"Paartherapie" - so nennt William E. Moeller, der amerikanische Generalkonsul in München, den aktuellen Zustand der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Enttäuschung und Misstrauen prägt aus Sicht vieler Deutscher seit einigen Jahren dieses Verhältnis, und in vielen therapeutischen Sitzungen dies- und jenseits des Atlantiks wird versucht, die gemeinsame Zukunft neu zu deuten.
Zum Beispiel bei der Frühjahrstagung des Politischen Clubs in der Evangelischen Akademie in Tutzing. Sie steht unter der Überschrift "Fremder Freund", und wenn sich Freundschaft daran bemisst, ob man auch mal gerne ein Wochenende miteinander verbringt, dann müssen die USA sich offenbar wirklich ein wenig entfremdet haben, denn Generalkonsul Moeller ist der einzige Amerikaner unter den Rednern. Dieses Ungleichgewicht ist der Akademie bewusst. Es gehe eben zunächst einmal um eine Selbstvergewisserung der deutschen Position, sagt Direktor Udo Hahn.
Besonders häufig kommt die NSA-Affäre zur Sprache
Dabei scheinen einige aus dem durchaus amerikafreundlichen Publikum schon zu wissen, wie sie sich fühlen: verärgert, desillusioniert. Vom Irakkrieg, von Abu Ghraib und von Guantánamo redet schon gar niemand mehr. Besonders häufig kommt in Wortmeldungen die NSA-Affäre zur Sprache. Selbst dem glühendsten Transatlantiker falle es schwer, die Praxis der Massenüberwachung noch zu rechtfertigen, heißt es.
"Wenn wir angeblich so ein besonderes Vertrauensverhältnis haben, müssen wir uns darauf doch auch verlassen können", sagt eine Zuhörerin. Ein anderer fragt: "Ist das noch Freundschaft, wenn der Freund mich bis ins Letzte beherrscht?" Der amerikanische Gast, Generalkonsul Moeller, zeigt sich paartherapeutisch-verständnisvoll. "Wir nehmen die Besorgnis der Deutschen ernst", sagt er, das Abhören des Handys von Kanzlerin Angela Merkel sei eine "Dummheit" gewesen.
Stimmt es, was Detlef Junker sagt, Gründungsdirektor des Heidelberg Center for American Studies? "Es gibt einen neuen, tieferen Antiamerikanismus, der in der bürgerlichen Gesellschaft angekommen ist." Womöglich, sagt der Koordinator für die Transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt, rühre die Enttäuschung der Deutschen auch von einem Phänomen, das er "Vertrauensillusion" nennt: "Wir denken, wir kennen Amerika, weil wir die amerikanische Alltags- und Konsumkultur kennen. Wir müssen uns dann aber eingestehen, dass wir Amerika eigentlich nicht kennen und erst verstehen müssen."