Die Ereignisse im Newsblog:
Xaver Bitz
Washington kommt zur Ruhe
Knapp 36 Stunden ist der Sturm auf das Kapitol in Washington DC nun her. Seitdem hat sich einiges getan: Der Kongress bestätigte nach einer Unterbrechung die Wahl von Joe Biden als künftigen US-Präsidenten und Kamala Harris als Vizepräsidentin.
Stunden später kündigte der amtierende Präsident Donald Trump eine reibungslose Machtübergabe an und signalisierte damit, dass er das Ergebnis akzeptiert, wenn auch widerwillig. Zudem verurteilte Trump in seiner auf Twitter geposteten Rede die Krawalle und rief zu "Heilung und Versöhnung" auf. Mit Bildungsministerin Betsy DeVos trat ein Mitglied seines Kabinetts zurück.
Es ist etwas Ruhe in die US-Hauptstadt eingekehrt - weswegen wir an dieser Stelle einige Leseempfehlungen aus der SZ machen:
- Die Rede Trumps wirkt im Ton zurückhaltender und versöhnlicher als das, was er in den vergangenen Monaten von sich gegeben hat. Dabei handelt es sich um den Versuch, einem Amtsenthebungsverfahren zu entgehen, analysiert Thorsten Denkler.
- Nach dem Sturm auf das US-Kapitol sei die Gefahr neuer terroristischer Milizen groß, sagt der Politikwissenschaftler Torben Lütjen im Interview mit Felix Haselsteiner.
- Der künftige Präsident Joe Biden könnte mit seiner Mehrheit in beiden Kammern nun durchregieren. Warum er aber dennoch mit "Leuten aus beiden Parteien" kooperieren will und sollte, erklärt Matthias Kolb.
- Noch nie wurde ein US-Präsident aus dem Amt entfernt oder später strafrechtlich verfolgt. Stefan Kornelius beantwortet die Frage, wie wahrscheinlich das im Fall von Trump ist. (SZ Plus)
Thorsten Denkler
Sturm auf das Kapitol fordert fünftes Todesopfer
Ein Polizeibeamter des Kapitols ist nach dem Sturm auf das Regierungsgebäude gestorben. Die Kapitols-Polizei teilte in der Nacht zu Freitag mit, der Beamte sei bei einer Auseinandersetzung mit Demonstranten am Mittwoch verletzt worden und später zusammengebrochen. Er sei in ein Krankenhaus gebracht worden, wo er am Donnerstagabend gestorben sei.
Damit haben die Krawalle vom Mittwoch, bei denen Randalierer auch ins Kapitol eindrangen, mindestens fünf Menschen das Leben gekostet. Eine Frau starb, nachdem sie im Kapitol von einem Polizisten angeschossen wurde. Eine weitere Frau und zwei Männer kamen nach Polizeiangaben infolge nicht näher definierter "medizinischer Notfälle" ums Leben.
Thorsten Denkler
Auch US-Bildungsministerin Betsy DeVos geht aus Protest
Als zweites Kabinettsmitglied ist US-Bildungsministerin Betsy DeVos nach dem Sturm auf das Kapitol von ihrem Amt zurückgetreten. Sie teilte US-Präsident Trump in einem von der New York Times verbreiteten Schreiben mit, sie werde ihr Amt an diesem Freitag niederlegen, weil "es nicht zu verkennen" sei, "welche Auswirkungen Ihre Rhetorik auf die Situation hatte, und das ist der Wendepunkt für mich". Viele Demokraten, aber auch mehrere Republikaner werfen Trump vor, den Angriff angezettelt zu haben. DeVos gehörte Trumps Kabinett seit Februar 2017 an.
Kurz zuvor hatte am Donnerstag Verkehrsministerin Elaine Chao angekündigt, sie werde ihr Amt am Montag aufgeben. Auch Trumps früherer Stabschef Mick Mulvaney und die Stabschefin von First Lady Melania Trump, Stephanie Grisham, traten zurück. Grisham nannte keine Gründe für ihren Schritt. Sie gilt als eine alte Freundin der Familie Trump.
Betsy DeVos stand Trump seit Beginn seiner Amtszeit immer treu zur Seite. Jetzt plötzlich nicht mehr. . Reuters/ Kevin Lamarque
Thorsten Denkler
Trump gesteht Wahlniederlage ein
In einer auf Twitter veröffentlichen Ansprache des amtierenden Präsidenten hat Donald Trump erstmals eingeräumt, die Wahl 2020 verloren zu haben. Dem Land als Präsidenten zu dienen, sei "die Ehre seines Lebens" gewesen, sagt er. Er versprach einen friedlichen Übergang der Macht, nahm den Namen seines Nachfolgers Joe Biden aber nicht in den Mund. In dem Video verurteilte er die Gewalt vom Mittwoch. Wer auch immer darin verwickelt gewesen sei: "Ihr repräsentiert nicht unser Land." Wer immer das Gesetz gebrochen habe, müsse dafür bezahlen.
Nach der Wahl habe es eine intensive und emotionale Phase gegeben, sagte Trump. Aber jetzt müssten sich die Gemüter beruhigen. Er rechtfertigte seine Versuche, das Wahlergebnis in Frage zu stellen. Er habe lediglich im Sinn gehabt, die "Integrität der Wahl zu sichern". Er habe so "dafür gekämpft, die amerikanische Demokratie zu verteidigen". Er glaube nach wie vor, dass es nötig sei, die Wahlgesetze zu reformieren.
Trump fährt fort, der Kongress habe jetzt die Wahl zertifiziert. Danach ist ein Schnitt im Video erkennbar. Irgendetwas scheint herausgeschnitten worden zu sein. Trumps nächster Satz lautet: "Eine neue Administration wird am 20. Januar in das Amt eingeführt." Sein Fokus verschiebe sich jetzt dahin, einen sanften Wechsel der Macht zu ermöglichen. Dieser Moment rufe nach "Heilung und Versöhnung".
Am Ende verspricht er seinen "wundervollen Unterstützern": "Ich weiß, ihr seid enttäuscht. Aber ich will, dass ihr wisst, das unsere unglaubliche Reise gerade erst beginnt."
Anna Ernst
Der Sturm auf das Kapitol in der Süddeutschen Zeitung
Lesen Sie alle Hintergründe, Analysen und Reportagen der Ereignisse mit SZ Plus. Jetzt vier Wochen kostenlos testen.
- Ins Herz der Demokratie: Trump-Anhänger stürmen den Kongress. Am Ende sind vier Menschen tot und die USA in ihrem Innersten erschüttert. Die Chronologie eines Tages, der in die Geschichte eingehen wird. (SZ Plus)
- Die Säulen der Demokratie wirken zerbrechlich: Die USA sind einem Bürgerkrieg gefährlich nahe gekommen. Trump wird bald gehen, aber der Hass, den er geschürt hat, wird bleiben - und das politische System weiter bedrohen. Kommentar von Nicolas Richter
- Die Schuld der anderen: Der Sturm auf das Kapitol offenbart, wie Trumps Haussender inzwischen funktioniert: tagsüber sachliche Berichte. Abends skrupellose Schuldzuweisungen und Angstmacherei. Jürgen Schmieders Analyse über die Rolle von Fox News (SZ Plus)
- Hitlergruß und Konföderiertenflagge: Unter den Eindringlingen im Kapitol waren viele Anhänger rechtsextremer Gruppen. Trotzdem wird versucht, die gewaltsame Aktion linken Aktivisten anzuhängen, schreiben Benedikt Peters und Lilith Volkert.
- Trump verliert seine wichtigste Bühne: Plattformen wie Twitter blockieren die Konten des US-Präsidenten zeitweise, Facebook tut dies nun gleich bis zum Ende seiner Amtszeit. Berater hatten das seit Jahren empfohlen. Simon Hurtz über die Rolle der Sozialen Medien