Süddeutsche Zeitung

USA:Trump unterstützen - oder das Weiße Haus aufgeben

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Die einen US-Republikaner nähern sich wie Paul Ryan ihrem Präsidentschaftskandidaten an. Die anderen haben die Wahl abgeschrieben - und denken nur an den Kongress.

Analyse von Sacha Batthyany, Washington

Als er zum ersten Mal vor den 434 Abgeordneten gestanden habe, sagte Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses in seiner Antrittsrede im vergangenen Jahr, habe er das Gewicht der Verantwortung gespürt. "Es ist, als säße ganz Amerika vor dir", so Ryan.

Mitte der Woche saß nicht ganz Amerika vor ihm, sondern nur ein einzelner Mann, der seit Monaten die Schlagzeilen beherrscht und Ryans Partei vor eine Zerreißprobe stellt. Donald Trump war auf Besuch in Washington. Angekündigt wurden heftige Proteste in der Stadt, am Ende standen nur ein paar Dutzend Demonstranten im Regen und hielten ihre Banner hoch.

Das Gespräch zwischen den beiden Herren wurde von den Medien zum Gipfeltreffen hochstilisiert. Ryan, der ranghöchste Republikaner im Land, gegen Trump, den Präsidentschaftskandidaten. Im Vorfeld hatten sie sich noch voneinander distanziert. Ryan kritisierte nicht nur Trumps Rhetorik, "Muslimen die Einreise zu verbieten und sich nicht von Ku-Klux-Klan-Mitgliedern zu distanzieren, so etwas muss aufhören". Er zweifelte auch an Trumps konservativen Werten und sagte auf dem Höhepunkt des Zwistes, er sei "noch nicht bereit", sich für Trump auszusprechen.

Nach dem Treffen herrschte plötzlich so etwas wie Harmonie

Donald Trump reagierte wie immer, wenn man ihn angreift: Beleidigt und gereizt wies er auf eine neue Umfrage hin, diesmal der Quinnipiac-Universität, die ihm realistische Siegeschancen gegen Hillary Clinton prophezeit. Er meinte, er werde seinen Ton nicht ändern, das sei er seinen Anhängern schuldig. "Siege führen zu weiteren Siegen", meinte Trump, "im Football wechselt man seinen erfolgreichsten Quarterback auch nicht aus."

Nach dem Treffen der beiden aber herrscht plötzlich so etwas wie Harmonie. "Wenn 45 Minuten reichen, um aus Antagonisten Freunde zu machen", schrieb die Washington Post, dann war das "ein verdammt gutes Therapiegespräch." Ryan bezeichnete das Treffen als "sehr konstruktiv", blieb dabei aber so vage, wie die Miss-Universe-Kandidatinnen während des Schönheits-Wettbewerbs, den Trump einst besaß. In Kernfragen, wie dem Schutz ungeborenen Lebens und "der in der Verfassung festgeschriebenen Gewaltenteilung" seien sie sich einig, ließ Ryan immerhin verlauten.

Offenbar spürte Paul Ryan abermals das "Gewicht der Verantwortung", wie er das in seiner Antrittsrede nannte. Anders ist es nicht zu erklären, wie es zu dieser Annäherung kommen konnte. Ryan ist ein überzeugter Anhänger der Freihandelsabkommen, die Trump als "Total-Desaster" kritisiert. Dem Sprecher des Repräsentantenhauses wiederum gefällt Trumps außenpolitischer Isolationismus — "America First" — ebenso wenig wie dessen harte Position in Immigrationsfragen. Die "neue Freundschaft", schrieb das Wall Street Journal, sei in Wahrheit ein Kartenhaus, das zusammenfallen könnte, sollte Trump im Herbst gegen Clinton nicht gewinnen. Aber hat Ryan denn eine andere Wahl?

Einigen Republikanern geht es nur noch darum, den Kongress zu kontrollieren

Es gibt eine Gruppe innerhalb der Republikanischen Partei, die tatsächlich auf die viel beschworene Einigkeit verzichtet und Trump die Gefolgschaft versagt. Für sie ist die Präsidentschaftswahl gelaufen und Clinton bereits im Weißen Haus. Ihnen geht es darum, den Kongress zu kontrollieren, wie die vergangenen Jahre schon. Gemäß Berichten des amerikanischen Fernsehsenders MSNBC haben die konservativen Koch-Brüder, die Millionen Dollar in den Wahlkampf stecken, ihre Aufmerksamkeit längst auf die Kongresswahlen gerichtet — das Rennen ums Weiße Haus sei für sie vorbei. Würden die Republikaner im November in gemäßigteren Wahlkreisen aber auch Senatoren und Abgeordnete an die Demokraten verlieren, wäre das "ein wahres Desaster".

Dieser Strategie aber widerspricht Reince Priebus, der nominelle Parteichef der Republikaner. Nach dem "sehr angenehmen Treffen" zwischen Trump und Ryan strahlte er in die Kameras und sprach von einem "entscheidenden Moment". Die Zahl der Republikaner, die Trump unterstützen, wachse täglich, sagte auch Tom Marino, republikanischer Abgeordneter aus Pennsylvania: "Einigkeit ist der einzige Weg zum Sieg." Wer sich jetzt nicht hinter den Präsidentschaftskandidat Trump stelle, so sein Kongresskollege Mick Mulvaney (South Carolina), der stelle sich über die Parteiinteressen, "was der konservativen Sache schadet". Mulvaney kritisierte insbesondere Männer wie Jeb Bush oder Mitt Romney, die öffentlich erklärten, sie würden den New Yorker Immobilienspekulant niemals wählen.

Priebus, der Parteichef, soll der Mann gewesen sein, der Ryan und Trump dazu brachte, aufeinander zuzugehen. Das oberste Ziel sei es, Clinton zu besiegen, dafür brauche es vereinte Kräfte, sagte Priebus.

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SZ vom 14.05.2016
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