Mueller-Bericht zu Trump:Der Kampf um die Deutungshoheit tobt

Mueller-Bericht zu Trump: Das Weiße Haus hat sich bislang nur äußerst zurückhaltend zum Abschlussbericht von Sonderermittler Robert Mueller geäußert.

Das Weiße Haus hat sich bislang nur äußerst zurückhaltend zum Abschlussbericht von Sonderermittler Robert Mueller geäußert.

(Foto: AP)
  • Voraussichtlich an diesem Sonntag will Justizminister Barr den Kongress über den Abschlussbericht von Sonderermittler Mueller informieren - auch die Öffentlichkeit soll dann erfahren, was drin steht.
  • Die Demokraten fordern bereits jetzt die Veröffentlichung sämtlicher Beweismittel. Und erinnern an die E-Mail-Affäre von Hillary Clinton.
  • Beim Trump-Sender Fox News wollen Gäste dagegen Rache für die "Hysterie" der vergangenen knapp zwei Jahre.

Von Alan Cassidy, Washington

Da stehen sie wieder, die Reporter und Kameraleute, die die vergangenen Tage damit verbrachten, Robert Muellers Büro in der Washingtoner Innenstadt zu belagern. Muellers Arbeit ist seit Freitagabend beendet, und die Journalisten sind inzwischen einige Meter weitergezogen, vor das Gebäude, in dem Justizminister William Barr daran ist, den Abschlussbericht des Sonderermittlers zur Russland-Affäre zu durchkämmen. Alle warten sie auf ein Zeichen: Wann veröffentlicht Barr die erste Zusammenfassung? Wann folgt der komplette Bericht?

An diesem Sonntag, so lauteten die letzten Meldungen, wolle Barr den Kongress über die wichtigsten Erkenntnisse informieren - und auch die Öffentlichkeit soll diese dann sogleich erfahren. Noch ist keine Zeile des Berichts publik geworden, nichts ist an die Medien durchgesickert. Nicht einmal über den Umfang des Dokuments weiß man etwas. Bekannt ist einzig, dass Mueller keine weiteren Anklagen gegen irgendwelche Personen empfohlen hat. Und doch ist bereits ein Kampf darüber ausgebrochen, wie der Abschluss der Untersuchung zu deuten ist.

Es ist ein Kampf, aus dem Donald Trump selbst sich bisher herausgehalten hat. Das Weiße Haus verschickte zwar einige Routine-Mitteilungen über die Handelsgespräche mit China und über die Unterstützung der Regierung für eine von einem Unwetter heimgesuchte Gegend. Aber auf dem Twitter-Konto des US-Präsidenten blieb es ungewohnt ruhig. Nicht einmal als Trump am Freitagabend überraschend in seinem Golfclub in Florida auftauchte und die Hände von Anhängern schüttelte, gab es ein Wort zu Muellers Bericht, wie die Webseite Politico schrieb. Umso lauter erklingt das Triumphgeheul seiner Verbündeten.

Triumphgeheul und lange Gesichter

Der Präsident sei total entlastet, triumphieren sie. "657 Tage, Millionen ausgegeben, ein Team von Leuten, die es auf den Präsidenten abgesehen hatten, und KEINE VERSCHWÖRUNG GEFUNDEN", schrieb der republikanische Abgeordnete Matt Gaetz bei Facebook. Zwei Jahre hätten die Demokraten und die Medien die Amerikaner "belogen", sagte die Vorsitzende der Republikanischen Partei, Ronna McDaniel: "Sie hatten nie irgendwelche Beweise für eine Verschwörung." Und beim rechten TV-Sender Fox News überbieten sich die Gäste mit Rufen nach Rache: All die Trump-Gegner, die für die "Hysterie" der vergangenen Jahre verantwortlich seien, müssten nun "zur Rechenschaft gezogen" werden, sagte die konservative Kommentatorin Mollie Hemingway.

Lange Gesichter dagegen auf der Gegenseite. Im Studio von MSNBC, in vielerlei Hinsicht ein linkes Pendant zu Fox News, ringen Moderatoren und Gäste um Erklärungen - und um die Fassung. Zwei Jahre lang beschäftigte sich der Sender mit wenig anderem als mit der Russland-Affäre, und oft erhielten Zuschauer den Eindruck, dass Mueller Trump demnächst persönlich in Handschellen aus dem Weißen Haus abführen würde. "Warum wurde Trump nie direkt von Mueller befragt?", echauffiert sich ein sichtlich aufgeregter Moderator. Doch neben der Enttäuschung ist da bei den Gegnern des Präsidenten, angeführt von den Demokraten im Kongress, auch Entschlossenheit zu spüren: Barr müsse den ganzen Abschlussbericht Muellers auf den Tisch legen, fordern sie. Erst dann lasse sich beurteilen, ob es Absprachen zwischen Trumps Kampagne und Russland gab und ob der Präsident die Justiz bei der Aufklärung der Vorgänge behinderte.

Dahinter steckt ein plausibles Argument: Von einer Anklage gegen Trump gingen auch vor dem Abschluss von Muellers Untersuchung nur die wenigstens aus. Die Richtlinien des Justizministeriums sehen einen solchen Schritt gegen einen amtierenden Präsidenten nicht vor. Das bedeute aber nicht, dass Muellers Bericht nicht Informationen enthalten könne, die ein Fehlverhalten Trumps gegenüber Russland oder gegenüber der eigenen Justiz dokumentierten, insistiert das Lager der Demokraten. "Das amerikanische Volk verdient die ganze Wahrheit und volle Transparenz", sagte Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses. "Wir müssen wissen, wie fremde Regierungen versucht haben, die Demokratie unseres Landes zu untergraben", sagte der demokratische Präsidentschaftskandidat Beto O'Rourke.

"Die Regierung hat keine Ausrede, Erkenntnisse über Trump zu verstecken"

Mit der Veröffentlichung des Berichts sind auch die Republikaner einverstanden. Bereits vergangene Woche verabschiedete das Repräsentantenhaus einstimmig eine Resolution, die genau dies verlangt. Doch den Demokraten geht es um mehr: Sie wollen nicht nur den Bericht sehen, sondern auch die Materialien, die Mueller als Grundlage dienten, etwa Protokolle von Zeugenbefragungen oder E-Mails. "Der Kongress hat ein fundamentales Interesse daran, diese Materialien zu erhalten", sagte Adam Schiff, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses.

Ob Barr dazu bereit ist, scheint allerdings fraglich. Er versprach zwar bei seiner Anhörung im Senat Anfang des Jahres, dem Kongress und der Öffentlichkeit so viel von Muellers Bericht zugänglich zu machen, wie es die Regeln und Gesetze erlaubten. Informationen, die als geheim eingestuft sind, könnte er aber zurückhalten. Eine Grundregel des US-Justizwesens besagt zudem, dass keine belastenden Einzelheiten über Personen veröffentlicht werden dürfen, gegen die keine Anklage erhoben wurde. Diese Regel wurde allerdings schon in der Vergangenheit gebrochen, zum Beispiel während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016, als der damalige FBI-Direktor James Comey öffentlich erklärte, dass man gegen Trumps Rivalin Hillary Clinton keine Anklage wegen ihres Umgangs mit E-Mails erheben werde - und Clinton dann doch für ihren Umgang damit kritisierte.

Schiff verweist auch darauf, dass das Justizministerium bereits vergangenes Jahr einem Wunsch der Republikaner nachkam und dem Kongress mehr als 880 000 Seiten Dokumente aus der Untersuchung über die E-Mail-Affäre der früheren Außenministerin zukommen ließ. "Die Regierung hat jetzt also keine Ausrede, die Erkenntnisse über Trump zu verstecken." Zugleich fordern auch schon viele Republikaner die Veröffentlichung der wesentlichen Materialen - weil sie glauben, darin Beweise dafür zu finden, dass Muellers Untersuchung von Anfang an durch Geheimdienst- und Ermittlerkreise beeinflusst war, die es auf Trump abgesehen hatten.

17 andere Untersuchungen gegen Trump laufen noch

Was immer der ganze Bericht Muellers zeigen wird, wann immer er öffentlich wird: Viele in den Medien sind bereits dazu übergegangen, auf die rechtlichen Probleme hinzuweisen, die Trump noch drohen. Die New York Times setzte ihren Lesern schon am Samstagmorgen eine prominente Geschichte über all die anderen Untersuchungen vor, die gegen den Präsidenten noch laufen. Nach einer Zählung des Magazins Wired sind es 17.

So geht zum Beispiel die Bundesanwaltschaft von Manhattan der Frage nach, ob Trumps Kampagne illegale ausländische Spenden für die Inaugurationsfeier des Präsidenten entgegennahm. Auch die Ermittlungen rund um die Schweigegeldzahlungen Trumps an eine Pornodarstellerin im Wahlkampf sind nicht abgeschlossen.

Und was macht nun Mueller? Nachdem der Sonderermittler seinen Bericht abgeliefert hatte, fuhr er am Freitagabend in sein Stammlokal, ein amerikanisches Restaurant in einem Vorort von Washington. Die Jakobsmuscheln bestelle er dort am liebsten, wusste Politico zu berichten. Eine kurze Zeit bleibt der 74-Jährige jetzt noch auf seinem Posten als Sonderermittler, um die Untersuchung ordentlich abzuschließen - dann räumt er sein Büro endgültig. Vielleicht sieht man ihn dann im Restaurant wieder öfter.

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USA
:Russland-Ermittlungen: Mueller übergibt Bericht an Justizminister

Damit ist die Arbeit des Sonderermittlers abgeschlossen, der eine mögliche Einmischung Russlands in den vergangenen US-Präsidentenwahlkampf untersucht hatte. Besonders brisant: Mueller empfiehlt keine weiteren Anklagen.

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