Süddeutsche Zeitung

USA und Deutschland:Wie Obama die Spionage-Affäre lösen könnte

Nach Irak-Krieg, Klimaschutz und NSA strebt die deutsch-amerikanische Auseinandersetzung einem Höhepunkt zu. Der aktuelle Streit zwischen Washington und Berlin erzählt etwas Grundsätzliches über die Entfremdung zwischen Amerikanern und Deutschen.

Ein Kommentar von Nicolas Richter

Wären die Amerikaner Deutsche, hätten sie sich längst dem Umweltschutz verpflichtet. Wären die Amerikaner Deutsche, hätten sie sich dem UN-Sicherheitsrat gebeugt, als er den Irak-Krieg ablehnte. Wären die Amerikaner Deutsche, hätten sie sich dem Haager Weltstrafgericht unterworfen und der Herrschaft des Völkerrechts.

Die Amerikaner aber sind keine Deutschen. Wenn sich die Regierungen in Washington und Berlin jetzt so bitter über eine klägliche Spionageaktion der CIA streiten, dann deshalb, weil dieser Streit sehr grundsätzlich ist. Er offenbart die gleiche Entfremdung wie bei NSA, Klimaschutz und Irak-Krieg: Die Deutschen erwarten, dass sich die Amerikaner im Verhältnis zum Rest der Welt an ein paar Regeln halten, wozu die Amerikaner allerdings nicht bereit sind.

In Deutschland hat man gelernt, sich zu mäßigen, sich Zügel anzulegen, Abkommen zu respektieren, die bilateralen und die multilateralen. Die Amerikaner haben den Deutschen lange Zeit dabei geholfen, dies zu lernen. Nun aber stoßen sich die Deutschen immer vernehmbarer daran, dass die Amerikaner tun, was ihnen gerade passt, vom offenen Affront gegen die UN bis hin zur Brüskierung enger Freunde.

Weshalb es weiter Streit geben wird

Sich zu beugen, sich zu unterwerfen, sich einzufügen - das widerspricht ein bisschen dem Naturell und der Tradition vieler Amerikaner. Selbst ihre eigene Regierung dulden sie schon mehr, als dass sie ihr vertrauen. Noch weniger aber nehmen sie Regeln hin, die im Ausland geschrieben wurden, ob bilaterale oder multilaterale. In den US-Geheimdiensten ist dieses Denken besonders verwurzelt, dort hält man sich eigentlich nur an eine einzige Regel: Für die nationale Sicherheit der USA ist grundsätzlich alles relevant.

In diesen Kreisen erklärt man die gesetzestreuen Deutschen gerne mal zum Sicherheitsrisiko. Sie treiben lieber Handel mit Russland und Iran, als die geostrategischen Zusammenhänge zu begreifen. Tatsächlich hat es sich die Bundesrepublik angewöhnt, heikle Militäroperationen anderen zu überlassen. Daraus ein dauerhaftes und verschärftes Spionagerecht abzuleiten, ist freilich absurd.

Die deutsch-amerikanische Auseinandersetzung um Regeln währt schon lange und strebt nun einem Höhepunkt zu: Kanzlerin Merkel möchte Präsident Obama das Zugeständnis abringen, US-Spionen in Deutschland Grenzen zu setzen. Der Charakter beider Politiker spricht dafür, dass der Streit nicht außer Kontrolle gerät, anders als einst bei Schröder und Bush. Obama wird wohl nicht die größten Zugeständnisse machen. Er ist zwar Jurist und Multilateralist und damit tendenziell ein bisschen deutsch, andererseits ist er Oberbefehlshaber, der nicht gern als Schwächling dasteht. Obamas pragmatische, amerikanische Lösung dürfte so aussehen: Er wird die US-Spione mindestens dazu auffordern, endlich wieder seine Regel Nummer eins zu beherzigen - "macht keinen Blödsinn". Anders gesagt: Spioniert, wenn nötig, aber lasst euch nicht ständig erwischen.

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SZ vom 14.07.2014/ebri
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