USA und Nordkorea:Kampf der Unberechenbaren

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Präsident Donald Trump droht Diktator Kim Jung-un mit einem Militärschlag. Sollte er, wie in Syrien, Taten folgen lassen, würde Kim die südkoreanische Hauptstadt Seoul verwüsten. Viel besser wäre es daher, Trump und Kim würden miteinander reden.

Von Christoph Neidhart

Der Flugzeugträger Carl Vinson und seine Begleitflotte, die US-Präsident Donald Trump gerade unter großer Publizität von Singapur nach Korea beordert hat, waren eben erst aus Südkorea gekommen. Sie hatten an "Foal Eagle" teilgenommen, den Frühjahrsmanövern der USA mit Südkorea, bei denen eine Invasion Nordkoreas geübt wurde. Allerdings mit weniger Publizität. Nach Presseberichten war im Rahmen von "Foal Eagle" auch das Seal Team 6 der US-Marines im Einsatz, das ist jene Einheit, die im Mai 2011 den Al-Qaida-Gründer Osama bin Laden getötet hatte. Sie sollte lernen, unerkannt nach Nordkorea einzudringen, um militärische Anlagen zu zerstören, die Atomwaffen zu sichern und Diktator Kim Jong-un zu eliminieren. Auch dafür gab es wenig Publizität.

Nun stellt sich die Frage, ob Chinas Präsident Xi Jinping bei seinem Besuch Ende voriger Woche in Washington Trumps publikumswirksame Drohgebärde mit dem Flugzeugträger gebilligt hat, wie es US-Außenminister Rex Tillerson behauptet? Dann wäre China sehr besorgt.

Die Rückkehr der Carl Vinson ist vorerst nur eine Geste, so wie Trumps Vorgänger Barack Obama B-52- und Stealth-Bomber entlang der innerkoreanischen Grenze patrouillieren ließ. Bei den "Foal Eagle"-Manövern dagegen wird ein Krieg gegen Nordkorea geübt. Auch der Raketenschlag gegen Syrien lässt sich als Signal an Kim deuten. Pjöngjang hat das so verstanden. Und geantwortet: "Wir haben keine Angst."

Trump droht Kim - das könnte gefährlich enden

Die nordkoreanische Propaganda hat sich Trump gegenüber bisher zurückgehalten und auf Beschimpfungen gegen ihn persönlich verzichtet. Kim wäre bereit zu verhandeln - allerdings als Atommacht. Der frühere US-Verteidigungsminister William Perry glaubt, Nordkoreas Atomprogramm sei zu weit fortgeschritten, als dass es noch aufgegeben werde. In Pjöngjang heißt es, die Obama-Regierung habe den Irak und Libyen attackiert: Staaten ohne Atomwaffen. Die Regierung Trump sei nicht anders, wie der Schlag gegen Syrien zeige.

Nach dieser Logik kurbeln Manöver und Drohgesten der USA das nordkoreanische Waffenprogramm sogar noch an. Das glauben auch die südkoreanischen Liberalen, deren Kandidat Moon Jae-in beste Chancen hat, am 9. Mai Präsident zu werden. Moon, der in Seouls "Sonnenscheinpolitik" zur allmählichen Annäherung der beiden Koreas involviert war, wird den Dialog mit Pjöngjang suchen. Sollte Trump tatsächlich einen Militärschlag gegen Nordkorea erwägen, dann vermutlich noch vor den Wahlen. Die unvermeidliche Vergeltung der nordkoreanischen Artillerie würde Seoul verwüsten und viele südkoreanische Leben fordern. Ist Trump bereit, dies in Kauf zu nehmen? Der US-Präsident erscheint fast so unberechenbar wie Kim.

Niemand weiß, wie gefährlich Nordkorea wirklich ist. Raketenexperten glauben, seine ballistische Technik sei noch längst nicht anwendungsreif. Die meisten Tests scheitern. Doch der Überläufer Thae Yong-ho, bis vergangenes Jahr die Nummer zwei in Nordkoreas Londoner Botschaft, hat Washington aufgeschreckt: Er behauptet, Kim sei bereit, Atomwaffen gegen die USA einzusetzen. Man sollte aber nicht vergessen, dass vor Bushs Irakinvasion ebenfalls Exil-Figuren - in diesem Fall der Iraker - als Einflüsterer die US-Regierung zusätzlich zum Krieg trieben. Mit verheerenden Folgen.

Perry notierte vor 20 Jahren: "Wir müssen mit Nordkorea umgehen, wie es ist. Nicht, wie wir es uns wünschen." Das stimmt heute mehr denn je, und zwar für Falken und Tauben. Doch dazu müsste man mit Nordkorea sprechen, trotz Atomwaffen. Obamas "strategische Geduld" rächt sich jetzt, dieser Euphemismus für Abwarten und Nichtstun, weil Nordkorea ja irgendwann kollabieren werde.

© SZ vom 11.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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