Süddeutsche Zeitung

Internationale Beziehungen:Eine Absage als Botschaft

Dass der US-Außenminister Pompeo seine Berliner Gastgeber sitzen lässt, zeigt wie ernst die USA die Situation im Iran nehmen.

Von Hubert Wetzel

Für ein paar Stunden war Mike Pompeo am Dienstag verschwunden. Nun, vielleicht nicht buchstäblich verschwunden, auf verschiedenen Internetseiten konnte man immerhin die Route eines amerikanischen Regierungsflugzeugs verfolgen, in dem der US-Außenminister mutmaßlich saß. Es flog von Finnland, wo Pompeo an einer Sitzung des Arktischen Rates teilgenommen hatte, in Richtung Süden. Aber zu welchem Flughafen die Maschine genau unterwegs war, wurde nicht mitgeteilt. Und deswegen dauerte es etliche Stunden, bis Ziel und Zweck von Pompeos geheimnisvoller Reise bekannt wurden.

Sicher war zunächst nur, dass Pompeo nicht nach Berlin flog. Dort war der Minister eigentlich am Dienstag zu seinem ersten Besuch erwartet worden. Doch die geplanten Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) wurden von den Amerikanern kurzfristig abgesagt. Pompeo müsse wegen "drängender internationaler Sicherheitsthemen" an einen anderen Ort fliegen, hieß es, er handele auf Anweisung von Präsident Donald Trump. Die Bundesregierung reagierte betont verständnisvoll. Sie wollte offensichtlich vermeiden, dass aus der Absage, die ohnehin schon wie ein Affront aussah, durch eine beleidigte Antwort ein echter Affront wurde. Die Treffen sollen "sehr bald" nachgeholt werden, hieß es am Mittwoch in Berlin.

In Bagdad traf sich der US-Außenminister mit der gesamten Regierungsspitze

Statt in die deutsche Hauptstadt Berlin flog Pompeo in die irakische Hauptstadt Bagdad. Dort traf der Minister sich zu nächtlicher Stunde mit der gesamten Regierungsspitze. Allzu viele Details aus den Gesprächen wurden nicht bekannt gegeben, nur, dass es um Iran ging. Das Regime in Teheran mischt im Nachbarland Irak kräftig mit und unterstützt dort diverse schiitische Milizen mit Waffenlieferungen. Nachdem Washington vor einigen Tagen die mächtigen iranischen Revolutionsgarden zu einer Terrororganisation erklärt und das iranische Regime daraufhin alle US-Soldaten im Nahen Osten ebenfalls als Terroristen bezeichnet hatte, war die Befürchtung gewachsen, dass diese Milizen oder die Garden direkt gegen die im Irak stationierten GIs vorgehen. Ein solcher Zwischenfall könnte durchaus zu einem größeren Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und Iran eskalieren - ein Albtraumszenario für die Region.

Zur Abschreckung haben die USA bereits einen Flugzeugträger sowie mehrere Langstreckenbomber in die Region verlegt. Doch die US-Regierung hielt es offenbar für notwendig, die Iraker auch noch durch Pompeo persönlich ermahnen zu lassen, dass sie den Schutz der amerikanischen Soldaten in ihrem Land nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten. "Wir wollen nicht, dass sich irgendjemand in ihrem Land einmischt, schon gar nicht durch Angriffe auf ein anderes Land im Irak", sagte Pompeo nach seinen Treffen in Bagdad. "Darin sind wir uns alle einig gewesen."

Die Tatsache, dass Pompeo diplomatische Verstimmungen mit Berlin in Kauf nahm, weil er stattdessen nach Bagdad reiste, war auch ein Signal an Iran: Die USA meinen es absolut ernst. Das US-Außenministerium betonte daher nicht nur, wie "dringlich" die Probleme seien, wegen derer Pompeo seine Reisepläne änderte, sondern auch, wie "wichtig" die Termine in Berlin gewesen wären.

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SZ vom 09.05.2019/mpu
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