US-Regierung:Trumps Streit mit Bannon lenkt vom Wesentlichen ab

Massive Winter Storm Brings Snow And Heavy Winds

Der Winter in Washington ist frostig. Und das politische Klima verändert sich im ganzen Land.

(Foto: AFP)
  • Die Öffentlichkeit sieht gebannt der Seifenoper im Weißen Haus zu.
  • Trumps Regierung setzt derweil fast unbemerkt wichtige Änderungen durch, die Umweltschutz und Justiz betreffen.
  • Vor allem Wirtschafts- und Geschäftsinteressen stehen im Vordergrund.

Analyse von Johannes Kuhn, Austin

Die Machtkämpfe im Weißen Haus haben alle Zutaten einer Doku-Soap. Die Welt blickt darauf, was Donald Trump sagt und twittert, mit wem er gerade streitet und wer ihn unterstützt. Dabei rückt oft in den Hintergrund, was Trump politisch bewirkt.

In den vergangenen Tagen bestimmte die süffige Reality-Show zwischen dem US-Präsidenten und seinem Ex-Berater Steve Bannon Schlagzeilen und Nachrichten. Dass die amerikanische Regierung - deutlich folgenschwerer - fast alle küstennahen amerikanischen Seegebiete für Öl- und Gasbohrungen freigab, war nur eine Randnotiz.

Immerhin konnte die interessierte Öffentlichkeit diese Entscheidung noch wahrnehmen. Viele andere Veränderungen werden hinter Symbolbildern, die das Weiße Haus rausgibt, versteckt (Trump neben einem Papierstapel, der zurückgezogene Regulierungen darstellt), entstehen schrittweise oder entfalten ihre Konsequenzen erst in der Zukunft. Gemeinsam haben sie, dass Trump mit Hilfe seiner Personality-Show von ihnen ablenkt.

Ein Beispiel: Rund um die Feiertage diskutierte die Öffentlichkeit Trumps Golfrunden, seine provokanten Tweets und ein wirres Interview mit der New York Times über die Washingtoner Macht-Perspektiven für 2018. Währenddessen entschied die Regierung, und hier sei nur ein Auszug genannt:

  • Die Rücknahme von Regulierungen zu Offshore-Ölbohrungen, die nach der Ölkatastrophe der "Deepwater Horizon" 2010 erlassen worden waren. Dazu gehören zeitnahe Berichte über den Ausfall von Geräten oder die Überprüfung von eingesetzten Bauteilen.
  • Die Abschaffung von Strafzahlungen gegen Altenheime, wenn diese Bewohner durch eigenes Verschulden in Gefahr bringen oder verletzen. Bereits im Sommer wurde eine Regel kassiert, die Heim-Betreibern verbietet, von Bewohnern vor dem Einzug einen schriftlichen Klageverzicht zu verlangen.
  • Die Rücknahme von Fracking-Regulierungen aus der Amtszeit Obamas, gegen die verschiedene Ölkonzerne geklagt hatten. Dabei handelte es sich um strengere Bestimmungen für Abwasser und genauere Auskunft über die verwendeten Chemikalien.
  • Die Entlassung der (unbezahlten) präsidialen Beratungskommission zur HIV/Aids-Politik. Einige Mitglieder waren bereits im Herbst aus Protest gegen die Regierungshaltung zur Gesundheitspolitik zurückgetreten. Der Rest erhielt zu Jahresende per Einschreiben die Kündigung.
  • Erneuerung einer ausgelaufenen Lizenz für Kupfer- und Nickelminen neben einem Naturschutzgebiet in Minnesota. Die Minen gehören dem chilenischen Milliardär Andrónico Luksic, der in Washington der Vermieter und Nachbar von Ivanka Trump und Jared Kushner ist (ein Sprecher dementiert einen Zusammenhang).

Nun sind Bestimmungen einer Vorgängerregierung nicht unantastbar. Manchmal gibt es gute Gründe, höhere Risiken in Kauf zu nehmen oder Details zu verändern. Und dass die Stimmung in der amerikanischen Wirtschaft gut ist, hängt auch damit zusammen, dass Trump Beschränkungen abschafft.

Allerdings kümmerte sich die US-Regierung bislang ausschließlich Wirtschafts- und Geschäftsinteressen - von abgeschafften CO2-Begrenzungen für Kohlekraftwerke bis zur Lockerung von Wasser- und Bodenschutz, von annullierten Bankkunden-Rechten bis zur Abschaffung der Netzneutralität. Umwelt- und Verbraucherschutz oder gar mittelfristige systemische Stabilität spielen keine Rolle.

Die US-Regierung ist eine Geheimoperation

Diese Veränderungen werden zwar von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt durchgesetzt, sind aber zumindest dokumentiert und einsehbar. Völlig unter dem Radar findet ein flächendeckender Stellenabbau in fast allen Bereichen der Staatsverwaltung und eine Politisierung der Fachgebiete statt. Viele Kündigungen von Bediensteten im diplomatischen Dienst und im Außenministerium sind das bekannteste Beispiel. Doch fast alle Ministerien haben Sparvorgaben von bis zu 30 Prozent, entlassen Fachmitarbeiter und kürzen Programme.

Der Journalist Michael Lewis hat diese nicht sichtbaren Änderungen im November im Landwirtschaftsministerium nachvollzogen, darunter: Streichungen im Essensmarken-Programm für Arme, Lockerung der Fleischkontrolle, Politisierung der Forschungsarbeit, der Verbot des Worts "Klimawandel" in Berichten und die Aufhebung von Vorschriften für gesünderes Schulessen.

Entscheidungen über die Streichung von Vorschriften liegen häufig in der Hand von "Deregulierungs-Teams" in einzelner Behörden. Über die Berufenen verweigern viele Einrichtungen die Auskunft. Eine Recherche von Pro Publica identifizierte im Sommer einige Lobbyisten, die nun über solche Fragen entscheiden dürfen - zum Beispiel die Präsidentin des Gebrauchtwagenhändler-Verbands, die nun in der entsprechenden Kommission der Transportbehörde sitzt.

Selbst Abgeordnete erhalten keine Auskunft

Diese Geheimhaltung zieht sich durch die komplette Regierungsarbeit: Das Weiße Haus veröffentlicht keine Besucherlisten mehr. Nur ein Bruchteil der Berichte über die Regierungsarbeit sind öffentlich zugänglich.

Das Verteidigungsministerium wiederum gibt keine Informationen über die Veränderung der Truppenzahl in Einsatzgebieten. Ranghohe politische Mitarbeiter der Umweltbehörde EPA ordneten jüngst der New York Times zufolge größere Änderungen in der Regulierung der Wasserqualität an, die kaum durchgedrungen waren.

Das Gesundheitsministerium veröffentlichte nur 80 von mehr als 10 000 Kommentaren, die es zu seinen Vorhaben erhielt - fast alle lagen auf der Linie des Ministeriums. Sechs von 17 Ministerien weigern sich, Informationen zu Reisen und Treffen der Minister zu veröffentlichen, obwohl aus diesen ihre Prioritäten erkennbar wären und sie eigentlich sogar vorher bekannt gegeben werden.

Selbst die parlamentarische Kontrolle ist teilweise außer Kraft gesetzt: Die Regierung hat ihre untergeordneten Behörden angewiesen, Auskunftsersuchen demokratischer Kongressabgeordneter abzulehnen. Bereits im Juni waren 400 Anfragen von Parlamentariern unbeantwortet geblieben.

Langjährige Kenner rechnen damit, dass die Schäden für die Verwaltung und die staatlichen Funktionen weit über die Trump-Ära hinausreichen. Auch die Gerichtsbarkeit wird der US-Präsident prägen: Bis Mitte Dezember hatte Trump bereits zwölf Richter für die Bundesberufungsgerichte berufen, die zweithöchste Instanz nach dem Supreme Court - so viel wie zuletzt Richard Nixon zu diesem Zeitpunkt.

Konservative Gerichte für Jahrzehnte

Das Muster gleicht dem in den Instanzen weiter unten, wo Dutzende Trump-Nominierungen auf ihre Bestätigung durch den Senat warten: Richter, die wie unter Rechtskonservativen üblich, die Verfassung buchstabengetreu interpretieren und so in vielen Fälle gegen staatliche Eingriffe entscheiden. In der Regel sind die von Trump Nominierten unter 50 Jahre alt und haben in den auf Lebenszeit vergebenen Ämtern noch viele Jahrzehnte vor sich.

Steven G. Calabresi, Vorsitzender der ultra-konservativen Juristen-Vereinigung Federalist Society, hat bereits vorgeschlagen, die Zahl von derzeit 179 Bundesrichtern möglichst schnell zumindest zu verdoppeln und die Gerichte langfristig konservativ zu strukturieren. Es gehe darum, "das juristische Erbe Barack Obamas zu zerstören".

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