USA:Trump ruft einen Drogen-Notstand aus, der wenig kostet

Lesezeit: 3 Min.

  • US-Präsident Donald Trump hat angesichts der Opioid-Epidemie in den USA einen Gesundheitsnotstand ausgerufen.
  • Statt finanzieller Zusagen soll vor allem Deregulierung dazu führen, abhängigen Amerikanern schneller zu helfen.
  • Im Jahr 2016 starben in den USA 64 000 Menschen an einer Überdosis.

Von Johannes Kuhn, Austin

Die USA erleben eine nie dagewesene Drogenepidemie: Alleine vergangenes Jahr sind 64 000 Menschen an einer Überdosis gestorben, in der Regel als Folge ihrer Opioid-Sucht.

In einer Rede hat der amerikanische Präsident Donald Trump nun angekündigt, dass seine Regierung deshalb den nationalen Gesundheitsnotstand ausrufen wird.

Umrahmt von ehemaligen Abhängigen erinnerte Trump an seinen Bruder Fred, der alkoholkrank war und mit 43 Jahren starb. Und er versprach: "Wir können die Generation sein, die die Opioid-Krise beendet."

Viele Mittel dafür wird es aber nicht geben. Der US-Präsident rief keinen Notzustand aus, wie er für Naturkatastrophen vorgesehen ist. Dies war im Gespräch und hätte sofort Bundesmittel freigesetzt. Mit dem Geld hätte der Staat zum Beispiel Großeinkäufe des Überdosis-Gegenmittels Naloxon finanzieren können.

Auch aus logistischen Gründen entschied sich die Regierung für einen Gesundheitsnotstand. Der Haken: Die Zusatzmittel kommen aus dem Notfall-Topf des Gesundheitsministeriums. Doch dieser ist mit 57 000 US-Dollar fast leer. Aus den Bundesstaaten kam deshalb bereits vor der Trump-Rede Kritik, dass eine Notfall-Erklärung ohne finanzielle Zusagen nicht ausreichen werde.

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Die Regierung will einige Mittel umschichten und einen neuen Anti-Drogen-Werbefeldzug starten, der an die Finger-Weg-Kampagne aus den Achtzigern ("Sag einfach nein") erinnert. Vor allem aber soll das Gesundheitsministerium Regulierungen streichen. Maßnahmen, die erwartet werden:

  • Telemedizin-Behandlungen für Abhängige in ländlichen Gebieten, um Medikamente gegen Suchterkrankungen ohne lange Wege verschreiben zu können.
  • Für die HIV-Bekämpfung vorgesehene Mittel können auch für Anti-Sucht-Maßnahmen verwendet werden. Die gemeinsame Nutzung von Heroin-Spritzen trägt zur Ausbreitung von HIV bei. Unklar ist jedoch, was dies für die Aids-Programme der Bundesstaaten bedeutet.
  • Arbeitslose in Suchtbehandlung könnten Zuschüsse aus Mitteln erhalten, die für durch Naturkatastrophen geschädigte Arbeitnehmer vorgesehen sind.
  • Das Gesundheitsministerium wird weitere Stellen für die Bekämpfung der Epidemie schaffen.
  • Angehörige von Suchtkranken sollen bessere ärztliche Auskunftsrechte erhalten.

Die amerikanische Politik und nicht zuletzt die Vorgängerregierung unter Barack Obama hat in den vergangenen Jahren nur verzögert auf die Ausbreitung der Opiat-Suchtkrankheiten reagiert. Der Kongress legte Ende 2016 ein Sonderprogramm auf, das den Bundesstaaten insgesamt 500 Millionen Dollar zur Verfügung stellte. Sie finanzierten damit Pilotprojekte wie mobile Methadon-Stationen, Notfall-Telefone oder einfach weitere Arzt-Stellen.

Allerdings fehlt für flächendeckende Verbesserungen weiterhin Geld, zudem belastet auch der gestiegene Preis für Naloxon die Haushalte der Staaten inzwischen über Gebühr. Unklar ist, ob der US-Kongress darauf in den kommenden Monaten mit der Freigabe weiterer Mittel reagieren wird.

Aktivisten hatten darauf gehofft, dass die US-Regierung zumindest in Preisverhandlungen mit Medikamenten-Herstellern einsteigt und Rabatte aushandelt. Darauf verzichtet Trump aber offenbar ebenso, wie auf Kritik an amerikanischen Pharmafirmen, die an abhängig machenden Schmerzmitteln gut verdienen.

Er verwies einzig auf die Ermittlungen der Justiz gegen Fentanyl-Importeure und Profiteure. Staatsanwälte aus 41 Bundesstaaten untersuchen derzeit gemeinsam, ob Hersteller und Zwischenhändler Wirkung und Suchtpotenzial opiumhaltiger Schmerzmittel absichtlich verschleiert haben. Der Suchtkreislauf führt oft von solchen Schmerzmitteln zu Heroin und dem billigen aber schnell tödlichen Fentanyl.

Angesichts dessen, dass inzwischen das ganze Land von der Krise betroffen ist, halten Wissenschaftler und Ärzte weitaus größere finanzielle Anstrengungen als bisher für nötig. Für eine wirksame Bekämpfung werden inzwischen um die sechs Milliarden US-Dollar pro Jahr veranschlagt, so die Berechnungen.

Die aktuelle US-Regierung hat bislang unterschiedliche Signale zum Umgang mit der Drogenepidemie gesendet. Der damalige Gesundheitsminister Tom Price hatte im Sommer die Ausrufung eines Notstands für unnötig erklärt. Price gilt als Kritiker von Suchttherapien und hält selbst etablierte Behandlungen wie Methadonprogramme für falsch. Solche Programme versuchten, "ein Opioid durch ein anderes zu ersetzen", so sein Urteil. Price musste inzwischen wegen der ausufernden Nutzung von Privatflügen zurücktreten.

Der als "Medikamenten-Zar" vorgesehene Abgeordnete Tom Marino wiederum musste seine Bewerbung im September zurückziehen, weil er maßgeblich ein Gesetz verantwortet hatte, das die Ahndung von unerlaubten Schmerzmittel-Verkäufen erschwert. Die Drähte der Pharma-Branche zum politischen Washington gelten als äußerst gut.

Nur jeder zehnte Abhängige erhält Behandlung

Justizminister Jeff Sessions wiederum hat seine Staatsanwälte im Juli angewiesen, auch bei kleineren Drogenvergehen künftig wieder Höchststrafen zu fordern und damit einen Kurs zu stärkerer Kriminalisierung einzuschlagen. Sessions betrachtet auch Marihuana als eine der Ursachen für die Opioid-Epidemie, obwohl die Legalisierung in einigen Bundesstaaten ersten Teil-Untersuchungen zufolge eher das Gegenteil nahelegen.

Auf Hilfe warten Betroffene oft vergeblich. Ein Regierungsbericht aus dem Jahr 2015 gibt an, dass nur jeder zehnte Abhängige in den USA eine Behandlung erhält. Ein Drittel derjenigen, die eine Therapie ablehnten, geben dafür finanzielle Gründe oder fehlenden Versicherungsschutz an.

Die bei Republikanern verhasste Gesundheitsreform "Obamacare" hatte die Therapie-Möglichkeiten für Abhängige etwas verbessert, allerdings gibt es in vielen Gegenden des Landes lange Wartelisten.

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