Es gibt sie noch, die Amerikaner, die tatsächlich glauben, dass der Ausgang des Impeachment-Verfahrens gegen Donald Trump eine offene Frage ist. Vor dem Kapitol in Washington steht diese Woche ein freundlicher Mann namens Stephen Parlato in der Eiseskälte und hält ein selbstgemaltes Schild hoch, auf dem steht: "Seine Lügen zerreißen uns!" Parlato demonstriert schon seit Beginn der Ukraine-Affäre gegen den Präsidenten, er reist dafür jeweils eigens von Colorado in die US-Hauptstadt. Ein Impeachment sei wie Bullenreiten, sagt er. "Steigt man einmal auf den Bullen, weiß man nie, wo man landet." Er sei optimistisch, dass das Verfahren etwas auslösen werde: neue Beweise, neue Zeugen - und damit neuen Schwung für eine Absetzung Trumps. "Wenn sich die öffentliche Meinung dreht, kann es ganz schnell gehen."
Erst zum dritten Mal in der Geschichte verhandelt der Senat über die Amtsenthebung eines US-Präsidenten. Eine Verurteilung ist - auch wenn das der Demonstrant vor dem Kapitol anders sieht - so gut wie ausgeschlossen. Das Impeachment sei ein "Drama ohne Spannung", klagte ein Kommentator in der Zeitschrift New Yorker. Dass dies jedoch nicht an den Fakten des Falls liegt, hat der Auftakt des Verfahrens gezeigt. Die sieben demokratischen Abgeordneten, die vor dem Senat die Anklage vertreten, legten in den vergangenen Tagen nochmals dar, was Trump vorgeworfen wird: Machtmissbrauch und Behinderung des Kongress, und sie taten es auf gründliche Weise.
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Alexander Vindman hatte das brisante Telefongespräch des Präsidenten mitgehört und dazu vor dem Kongress ausgesagt. Der Offizier rechnete nach Trumps Freispruch mit seiner Entlassung Alles zum Amtsenthebungsverfahren im Newsblog.
Ihre Plädoyers unterlegten die Demokraten mit Zeugenaussagen von den Anhörungen im Repräsentantenhaus, mit Videoclips von Trump und seinen Helfern. Sie zeichneten so detailliert nach, wie der Präsident die Ukraine dazu bringen wollte, seinem politischen Rivalen Joe Biden zu schaden - und wie es kaum einen Zweifel darüber geben kann, dass Trump dabei nicht im Interesse der USA handelte, sondern seinen persönlichen Profit verfolgte. Die Ukraine-Affäre zeige einen "reuelosen und entfesselten" Präsidenten, sagte der demokratische Anklageführer Adam Schiff: "einen Präsidenten, der meint, alles tun zu können, selbst einen Verbündeten dazu zu zwingen, ihm beim Wahlbetrug zu helfen".
Schiff erhielt für sein Plädoyer viel Lob. Die frühere Watergate-Ermittlerin Jill Wine-Banks schrieb auf Twitter: "Die Fakten sollten jetzt auch jene Republikaner überzeugen, die sich der Wahrheit bis dahin verweigert haben." Wer allerdings während der Reden der Ankläger die Reaktionen der republikanischen Senatoren im Saal studierte, sah rasch: Das ist Wunschdenken.
Es wird im Senat nicht nur keine Zweidrittelmehrheit für einen Schuldspruch gegen den Präsidenten geben; es wird wohl nicht einmal für die einfache Mehrheit reichen, die es braucht, um wichtige Zeugen vorzuladen und das Weiße Haus zur Herausgabe von Dokumenten zu zwingen, die diese bisher zurückgehalten hat. Und so konnte Trump vom Weltwirtschaftsforum in Davos aus über die Demokraten höhnen: "Ganz ehrlich, wir haben das ganze Material. Sie haben kein Material."
Die Republikaner im Senat wissen das. Deshalb klang es dreist, als sie nach den Plädoyers klagten, man höre von der Anklage ja "nichts Neues" - obwohl sie bereits mit ihrem Votum am Dienstag klar gemacht hatten, dass sie die Beweismittel gar nicht sehen, die Zeugen gar nicht hören und zu Trumps Verhalten gar nichts sagen wollen. Die drei Affen wären für die Republikaner ein besseres Parteilogo als der Elefant, ätzte diese Woche ein Mitarbeiter eines demokratischen Abgeordneten. Doch so ist die Lage: Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer, hat seine Fraktion im Griff. Die Republikaner haben Trump in den vergangenen drei Jahren schon so oft keine Grenze gesetzt, sie werden auch jetzt nicht damit beginnen. Keiner ihrer Senatoren hat das Gefühl, politisch etwas zu gewinnen, indem er oder sie sich gegen den Präsidenten wendet, nicht einmal jene wenigen Moderaten, die um ihre Wiederwahl fürchten müssen.
Die Demokraten richten ihre Appelle denn auch weniger an die 100 Senatoren, die beim Impeachment als Geschworene fungieren. Ihr Publikum sind die Wähler zuhause. Sie zerfallen in zwei gleich große, recht starre Blöcke, die eine Absetzung Trumps entweder befürworten oder ablehnen. Dazwischen gibt es eine kleine Zahl von Unentschlossenen, je nach Umfragen zwischen zwei und sechs Prozent der Bevölkerung, die sich zum Impeachment noch keine feste Meinung gebildet haben. Und dann gibt es noch jene Amerikaner, die zwar nicht mögen, was das Verfahren über Trump und die Republikaner zeigt, aber die den Präsidenten auch nicht über einen Schuldspruch im Senat absetzen wollen - sondern kommenden November an der Wahlurne. Es sind diese Leute, die beim Impeachment die wahre Jury sind.