Eines der spannendsten Rennen in diesem außergewöhnlichen US-Wahljahr ist jenes von Donald Trump gegen die Uhr: Schafft er es bis zum Wahltermin vom 5. November 2024, ohne in einem seiner vier anhängigen Strafverfahren verurteilt zu werden? Bereits verloren hat er mehrere Zivilprozesse, so muss er der Autorin E. Jean Carroll 83 Millionen Dollar Schadenersatz zahlen im Zusammenhang mit einem sexuellen Übergriff.
Seine Anwälte setzen nun alles daran, die Strafverfahren zu verzögern. Soeben wurde der Beginn des ersten Kriminalprozesses gegen den früheren US-Präsidenten vertagt. Von 4. März an sollte er sich vor einem Bundesgericht in der Hauptstadt Washington verantworten - am Vortag des Super Tuesday, an dem 16 Bundesstaaten ihre Vorwahlen abhalten, ein wichtiger Tag im Kalender des Favoriten der Republikaner für die nächste Präsidentschaftskandidatur.
Bei dem Prozess geht es um die schwerwiegendste Anklage gegen Trump, wegen der Versuche, das Resultat der Wahl von 2020 zu kippen, unter anderem mit dem Sturm auf das Kapitol. Der Termin ist jedoch am Ende der vergangenen Woche vom Gerichtskalender verschwunden. Richterin Tanya Chutkan verschob auch die Auswahl der Jury-Mitglieder, die nächste Woche beginnen sollte, auf unbestimmte Zeit. Chutkan wartet auf ein Urteil eines Berufungsgerichts, vor dem Trump Immunität geltend macht für alles, was er in seiner Amtszeit als US-Präsident getan hat. Das dreiköpfige Richtergremium lässt sich Zeit mit seinem Urteil.
Bei einer Wiederwahl könnte er dann das Justizministerium unter Druck setzen
Wie wichtig solche Verzögerungen für Trump sind, lässt sich gar nicht überschätzen. Er will, dass vor dem Wahltag vom 5. November möglichst keine Prozesse gegen ihn beginnen können, dass möglichst keine belastenden Aussagen über sein Verhalten in Gerichtssälen vorgetragen werden und an die Öffentlichkeit gelangen. So kann er eine Kampagne betreiben mit dem Vorwurf, gegen ihn laufe eine unbegründete Hexenjagd. Und sollte er es schaffen, noch einmal ins Weiße Haus gewählt zu werden, könnte er das Justizministerium unter Druck setzen, die Verfahren einzustellen. Oder auch versuchen, sich selbst zu begnadigen, um nicht nur seine politische Karriere zu retten, sondern vor allem seiner Bestrafung zu entgehen, die bis zu einer Gefängnisstrafe reichen könnte.
Wie sehr die Verfahren Trump schon jetzt gefährlich werden, lässt sich am Stand seiner Kampagnenkasse ablesen. Mehr als 50 Millionen Dollar wendete der Präsidentschaftskandidat im vergangenen Jahr für Rechtsgebühren auf, was rund ein Viertel seiner gesamten Auslagen für den Wahlkampf ausmachte. Noch schafft es Trump also, für seine juristischen Probleme die Fans zahlen zu lassen, zum großen Teil Kleinspender, die sich die Überweisungen vom Mund absparen. Doch gab der Kandidat 2023 mehr Geld aus, als er einnahm. 2024 dürfte er noch viel mehr Geld aufwenden für all seine Rechtstermine.
Der nächste steht bereits am Donnerstag bevor: Dann wird der Supreme Court in Washington sich mit der Frage beschäftigen, ob Trump überhaupt auf den Wahlzetteln in Colorado stehen darf. Das Oberste Gericht des Bundesstaats hatte geurteilt, der frühere Präsident habe wegen des Sturms auf das Kapitol als Aufständischer zu gelten, weshalb ihn die US-Verfassung von weiteren politischen Ämtern ausschließe. Der Termin am Donnerstag in Washington ist erst die mündliche Anhörung; wie schnell das Gericht ein Urteil fällen wird, ist nicht absehbar.
Eine Staatsanwältin muss sich nun selbst Ungereimtheiten vorwerfen lassen
Nun sieht es danach aus, dass der Reigen der Strafprozesse mit einem Fall beginnen würde, der Trump wesentlich weniger gefährlich werden kann: der Vertuschung eines Schweigegelds, das er im Wahlkampf 2016 an die Nacktdarstellerin Stephanie Gregory Clifford überweisen ließ. Juristisch ist der Fall nicht besonders solide. Auf Mai angesetzt ist der Prozess vor einem Bundesgericht in Florida wegen der Geheimdokumente, die Trump in seinem Anwesen in Mar-a-Lago hortete. Noch keinen Termin gibt es schließlich für die vierte Anklage in Georgia, in der Staatsanwältin Fani Willis Trump eine Verschwörung vorwirft, weil er das Wahlresultat 2020 in dem Bundesstaat zu kippen versuchte.
Nun muss sich Willis allerdings selbst Ungereimtheiten vorwerfen lassen: Sie hat vor Kurzem nach wochenlangem Schweigen eine Affäre mit einem ihrer Untersuchungsleiter eingestanden, einem Anwalt, den sie für den Fall gegen Trump angeheuert hatte. Fachleute bezweifeln, dass das Intermezzo den Prozess gefährden kann, Trump jedoch kommt es gelegen als Futter für alle möglichen Verschwörungserzählungen. Inzwischen vergleicht er sich auf seinem sozialen Netzwerk mit Elvis. Seit Jahren fragten ihn die Leute, warum sie sich so ähnlich sähen, schrieb er über einem Bild, links die Gesichtshälfte des legendären Stars, rechts seine eigene.
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"Drama Diva" nennt ihn inzwischen Nikki Haley, seine letzte verbliebene Herausforderin um die republikanische Präsidentschaftskandidatur. Sie hat in Iowa und New Hampshire die Vorwahlen gegen Trump verloren und liegt weit gegen ihn zurück in Umfragen, sowohl in Nevada als auch in ihrem Heimatstaat South Carolina, wo die nächsten Vorwahlen der Republikaner stattfinden werden. Sie hofft, dass Trump doch noch über seine juristischen Probleme stolpern wird. Für diesen Fall drohen dessen Handlanger zunehmend unverhohlen mit blutigen Konsequenzen. Er verabscheue Gewalt, sagte Tucker Carlson soeben in einem Interview. Aber die Regierung lasse den Leuten keine Alternative mehr, behauptete der frühere Fox-Talkshow-Moderator: "Es wird Gewalt geben, wenn sie mit dieser Scheiße weitermachen."