US-Truppen:Trump ordnet Abzug weiterer Truppen aus Irak und Afghanistan an

Der Präsident will insgesamt 2500 Soldaten zurückholen. Das könnte weitreichende Folgen für die Sicherheit in der Region haben - und für die Verbündeten.

Von Paul-Anton Krüger, Tobias Matern und Mike Szymanski, Berlin

US-Präsident Donald Trump bleiben noch etwas mehr als 60 Tage im Weißen Haus, aber er will offenbar sicherstellen, dass sein außen- und sicherheitspolitisches Erbe weit länger wirkt - und seinem gewählten Nachfolger Joe Biden die Hände bindet. Die wohl gefährlichste Idee haben ihm seine Berater nach einem Bericht der New York Times wieder ausgeredet: Trump habe gefragt, welche Optionen er habe, militärisch gegen das iranische Atomprogramm vorzugehen. Außenminister Mike Pompeo und Generalstabschef Mark Milley hätten Trump gewarnt, ein Angriff etwa auf wichtige Atomanlagen in Iran könne einen Krieg in der Region auslösen. Danach hätten die Berater die Besprechung mit dem Eindruck verlassen, dass ein Schlag gegen Ziele in Iran vom Tisch sei. Eine Attacke auf von Iran kontrollierte Milizen, etwa im Irak, sei aber weiterhin denkbar.

Einen anderen Plan jedenfalls treibt Trump jetzt voran: Am Dienstag ordnete er den Abzug weiterer US-Truppen aus Afghanistan und dem Irak an. Bis zum 15. Januar, fünf Tage vor der Amtsübergabe an seinen gewählten Nachfolger Joe Biden, soll das Kontingent im Irak von derzeit etwa 3000 auf 2500 Soldaten verringert werden. Kurz nachdem das Pentagon am Dienstag Trumps Entscheidung zum Truppenabzug bestätigt hatte, meldeten die irakischen Sicherheitskräfte, dass vier Katjuscha-Raketen in der so genannten Grünen Zone in Bagdad eingeschlagen seien, etwa 600 Meter von der US-Botschaft entfernt. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Angriff. Hinter früheren Raketenangriffen auf das hoch gesicherte Regierungs- und Diplomatenviertel hatten oft örtliche Milizen gesteckt, die teils vom benachbarten Iran unterstützt werden.

Viele Afghanen sorgen sich, dass nach einem überhasteten Abzug die Taliban die ganze Macht an sich reißen

Besonders drastisch dürften die Folgen des Abzugs für Afghanistan ausfallen. Auch dort lässt Trump die Präsenz von US-Truppen noch vor Ende seiner Amtszeit drastisch reduzieren - von derzeit 4500 auf 2500 Soldaten. Wieder einmal überspringt der Präsident damit seinen eigenen Zeitplan, der die afghanische Regierung schon in der ursprünglichen Form in arge Zeitnot gebracht hat. Viele Afghanen sorgen sich, dass die Fortschritte in ihrem Land durch einen überhasteten Abzug nun zunichte gemacht werden; dass die Taliban versuchen werden, die ganze Macht an sich zu reißen; und dass ein Bürgerkrieg ausbricht.

Ende Februar hatten Trumps Unterhändler mit den Taliban in Doha ein bilaterales Abkommen ausgehandelt, wonach die westliche Militärmission nach gut 20 Jahren Ende April 2021 beendet werden soll. Die afghanische Regierung war an diesen Gesprächen nicht beteiligt. Sie muss nun mit den Taliban schnell eine Machtteilung aushandeln, solange die Schutzmacht den Druck der Islamisten noch einigermaßen ausbalancieren kann.

Die neuen Pläne der USA könnten auch Auswirkungen auf den Bundeswehr-Einsatz haben

Die Regierung hoffe, dass Joe Biden nach seiner Amtseinführung "es anders machen wird und den vollständigen Abzug der US-Truppen verlangsamt", sagte der Taliban-Kenner Ahmed Rashid der Süddeutschen Zeitung am Dienstag. "Die Afghanen sind zutiefst beunruhigt über das, was Trump in den letzten Tagen seiner Amtszeit tut, und sicherlich wird das die Taliban ermutigen, ihre militärische Offensive noch einmal auszuweiten, weil etliche Taliban-Kommandeure die ganze Macht im Land haben wollen." Vertreter der Kabuler Regierung und der Taliban verhandeln ebenfalls in Doha über einen Fahrplan für den innerafghanischen Friedensprozess. Allerdings hat es noch keine substanziellen Fortschritte gegeben. Die Taliban haben inzwischen eine Reihe von Anschlägen verübt, um militärische Stärke zu dokumentieren.

Was die neuen Pläne der USA für die Bundeswehr bedeuten könnten, die mit 1200 Soldaten in Afghanistan im Einsatz ist, ist noch nicht klar. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte, Geschäftsgrundlage in der Nato sei bislang, dass die Reduzierung der Truppen an Bedingungen geknüpft werde, die in einem Friedensvertrag ausgehandelt würden. Dieser Prozess zeige aber "noch nicht die Ergebnisse, die wir uns alle sicherlich wünschten".

Zurzeit erlebe sie eine "politische Unsicherheit" im Übergang von Präsident Trump zu Biden. Man habe alle "Sensoren und Fühler" ausgestreckt, um zu erfahren, ob es "möglicherweise noch Entscheidungen aus dem Weißen Haus gibt, die von diesen Vereinbarungen auf der Nato-Ebene abweichen." Für sie habe die Sicherheit der deutschen Soldaten Priorität.

Die Nato, US-Senatoren und Generäle warnen Präsident Trump

Wenn die USA ihre Truppen drastisch reduzieren, könnten auch die anderen Nationen ihren Einsatz nicht länger sicher fortsetzen. Sie stützen sich auf die Infrastruktur der Amerikaner. Die Bundesministerin sagte, Deutschland wolle diesen Einsatz, in dem viele Soldaten der Bundeswehr ihr Leben verloren haben, so weiterführen oder auch beenden, dass nachhaltig abgesichert werde, wofür gekämpft worden sei.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte ungewöhnlich deutlich, der Preis für einen "zu schnellen oder unkoordinierten Abzug könnte zu hoch sein". Neben einer Reihe von US-Senatoren, auch Republikanern, haben Generäle und der geschasste Verteidigungsminister Mark Esper vor einem vorschnellen Abzug gewarnt. Doch Trump scheinen solche Mahnungen nicht zu stören.

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