USA: Streit um Verhörmethoden:Führte Waterboarding die USA auf Bin Ladens Spur?

Die CIA folterte jahrelang Guantanamo-Häftlinge, um Informationen über den Verbleib Osama bin Ladens herauszupressen. Nach dem Tod des Terror-Chefs fühlen sich Anhänger von Ex-Präsident George W. Bush bestätigt: Waterboarding habe wichtige Erkenntnisse geliefert. Doch der Ertrag der Methode ist umstritten.

Michael König

"Drei Lagen Stoff bedecken mein Gesicht. Ich warte in der Dunkelheit, den Kopf etwas tiefer als die Beine, bis ich plötzlich einen Schwall Wasser spüre. Er läuft mir direkt in die Nase. Ich halte die Luft an, nur kurz, dann muss ich ausatmen. Beim Einatmen saugen sich die nassen Tücher stärker an meine Nasenlöcher, als hätte sich eine nasse Pranke an meinem Gesicht festgekrallt. Durchströmt von einem Gefühl schierer Panik und unfähig zu wissen, ob ich gerade ein- oder ausatme, gebe ich das Signal. Die Männer richten mich auf und befreien mich von den triefenden Tüchern. Die Erleichterung ist unglaublich."

Der Journalist Christopher Hitchens wollte Anfang 2008 am eigenen Leibe erfahren, was es heißt, der umstrittenen Verhörmethode Waterboarding ausgesetzt zu sein. Er begab sich in die Hände von einstigen Ausbildern der US-Armee, ließ sich fesseln und auf die Pritsche legen. Videoaufnahmen des Selbstversuchs zeigen, dass Hitchens nur wenige Sekunden durchhielt, bis er das verabredete Signal gab und von seinen Häschern erlöst wurde. Der Titel seiner Reportage in dem US-Magazin Vanity Fair: "Glauben Sie mir, es ist Folter."

So sehen das auch Menschenrechtsorganisationen. Die US-Regierung war aber lange anderer Meinung. Präsident George W. Bush befürwortete Waterboarding als "verbesserte Verhörmethode", die CIA setzte es im Gefangenenlager Guantanamo Bay ein. Der Al-Qaida-Terrorist Khalid Scheich Mohammed soll der Praxis 183 Mal unterzogen worden sein, bis Bushs Nachfolger Barack Obama die seit Jahrhunderten bekannte Methode im Januar 2009 verbot.

"Auch der Regierung Bush zu verdanken"

Mehr als zwei Jahre später fühlen sich Anhänger der Bush-Regierung in ihrer Haltung bestätigt. Der von US-Spezialeinheiten getötete Al-Qaida-Chef Osama bin Laden sei nur dank Geheimdienst-Informationen gefunden worden, die durch Waterboarding gewonnen wurden, sagte Peter T. King, republikanischer Vorsitzender des Repräsentantenhaus-Ausschusses für den Heimatschutz.

"An die Adresse derjenigen, die sagen, dass Waterboarding nicht funktioniert, dass es ein Ende haben muss und nie wieder angewendet werden darf: Wir haben entscheidende Informationen bekommen, die uns direkt zu Bin Laden geführt haben", sagte King dem konservativen TV-Sender Fox News.

Ähnlich äußerte sich der Juraprofessor John Yoo, ein ehemaliger Beamter im Justizministerium, der die Regierung Bush in Rechtsfragen beraten hatte. Yoos geheime juristische Memoranden sollen dem Präsidenten dazu gedient haben, Waterboarding und andere Techniken wie Schlafentzug zu rechtfertigen. "Präsident Obama heftet sich den Erfolg zu Recht ans Revers, aber er hat ihn auch den schweren Entscheidungen der Regierung Bush zu verdanken", schrieb Yoo in einem Beitrag für die konservative US-Zeitschrift National Review.

King und Yoo sprechen vielen Republikanern aus der Seele. Seit Barack Obama in der Nacht von Sonntag auf Montag in betont zurückhaltender Manier den Tod Osama bin Ladens verkündete, ist die politische Rechte in den USA in einer Zwickmühle: Aus patriotischen Gefühlen haben sie die Nachricht besonders heftig herbeigesehnt, entsprechend groß fiel ihr Jubel aus. Im Nachklang jedoch dürfte vielen klarwerden, dass es für die Republikaner nun schwerer werden dürfte, Obama bei den Präsidentschaftswahlen 2012 zu schlagen.

Bei Peter T. King war diese Zwiespältigkeit gut zu erkennen: Zunächst hatte sich der republikanische Kongressabgeordnete aus New York lobend geäußert. Es gehöre wirklich Mumm dazu, wie Obama diesen Einsatz mitten in Pakistan zu befehlen. Später betonte er, auch Bush habe einen Anteil - dank Waterboarding.

Der entscheidende Hinweis

Unbestritten ist, dass es Geheimdienst-Informationen waren, die die US-Fahnder auf die richtige Spur brachten. Jahrelang beobachteten sie einen vermeintlichen Kurier Bin Ladens, bis sie sich sicher sein konnten, das Versteck des Terrorfürsten gefunden zu haben. So schildert es zumindest die US-Regierung.

Folter waterboarding at the Justice Department in Washington

Im November 2007 protestierten Menschenrechtler vor dem US-Justizministerium gegen die Folterpraxis des "Waterboarding", die vor allem im Gefangenenlager Guantanamo eingesetzt wurde. Dabei simulierten sie die äußerst umstrittene Methode.

(Foto: REUTERS)

Woher die Informationen über den Kurier stammen, ist hingegen unklar. Die New York Times berichtet, Waterboarding habe mit dem Erfolg jedoch eher nichts zu tun. Im Gegenteil: Der 183 Mal gefolterte Khalid Scheich Mohammed habe sich besonders unkooperativ gezeigt und den Kurier als "im Ruhestand" und "von geringer Bedeutung" bezeichnet. Ein anderer Häftling, der ähnlich harsch behandelt worden war, habe seine Vernehmer ebenfalls in die Irre geführt.

"Wenn wir im Jahr 2003 schlagende Beweise durch Waterboarding gehabt hätten, hätten wir Osama bin Laden in jenem Jahr ausgeschaltet", zitiert die US-Zeitung Tommy Vietor, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats. Ein Jahr zuvor, 2002, soll die CIA mit den "verbesserten Verhörmethoden" begonnen haben. "Erst nach jahrelanger Sammlung und Analyse von Material aus verschiedenen Quellen waren wir in der Lage, das Anwesen Bin Ladens zu identifizieren und Gerechtigkeit zu erreichen", sagte Vietor.

Ein entscheidender Hinweis auf Bin Ladens Kurier, der nach Angaben der Zeitung unter dem Namen Abu Ahmed al-Kuwaiti bekannt war, sei von einem Al-Qaida-Mitglied namens Hassan Ghul gekommen. Ghul sei im Irak verhaftet worden. Bei ihm wurde offensichtlich kein Waterboarding angewendet - das behauptet zumindest die CIA. Der Häftling sei "ziemlich kooperativ" gewesen, zitiert die New York Times einen US-Beamten.

"Brutalste Methoden"

Die Spur habe sich erhärtet, als im Mai 2005 der Libyer Abu Faradsch al-Libi gefasst wurde. Der ranghohe Al-Qaida-Funktionär beteuerte in Verhören, keinen Kurier namens al-Kuwaiti zu kennen. Nachdem Khalid Scheich Mohammed zuvor behauptet hatte, al-Kuwaiti sei ein kleiner Fisch, fühlte sich die CIA bestätigt, den richtigen Mann zu verfolgen.

Kurz nach der Festnahme al-Libis soll sich die CIA beim Justizministerium um die Freigabe "brutalster Methoden" bemüht haben, schreibt die New York Times. Wie genau der Libyer behandelt wurde, sei unklar. Nach Angaben des Geheimdiensts sei er jedoch von Waterboarding verschont geblieben.

Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein, Vorsitzende des Senatsausschusses für die Kontrolle der Nachrichtendienste, nahm das zum Anlass, die von Peter T. King losgetretene Debatte für beendet zu erklären. Auf die Frage, ob Waterboarding die USA auf Bin Ladens Spur geführt habe, sagte sie knapp: "Nichts davon war ein Resultat harscher Verhörmethoden."

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