USA und Deutschland:Obama hält sich an Secretary Merkel

Treffen Merkel und Obama

US-Präsident Barack Obama hält sich zurück in der Ukraine-Krise. Er hält sich lieber an Kanzlerin Angela Merkel.

(Foto: dpa)
  • Das Verhältnis zwischen Obama und Merkel ist nicht innig, doch sie wissen, was sie aneinander haben.
  • In der Ukraine-Krise hält sich Obama an die Kanzlerin. Sie hat im Gegensatz zum US-Präsidenten noch einen zumindest dünnen Draht zu Russlands Präsidenten Putin.
  • Zugleich baut sich in Washington eine geradezu feindselige Stimmung im Verhältnis zu Deutschland auf, weil Merkel Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnt.
  • Der US-Präsident trotzt mit großer Sturheit jenen in Washington, die militärische Abenteuer fordern. In Merkel hat Obama darin eine wichtige Verbündete. Damit setzt er sich von der Außenpolitik seines Vorgängers George W. Bush ab, der seine Verbündeten wie einen Secretary feuerte, wenn ihm dessen Linie nicht mehr passte.

Kommentar von Nicolas Richter

Angela Merkel und Hillary Clinton sind sich verblüffend ähnlich, jedenfalls wenn man Statur, Hosenanzüge und die verschränkten Hände betrachtet. Die Kanzlerin hat der damaligen US-Außenministerin ein Foto geschenkt, auf dem beide fast identisch aussehen. Wenn Merkel an diesem Montag Washington besucht, dürfte sie genau nachempfinden, wie sich Clinton einst als Chefdiplomatin fühlte: Man ist von starkem Jetlag geplagt und fragt sich, was schlimmer ist, die Unerbittlichkeit Wladimir Putins, der Spott der US-Senatoren oder die Ungewissheit, was Barack Obama eigentlich will.

Präsident Obama wirkt in der Ukraine-Krise oft abwesend, seit längerer Zeit hat er es vor allem Merkel überlassen, den Konflikt zu moderieren. Allgemein definiert Obama außenpolitischen Erfolg dadurch, dass er möglichst vielen Verbündeten möglichst viele Aufgaben überträgt; die USA greifen nur als letzte Instanz ein. Speziell vertraut Obama der Kanzlerin mehr als anderen Staats- oder Regierungschefs. Das Verhältnis mag nicht innig sein und ist auch nicht frei von Spannungen. Das deutsche Spardiktat gegenüber den Griechen stellt Obama dar, als sei es ein sadistischer Kult, während Merkel genervt ist von Amerikas Spionen.

Trotzdem wissen beide, was sie aneinander haben. Aus Obamas Sicht ist Merkel so behutsam und methodisch wie er selbst und verfügt zudem über Stärken, die er nicht besitzt. Zum Beispiel interessiert sie sich, anders als er, für Europa. Sie kann europäische Sanktionen gegen Russland ausfeilen. Und sie besitzt, im Gegensatz zu Obama, noch einen letzten, wenn auch dünnen Draht zum russischen Präsidenten Putin. Merkel wirkt deswegen oft wie die US-Außenministerin. Für Ukraine-Fragen hat Europa eine Telefonnummer - die von Merkels Büro.

Im Verhältnis zu Deutschland aber baut sich in Washington eine geradezu feindselige Stimmung auf. Weil Merkel neue Waffen für die Ukraine ablehnt, pöbeln die US-Senatoren John McCain und Lindsey Graham auf der Sicherheitskonferenz, als wollten sie die Gastgeberin aus ihrer eigenen Party mobben. In Washington ist dieser Krawall Regierungsalltag, Obama muss seit Jahren damit leben.

McCain würde Soldaten und Waffen am liebsten über die halbe Welt verteilen. Einmal verglich er sogar einen Handschlag Obamas mit Kubas Diktator Raúl Castro mit dem zwischen Neville Chamberlain und Adolf Hitler. Wer die Karibik-Sozialisten mit Hitler vergleicht, würde in Berlin ausgelacht. In Washington ist Senator McCain der Chef im Streitkräfte-Ausschuss. Merkel sollte seine Attacken nicht persönlich nehmen. Sie zielen ohnehin weniger auf sie als, mittelbar, auf Obama.

Merkels Haltung ist in Washington derzeit schwer vermittelbar

Ernster sollte man es nehmen, dass auch Demokraten immer vernehmbarer Waffen verlangen. Auch unter ihnen wächst das Befremden über die deutschen Pazifisten, die angeblich einerseits die Griechen quälen, andererseits die Ukrainer ans Messer liefern. In Washington müssen die Forderungen nach Aufrüstung nicht immer durchdacht sein, manchmal entspringen sie nur dem Gefühl, man müsse jetzt erstens die Bösen bestrafen und zweitens einen möglichst griffigen Tweet darüber absetzen, dass man die Bösen bestraft. Auf jeden Fall aber ist Merkels Haltung in Washington derzeit schwer vermittelbar.

In solchen Augenblicken ist es beruhigend, dass Obama Präsident ist. Nicht nur widerstreben ihm militärische Abenteuer jeder Art, er trotzt auch mit großer Sturheit jenen in Washington, die solche Abenteuer fordern. Obama hat seine damalige Ministerin Clinton überstimmt, als sie Syriens Rebellen bewaffnen wollte. Und je mehr McCain außer sich gerät, desto eher dürfte Obama ihn ignorieren.

Letztlich aber ist Obama im Westen der oberste Verantwortliche. So viel er auch an Merkel delegiert - letztlich nimmt er die Erfolge (Isolation Putins) genauso für sich in Anspruch, wie er sich nun zum Misserfolg der Eskalation bekennen muss. Der Präsident muss erklären, wie es aus seiner Sicht weitergehen soll. Er kann sich - was wahrscheinlich ist - hinter Merkel stellen, Waffen vorerst ablehnen und neue Sanktionen verlangen. Aber er könnte Merkel irgendwann auch bitten, Schutzwaffen doch zu dulden, oder versuchen, selbst wieder mit Putin ins Gespräch zu kommen.

Was Obama nicht kann: Er kann Merkel weder beleidigen, wie McCain dies tut, noch sie als Krisenmanagerin umgehen. Obama definiert seine Außenpolitik vor allem dadurch, dass sie nicht so ist wie die seines Vorgängers George W. Bush. Erste Lektion: Ein Verbündeter ist mehr als ein Secretary, den man feuert, wenn einem dessen Linie nicht mehr passt. Die Einheit von den USA und Europa ist jetzt wichtiger als jede Abwehrrakete.

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