis, kann sich einen kleinkrämerischen Streit über hundert Atomsprengköpfe und Trägerraketen mehr oder weniger jetzt nicht leisten. Und schon gar nicht ein Scheitern der Verhandlungen. Russlands Position ist da deutlich komfortabler, denn das finanziell klamme Riesenland ist interessiert an niedrigeren Waffen-Obergrenzen. Und beim Thema Raketenabwehr sind es nun die Amerikaner, die eine Zusammenarbeit mit Russland neuerdings betonen.

Keine Frage, Russland genießt sein wiedergewonnenes Gewicht, Moskau schätzt es, in weltpolitischen Fragen gehört zu werden. Gespräche mit Washington auf Augenhöhe umgeben Moskau mit der Aura einer Weltmacht, und diese Botschaft wird über die loyalen Medien in opulentem Umfang an das Volk weitergereicht. Doch trotz Iran, Raketenabwehr, Start-Vertrag: Russland kann sich die Erfolge auf den außenpolitischen Schauplätzen nicht selber zuschreiben. Sie sind vor allem Ergebnis einer neuen Richtungspolitik im Weißen Haus.

Moskaus Interessen sollten eigentlich über die Gier nach Prestigegewinn hinausgehen. Auch die Strategen im Kreml wissen, dass zu echter Macht mehr gehört als ein Arsenal angejahrter Atomraketen und das ewige Stimmrecht im UN-Sicherheitsrat. Schafft es Russland nicht, langfristig zu einer stabilen und starken Wirtschaftsmacht zu werden, wird Moskaus Einfluss begrenzt bleiben. Wohl deshalb werden amerikanische Unternehmen von Russland nun zunehmend hofiert. Auch darin liegen Chancen für ein entspanntes Verhältnis der neuen Freunde von Moskau und Washington - im Schatten aller Politgipfel.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2009/jab
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