Süddeutsche Zeitung

USA und Iran:Europa will Krieg in Nahost verhindern

Nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani durch die USA verlangen Berlin, Paris und London Zurückhaltung von allen Beteiligten. Teheran sieht sich an Atomabkommen nicht mehr gebunden.

Europa versucht, nach der Tötung des iranischen Generals Qassim Soleimani durch die USA zu vermitteln und eine weitere Eskalation im Nahen Osten zu vermeiden. In einer gemeinsamen Erklärung appellieren Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Großbritanniens Premier Boris Johnson "an alle beteiligten Akteure, äußerste Zurückhaltung und Verantwortungsbewusstsein an den Tag zu legen". Sie riefen "insbesondere Iran auf, von weiteren gewalttätigen Aktionen oder deren Unterstützung abzusehen". Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mahnte zur Deeskalation. Er forderte Iran auf, das Atomabkommen einzuhalten, da dies "für die Stabilität in der Region und die weltweite Sicherheit wichtiger denn je" sei.

Irans Oberster Führer Ali Chamenei, der am Montag das Totengebet für Soleimani in Teheran leitete, hatte "schwere Rache" gegen die USA angekündigt. Die Rhetorik zwischen Washington und Teheran nimmt an Schärfe immer weiter zu. Am Sonntag hatte Iran zudem bekannt gegeben, sich künftig an die zentralen Begrenzungen des Atomabkommens zur Urananreicherung nicht mehr gebunden zu sehen.

Angesichts der Zuspitzung haben Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin für Samstag ein Treffen in Moskau vereinbart, um über die Eskalation am Golf und das Atomabkommen zu beraten. Weitere Themen sollen die Konflikte in Libyen und in der Ost-Ukraine sein. Die EU-Außenminister vereinbarten bereits für Freitag ein außerordentliches Treffen.

Auch Außenminister Heiko Maas bemühte sich um eine Entspannung der Lage. Insbesondere die Situation der deutschen Soldaten, die im Nordirak die reguläre irakische Armee ausbilden, muss geklärt werden. Das irakische Parlament hatte am Samstag den Abzug aller ausländischen Soldaten gefordert. Zurzeit ist die Ausbildung ausgesetzt, ebenso die Operationen der von den USA geführten internationalen Koalition zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Im Nato-Hauptquartier beriet der Nordatlantikrat in einer Sondersitzung über die Missionen.

Wie heikel die Situation für Berlin ist, zeigte das Bemühen der Bundesregierung, eine eigene Position zu wahren, ohne die US-Regierung direkt zu kritisieren - in der Erklärung mit Paris und London zeigt sich Merkel nur "besorgt über die negative Rolle", die Iran und die Revolutionsgarden gespielt hätten. Dagegen sieht der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, das Verhältnis zu den USA schwer belastet. "Wir werden den Folgen der gezielten Tötung eines staatlichen Repräsentanten durch eine westliche Demokratie nicht aus dem Weg gehen können", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Ob es mit der Regierung Trumps eine Rückkehr zum geordneten politischen Miteinander geben könne, "muss man heute bezweifeln", sagte er.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts ließ offen, ob der Drohnenangriff auf Soleimani über den amerikanischen Stützpunkt in Ramstein abgewickelt wurde. Die USA hätten versichert, auf deutschem Boden nicht gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben, teilte er mit.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4746193
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.01.2020 / SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.