Jeff Flake ist ein Republikaner, und zwar ein konservativer. Das kann man auf den Internetseiten nachlesen, auf denen die Bewertungen gesammelt werden, die diverse Interessenorganisationen und Lobbyverbände in den USA jedes Jahr über Kandidaten und Politiker abgeben. Flake, der derzeit für den Bundesstaat Arizona im US-Senat sitzt, ist gegen Abtreibung, gegen schärfere Waffengesetze und für Steuersenkungen. Er bekommt deswegen makellose Noten von rechten Gruppen wie dem National Right to Life Committee, der National Rifle Association oder dem Club for Growth.
Man muss das wissen, um zu verstehen, wie absurd die Behauptung ist, Flake sei in Wahrheit ein verkappter Linksliberaler. Erhoben wird dieser Vorwurf derzeit aus dem Umfeld von Präsident Donald Trump. Dort hat man durchaus Grund, wütend auf den Senator aus dem Südwesten zu sein. Anfang der Woche hatte Flake ein schmales Buch veröffentlicht - "Conscience of a Conservative", so der Titel, übersetzt etwa: Das Gewissen eines Konservativen. Er rechnet darin scharf mit dem Präsidenten ab. Trump, so Flake, sei kaum mehr als ein gewissen- und prinzipienloser Hallodri, der durch seine Lügen, seine Hetze und das von ihm verursachte Chaos die Republikanische Partei in den Ruin treibe und Amerika gleich dazu.
Trump bleibt Trump
Das Erstaunliche ist weniger, dass es unter Republikanern diese Sicht von Trump gibt. Viele in der Partei schämen sich ihres Präsidenten. Das Besondere an Flakes schriftlichem Wutausbruch ist eher, dass er es wagte, Trump so offen und hart anzugehen. Flake muss sich nächstes Jahr zur Wiederwahl stellen, und den amtierenden Präsidenten zu attackieren ist nicht ohne Risiko. Trump dürfte sich rächen, indem er bei der republikanischen Vorwahl einen Herausforderer Flakes unterstützt. Das Buch kann Flake also die Karriere kosten.
Dennoch ist es symptomatisch für die Stimmung unter den Republikanern im US-Kongress, vor allem aber im Senat. Nach Trumps überraschendem Wahlsieg im November gab es die Hoffnung, der Politikneuling werde sich schon irgendwie mäßigen, zähmen oder zumindest anleiten lassen. Nach sechs Monaten ist klar: Trump bleibt Trump. In den republikanischen Fraktionsführungen macht sich daher eine gewisse verzweifelte Desillusionierung breit sowie die Einsicht, dass die Partei ihr Schicksal doch nicht zu eng an den Mann im Weißen Haus binden sollte. Vor allem aber schwindet die Angst rapide, dem Präsidenten Kontra zu geben.
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Besonders deutlich wurde das nach dem gescheiterten Versuch im Senat, die Gesundheitsreform von Trumps Vorgänger Barack Obama rückgängig zu machen. Das Weiße Haus hatte auf eine Abstimmung gedrungen, Trump und seine Leute hatten die skeptischen Senatoren beackert, einigen wurde unverhohlen gedroht. Am Ende verweigerten drei Republikaner, darunter Trumps Intimfeind John McCain, ihre Zustimmung - eine peinliche Niederlage für den Präsidenten, der seit sechs Monaten die Abschaffung von Obamacare verkündet.
Trump reagierte darauf mit einer Serie von Twitter-Attacken gegen die eigene Partei, er nannte die Senatoren "Deppen" und forderte sie auf, sofort den Filibuster komplett abzuschaffen. Dieses Verfahrensinstrument erlaubt es den Demokraten, Gesetze zu blockieren, weil dann für die Verabschiedung 60 Stimmen nötig sind. Aber es spielte bei der Abstimmung über Obamacare überhaupt keine Rolle. Die Republikaner waren in diesem Fall schlicht unfähig, im 100-köpfigen Senat, in dem sie 52 Sitze halten, eine eigene Mehrheit zu erreichen, weil drei ihrer Leute absprangen. "Es scheint mir offensichtlich zu sein, dass nicht die Demokraten unser Problem waren", sagte der republikanische Fraktionschef Mitch McConnell nach der Niederlage mit galligem Unterton.
Das hätte auch der Präsident wissen können. Doch Trump kümmerte sich nicht darum, sondern gab den Parteifreunden via Twitter absurde Ratschläge. Erstens: Filibuster abschaffen. Zweitens: Keine Abstimmungen mehr im Senat über andere Gesetze, bis Obamacare vernichtet ist. McConnell freilich ließ das Weiße Haus über die Medien wissen, dass er gut auf derlei Vorgaben verzichten könne. Der republikanische Senator Orrin Hatch, der wie viele seiner Kollegen noch verärgert darüber war, wie Trump in den Tagen zuvor den ehemaligen Senator und derzeitigen Justizminister Jeff Sessions gedemütigt hatte, warf Trump offen vor, die Abstimmungsregeln im Senat schlicht nicht zu verstehen. "Er kapiert es einfach nicht", ätzte Hatch. Dann machten sich einige republikanische Senatoren daran, zusammen mit den Demokraten einen Weg zu erkunden, wie Obamacare für die nahe Zukunft auf eine solide Finanzgrundlage gestellt werden kann.
Diese offene Missachtung des Präsidenten war fast eine Art Trennungserklärung; von nun an macht jeder, was er will, mal sehen, ob man irgendwann wieder gemeinsamen Boden findet. "Wir arbeiten für das amerikanische Volk. Wir arbeiten nicht für den Präsidenten", verkündete Senator Tim Scott, ein Republikaner aus dem konservativen South Carolina. "Wir sollten tun, was der Regierung hilft, aber nur, wenn das auf keine Weise die amerikanischen Bürger stärker belastet." Ansonsten sollten die Republikaner im Kongress ihre eigene Agenda vorantreiben.
Die große Abrechnung kommt 2018
Wie solche Alleingänge des Kongresses aussehen können, konnte man am Mittwoch studieren. Da unterschrieb Trump zähneknirschend ein Gesetz, das neue Wirtschaftssanktionen gegen Russland beinhaltet und Trumps Spielraum gegenüber Moskau einschränkt. Der Präsident hatte sich lange dagegen gewehrt, doch die Vorlage war im Abgeordnetenhaus und im Senat mit so großen Mehrheiten verabschiedet worden, dass ein Veto von Trump riskant gewesen wäre - die Republikaner in beiden Kammern hätten es wohl überstimmt. Das führte zu der bizarren Situation, dass das einzige Gesetz von nennenswerter Relevanz, das der republikanisch dominierte Kongress seit Trumps Amtsantritt verabschiedet hat, eines ist, das der Präsident selbst vehement abgelehnt hat.
Allerdings ist schwer vorherzusagen, ob die Republikaner im Kongress sich auf Dauer von Trump werden lösen können. Der Präsident ist bei seinen Wählern immer noch sehr beliebt, nicht selten viel beliebter als die Mandatsträger in Washington. Und Trump steigert seine Beliebtheit bei den Aktivisten bewusst mit spektakulären Aktionen wie der Verbannung von Transsexuellen aus dem Militär und der Unterstützung für ein Gesetz, das die legale Immigration stark einschränken soll.
Die erste große Abrechnung wird es daher erst nächstes Jahr geben. 2018 findet im November die Kongresswahl statt, davor wird in den parteiinternen republikanischen Vorwahlen über die Kandidaten abgestimmt. Alle republikanischen Politiker werden sehr genau darauf achten, ob das Parteivolk und die Wähler jene Kollegen, die sich Trump widersetzt haben, belohnen oder bestrafen. Es ist durchaus möglich, dass von Jeff Flakes Revolte dann nicht mehr übrig ist als etwas Papier.