Süddeutsche Zeitung

Rechter Terrorismus:Trump ist nicht nur Ursache - sondern selbst Symptom

Nach den rassistischen Anschlägen ist es verlockend, einen Schuldigen festzumachen. Der Fremdenhass war aber schon vor dem US-Präsidenten da.

Kommentar von Stefan Kornelius

Buschfeuer lassen sich bekämpfen, indem man ein Gegenfeuer legt und so den Flammen die Nahrung entzieht. Beim Extremismus gilt diese Gesetzmäßigkeit nicht. Radikalität verschwindet nicht, wenn sie weiterer Radikalität begegnet. In der Regel trifft sogar das Gegenteil zu: Der Hass wächst, der Zorn rast.

Donald Trump gibt das beste Beispiel dafür ab. Seitdem der Mann das große politische Rad dreht, ist der ohnehin ätzende politische Ton in den USA noch schriller, noch hässlicher geworden. Trump bekämpft dieses Feuer nicht - er bläst mit dicken Backen in den Brandherd hinein, weil es ihm nutzt.

Alle messbaren Indikatoren in den USA belegen, dass dieses Land so gespalten ist wie mindestens seit den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr, dass sich viele Amerikaner in radikale Weltanschauungen flüchten und den Common Sense, das Gespür für Normalität und Mitte, verlieren. Vor vier Jahren hat die politische Rechte erlebt, wie ein Trittbrettfahrer aus dieser Stimmung eine Bewegung geschaffen hat, die ihn bis ins Präsidentenamt getragen hat.

Es ist also auf den ersten Blick verlockend, Donald Trump in den Mittelpunkt der Anklage zu stellen, wenn nach den Massentötungen der letzten Monate Schuldige gesucht werden für diese Radikalisierung und den Hass in der Gesellschaft. Ja, Trump hat eine lange Reihe von rassistischen, homophoben, Gewalt verniedlichenden und nationalistischen Zitaten abgeliefert. Er nennt schwarze Verbrecherbanden "Tiere", belegt Immigranten mit Vokabeln, die zuletzt die Nazis für Juden benutzt haben, und er zeichnet insgesamt von den Lebensverhältnissen in dem von ihm regierten Land ein Bild, das Taten wie jene von El Paso für manche wie Notwehr erscheinen lassen.

Richtig ist aber auch, dass Trump diese Stimmung nicht geschaffen hat. Er hat sie vorgefunden, mehr noch: Sie hat ihn ins Amt gehoben. Ohne eine bereits hinreichend radikalisierte Gesellschaft wäre eine Präsidentschaft Trumps gar nicht möglich gewesen. Dieser Mann fand den fruchtbaren Acker, auf dem er seine Saat ausbringen konnte. Gedüngt und gepflegt hat er den Setzling dann schon selbst, aber Fremdenhass, Rassismus, Ignoranz gegenüber der Welt jenseits der eigenen Grenzen waren Amerika nie fremd. Zusammen mit der tief in der nationalen DNA verankerten Gewalt und der Verfügbarkeit von Kriegswaffen für den Straßengebrauch ist eine explosive Mischung entstanden, die sich nun in immer kürzeren Abständen entlädt.

Weil Trump Nutznießer und Antreiber dieses Extremismus ist, kann er nun nicht plötzlich als Mahner und Versöhner auftreten. Dies unterscheidet ihn von seinen Vorgängern, die das Präsidentenamt in Augenblicken nationaler Trauer für große Auftritte zur Beruhigung und Heilung nutzten. Trump kann das nicht, sein Instinkt verbietet ihm die Rolle, er verlöre seine Glaubwürdigkeit bei Gegnern wie bei Anhängern.

Typisch also, dass Trump nun über Waffenkontrolle spricht, die Todesstrafe für sogenannte Hasskriminalität in Form von Massenmord fordert - und im gleichen Atemzug Bedingungen für Einwanderung stellt. Die Flammen lodern, der Präsident bläst. Es erfordert viel Disziplin und Klugheit, diesem Extremismus keine neue Radikalität entgegenzusetzen. Von ihr profitiert nur einer.

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SZ vom 06.08.2019/mpu
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