USA und China:Machtkampf auf der Weltbühne

Mit dem Handelskrieg gegen China fordert Präsident Trump Peking heraus. Der Konflikt könnte den weltweiten Konjunkturaufschwung jäh beenden, auch zum Schaden Deutschlands.

Von Claus Hulverscheidt

Das erste Opfer dieses Handelskriegs, den US-Präsident Donald Trump am Freitagmorgen um Punkt 0.01 Uhr Washingtoner Zeit entfesselt hatte, war die Besatzung der Peak Pegasus. Vor knapp drei Wochen war das Frachtschiff in Seattle in See gestochen, voll beladen mit Sojabohnen und in der Hoffnung, den chinesischen Hafen von Dalian zu erreichen, bevor die Regierungen in Washington und Peking ihre Drohungen wahr machen und sich mit Zöllen und Gegenzöllen überziehen. Am Ende fehlten den Seeleuten ganze zwei Stunden und sieben Minuten. Ob sie ihre Ladung nun loswerden, blieb zunächst offen. Denn auf den Import amerikanischer Sojabohnen wird in der Volksrepublik seit Freitagmittag eine Abgabe von 28 Prozent fällig - fast zehn Mal so viel wie bisher.

Auslöser des Konflikts war Trumps Entschluss, Lieferungen aus China im Wert von zunächst 34 Milliarden Dollar mit einem Einfuhrzoll von 25 Prozent zu belegen. Der Präsident macht die Volksrepublik für das hohe US-Handelsbilanzdefizit sowie den Verlust amerikanischer Industriearbeitsplätze verantwortlich. Er wirft China zudem vor, Technologie zu stehlen, ausländische Firmen zu drangsalieren und sich auf Kosten Dritter zu bereichern. Notfalls, so Trump, werde er sämtliche Exporte Chinas in die USA im Gesamtwert von zuletzt gut 500 Milliarden Dollar mit Zöllen belegen. "Es ist ein historischer Tag", sagte Stephen Bannon, Rechtspopulist und ehemaliger Chefstratege des Weißen Hauses, der weiter in engem Kontakt zu US-Regierungsmitgliedern steht und Trumps Zorn auf Peking stets befeuert hat. "China führt seit 20 Jahren einen Handelskrieg gegen uns, und jetzt steht endlich jemand auf und schlägt zurück."

Peking hält Trumps Vorwürfe für unbegründet und verhängte seinerseits einen Zoll von zusätzlich 25 Prozent auf US-Lieferungen im gleichen Wert. Washington habe "den größten Handelskrieg der Wirtschaftsgeschichte" in Gang gesetzt, China könne daher gar nicht anders, als sich zu wehren, erklärte das Wirtschaftsministerium. Während Trumps Mitarbeiter bei der Zusammenstellung ihrer Zollliste sorgfältig darauf geachtet hatten, möglichst keine Waren aufzunehmen, bei denen die US-Verbraucher Preiserhöhungen sofort spüren - etwa Handys oder Flachbildschirme -, zielt Peking voll auf Trumps Kernwähler in den landwirtschaftlich und industriell geprägten Bundesstaaten der USA: Von den chinesischen Zöllen betroffen sind unter anderem Sojabohnen und Hirse, aber auch Mineralöl und große Sportgeländewagen. Zu den Leidtragenden zählen damit auch deutsche Autohersteller wie Mercedes und BMW, die viele ihrer sogenannten SUVs in den USA bauen und von dort aus in alle Welt verkaufen - gerade auch nach China. Ihnen drohen zudem empfindliche Zölle auf Pkw-Modelle, die sie aus Europa in die USA einführen.

Kern des amerikanisch-chinesischen Konflikts ist allerdings weniger eine Auseinandersetzung um Ideenklau und Handelsdefizite als vielmehr der Kampf zweier Großmächte um die technologische und damit letztlich auch weltpolitische Vorherrschaft im 21. Jahrhundert. Wie dieser Kampf der Systeme ausgeht, ist nicht nur für die betroffenen Länder von Bedeutung, sondern für die Menschheit insgesamt. Entschieden wird nämlich auch darüber, wer das weltwirtschaftliche Regelwerk künftig dominieren wird: die USA, ein - trotz Trump - demokratischer Staat mit offenen Märkten, oder China, eine Ein-Partei-Diktatur, deren Führung die Wirtschaft staatlich lenken will und von Dingen wie Menschenrechten wenig hält.

Zunächst jedoch besteht die Gefahr, dass ein eskalierender Zollstreit den globalen Konjunkturaufschwung jäh beenden wird, der vielen Ländern in den vergangenen Jahren Wohlstand und Rekordbeschäftigung beschert hatte. Rund um den Globus profitierten Menschen vom eher ungewöhnlichen Umstand, dass die drei bedeutendsten Wirtschaftsregionen der Welt - Nordamerika, Europa und Ostasien - gleichzeitig kräftig wuchsen. Damit könnte es bald vorbei sein; in den USA und auch in Deutschland deuten erste Indikatoren bereits auf einen Abschwung hin.

Trump hält solche Prognosen naturgemäß für Schwarzmalerei und wird den aggressiven Kurs zunächst fortsetzen. Zwar haben sich einige Firmen und Verbände in der Zollfrage gegen ihn gewandt, weil sie höhere Kosten und niedrigere Gewinne befürchten. Viele Bürger und auch die oppositionellen Demokraten teilen jedoch seine Ansicht, dass die USA gegenüber China sehr viel härter auftreten sollten. Erst wenn sich die öffentliche Meinung drehen sollte, etwa wegen zunehmender Entlassungen, dürfte Trump einlenken.

Auf dem Rumpf der Peak Pegasus übrigens, die jetzt in Dalian vor Anker liegt, steht in großen weißen Lettern der Slogan "United World" geschrieben - vereinte Welt. In den Ohren der Seeleute muss der Spruch am Freitag wie Hohn geklungen haben.

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