Süddeutsche Zeitung

US-Klimapolitik:Der Green New Deal zeigt die Spaltung der Demokraten

  • Die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez hat einen Plan für einen Green New Deal in den USA vorgelegt.
  • Es ist eine Vorlage für ein besseres Amerika mit einer ökologischeren und sozialeren Gesellschaft. Die Republikaner befürchten, Amerika werde heruntergewirtschaftet.
  • Auch vielen konservativen und gemäßigten Demokraten geht der Plan zu weit.

Von Hubert Wetzel, Washington

Der Plan für die Zukunft ist nur 14 Seiten lang und trägt den prosaischen Titel "H. Res. 109" Das H. steht für House, das Res. für Resolution. Das bedeutet, dass das Papier eine Erklärung des US-Repräsentantenhauses ist, eine Aufforderung an die Regierung. Soweit sind sich in Washington alle einig.

Darüber, was da eigentlich genau gefordert wird, gehen die Ansichten allerdings weit auseinander. Für die Autorin, die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, und ihre Unterstützer ist die Erklärung nicht weniger als die Blaupause für ein besseres Amerika, für eine ökologischere, sozialere Gesellschaft. Deswegen nennen sie ihren Plan den Green New Deal, eine Referenz an die großen Sozialreformen und Arbeitsbeschaffungsprojekte der Dreißigerjahre. Die Neuauflage soll jetzt jedoch dezidiert grün sein - der Klimaschutz als Weg zu Jobs, Wohlstand, Sicherheit und Gerechtigkeit für alle Bürger.

Für die Republikaner ist das alles hingegen sozialistischer Teufelskram. Amerika würde zu einem zweiten Venezuela heruntergewirtschaftet, sollte der Green New Deal umgesetzt werden, warnen sie.

Das mag übertrieben sein. Nach europäischen Maßstäben entspricht Ocasio-Cortez' Forderungskatalog eher dem einer normalen grünen oder leidlich linken sozialdemokratischen Partei. Die USA könnten sich - schreck! - in Deutschland verwandelt, analysierte die Nachrichtenagentur Bloomberg. Für amerikanische Verhältnisse geht der Plan jedoch tatsächlich spektakulär weit: Nicht nur soll die gesamte Wirtschaft der USA samt Transportwesen und Energieproduktion auf den Klimaschutz ausgerichtet werden. Zusätzlich soll ein umfassendes soziales Netz geknüpft werden, das allen Amerikanern eine Krankenversicherung, einen Arbeitsplatz, gesundes Essen, Bildung und eine Wohnung garantiert. So ehrgeizig wie die Ziele ist der Zeitplan. So soll zum Beispiel binnen zehn Jahren nur noch klimaneutraler Strom in Amerika hergestellt werden.

Dass dazu ein massiver, planwirtschaftlicher Staatseingriff nötig wäre, bestreiten die Befürworter des Green New Deals nicht. Sie fordern eine "nationale, soziale, industrielle und ökonomische Mobilisierung" wie einst im Zweiten Weltkrieg, nur dass dieses Mal Erderwärmung und Ungerechtigkeit die Feinde sind, nicht die Nazis.

Ob die Resolution jemals vom Kongress in Gesetze gegossen wird, ist ungewiss. Zumindest solange die Republikaner den Senat beherrschen und Donald Trump Präsident ist, wird das nicht passieren. Doch selbst im linksliberalen, demokratisch regierten Kalifornien wurde gerade der Bau einer Trasse für Hochgeschwindigkeitszüge, wie der Green New Deal sie für ganz Amerika fordert, abgesagt - zu teuer, Klimaschutz hin oder her. Das zeigt, wie schwierig die Umsetzung ist.

Der Plan zeigt die Spaltung der Demokraten

Das heißt freilich nicht, dass der Green New Deal politisch folgenlos bleibt. Im Gegenteil: Alexandria Ocasio-Cortez - Anführerin des "progressiven" Flügels der Demokraten und Liebling der Basis und Aktivisten - hat die Demokraten mit ihrem 14-Seiten-Papier über Nacht so weit nach links gedrückt, wie das andere liberale Politiker in jahrelanger, mühevoller Arbeit nicht geschafft haben. Für die Präsidentschaftsbewerber der Demokraten ist der Green New Deal zu einem Lackmustest geworden: Die Parteimitglieder, die nächstes Jahr in den Vorwahlen den Präsidentschaftskandidaten bestimmen, sind mit großer Mehrheit für den Plan. Fast alle ernst zu nehmenden Bewerber und Bewerberinnen unterstützen den Green New Deal daher.

Allerdings kann man an dem Plan auch die Spaltung der Demokraten gut ablesen. Die Parteilinken sind begeistert. Die eher gemäßigten Mitte-Demokraten im Kongress, die auch auf konservativere Wähler Rücksicht nehmen müssen, sind hingegen weit skeptischer. Ein Beleg dafür: Von den 41 demokratischen Kandidaten und Kandidatinnen, die bei der Kongresswahl im November 2018 den Republikanern Sitze abgenommen und damit die neue Mehrheit im Repräsentantenhaus erst geschaffen haben, anstatt wie Ocasio-Cortez nur andere Demokraten zu beerben, hat bisher eine einzige Abgeordnete den Green New Deal unterschrieben. Allen anderen demokratischen Neulingen im "Haus" ist der Plan zu radikal und zu angreifbar.

Ähnliches gilt für die Demokraten im Senat. Sämtliche Präsidentschaftsbewerber und -bewerberinnen, die in der Kammer liberale Küstenstaaten vertreten, unterstützen den Green New Deal - von Cory Booker aus New Jersey über Kamala Harris aus Kalifornien und Elizabeth Warren aus Massachusetts bis zur New Yorkerin Kirsten Gillibrand. Eine Ausnahme ist dagegen Amy Klobuchar aus Minnesota. Sie drückt sich bisher bewusst vor einem klaren Bekenntnis zu dem Plan - wohl wissend, dass der bei ländlichen Wählern im Mittleren Westen weniger gut ankommt als bei Ocazio-Cortez' hippen Anhängern in der Bronx.

Republikaner wollen Demokraten als "Sozialisten" brandmarken

Das ist auch ein Grund, warum die Anführerin der Demokraten im Abgeordnetenhaus, Nancy Pelosi, bislang keine große Begeisterung für den Green New Deal aufbringt. Darauf angesprochen, murmelte sie etwas von "dem grüne Traum, oder wie die das nennen". Pelosis Priorität ist, bei der Kongresswahl 2020 die demokratische Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu erhalten. Das geht nicht, wenn die Demokraten als linksradikale Ökokämpfer gesehen werden.

Der Parlamentssitz von Ocasio-Cortez in New York City mag sicher sein, dort wählen die Menschen seit Jahrzehnten mit großem Abstand die Demokraten. Aber in Pennsylvania, in Virginia, in Michigan, Illinois, Kansas und Oklahoma - kurz: überall dort, wo die Demokraten voriges Jahr hinzugewonnen haben - sieht es anders aus. Dort sind die Rennen knapper. Und Pelosis Mehrheit im Abgeordnetenhaus beträgt nur 17 Stimmen. Das ist keine sehr solide Grundlage für waghalsige Experimente.

Die Republikaner sehen die offene Flanke bei den Demokraten. Für die angeschlagene Partei ist der Green New Deal ein politisches Geschenk. Viele Strategen glauben, dass die Republikaner 2020 den Präsidentschafts- und Kongresswahlkampf gewinnen können, wenn sie die Demokraten als "Sozialisten" brandmarken. Das kann eine Täuschung sein - einige Umfragen zeigen, dass der Green New Deal oder Teile davon durchaus beliebt sind. Ob sich das jedoch für die Demokraten am Wahltag in den entscheidenden Bundesstaaten und Wahlkreisen tatsächlich in Stimmen auszahlt, ist eine ganz andere Frage.

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SZ vom 15.02.2019/saul
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