Süddeutsche Zeitung

USA: Sparpaket empört Anhänger Obamas:"Das ist ein Sandwich des Teufels"

US-Präsident Barack Obama gerät trotz der Einigung über ein Sparpaket immer stärker unter Druck - jetzt aus den eigenen Reihen: Linke Demokraten beklagen sich bitterlich über die geplanten Einschnitte bei Leistungen für Alte und Arme: "Dieser Deal verscherbelt die Lebensgrundlage einfacher Menschen für die Stimmen unnachgiebiger Rechtsradikaler." Sie drohen Obama sogar mit dem Abzug von 200.000 Wahlhelfern.

Christian Wernicke, Washington

Barack Obama sieht sich massiven Protesten aus den eigenen Reihen ausgesetzt: Viele demokratische Abgeordnete und linke Aktivisten lehnen das 2,4 Billionen Dollar schwere Sparpaket ab, das der Präsident mit den Republikanern ausgehandelt hatte, um eine drohende Staatspleite abzuwenden und neue Schulden aufnehmen zu können. Bis in die Nacht warb das Weiße Haus im Repräsentantenhaus um die Zustimmung der Demokraten. Die Aktienmärkte reagierten mit Kursrückgängen.

Damit der Schuldenkompromiss in Kraft treten kann, müssen beide Kammern des Kongresses dem Gesetz zustimmen. Das Weiße Haus rang in der Nacht zum Dienstag fieberhaft um die Zustimmung demokratischer Abgeordneter. Nach wochenlangen Verhandlungen hatte Obama dem Drängen der Republikaner nachgegeben und zugestanden, die dringend benötigte Lockerung des US-Schuldendeckels (von bisher 14,3 Billionen Dollar) an Budgetkürzungen innerhalb der nächsten zehn Jahre in gleicher Höhe zu koppeln. Vorgesehen sind eine stufenweise Erhöhung der Neuverschuldung und eine Sparsumme von jeweils mindestens 2,1 Billionen Dollar.

Brisant ist, dass eine überparteiliche Kommission bis Ende November sogar weitergehende Vorschläge zur Defizitreduzierung machen soll. Dabei dürften die Republikaner auf drastische Kürzungen der staatlichen Renten- und Krankenversorgung für Rentner und Arme dringen, während die Obama-Regierung Steuererhöhungen für Reiche verlangen will. Falls die Kommission scheitert, träten jedoch keinerlei Steuererhöhungen, wohl aber automatische Mindestkürzungen in Höhe von 1,2 Billionen Dollar in Kraft. Gut 500 Milliarden würden beim Verteidigungshaushalt gespart, die übrigen Kürzungen würden Förderprogramme, Infrastruktur-Investitionen und die Leistungen der Krankenversicherung für Alte beschneiden.

Die Sozialkürzungen empören den linken Flügel von Obamas Partei. "Dies ist ein Sandwich des Teufels", wetterte am Dienstag der Abgeordnete Emanuel Cleaver, der Vorsitzende aller afro-amerikanischen Kongressmitglieder, "denn in diesem Sandwich findet sich nichts, was die Armen, die Witwen oder die Kinder schützt."

Dessen Kollege Raul Grijalva, der Chef eines Clubs linker Parlamentarier, bewertete Obamas Kompromiss als Sieg der erzkonservativen Tea-Party Bewegung: "Dieser Deal verscherbelt die Lebensgrundlage einfacher Menschen für die Stimmen unnachgiebiger Rechtsradikaler."

Auch Fraktionsführerin Nancy Pelosi distanzierte sich von dem Kompromiss, der dem Durchschnitts-Amerikaner "große Einschnitte" zumute, und "den reichsten Leuten in diesem Land keinen roten Heller abverlangt".

Die Organisation MoveOn rief ihre Mitglieder zum Protest gegen Obamas Plan auf, eine Gruppe linker Wahlhelfer drohte, ihre 200.000 Aktivisten würden den Präsidenten im Wahlkampf 2012 nicht unterstützen. Vizepräsident Joe Biden äußerte sich jedoch zuversichtlich, dass der Kongress den Kompromiss verabschieden werde. Er musste persönlich in der Fraktion um Zustimmung werben.

Während eine Zustimmung im Senat als wahrscheinlich galt, blieb das Votum im Repräsentantenhaus ungewiss. Dort besitzen die Republikaner eine Mehrheit, doch drohten bis zu hundert Fraktionsmitglieder, der Parteiführung die Gefolgschaft zu verweigern. Vor allem Anhänger der konservativen Tea-Party-Bewegung bemängelten, die Einsparungen seien nicht drastisch genug. Am Dienstag läuft die Frist zur Anhebung der Schuldengrenze ab.

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SZ vom 02.08.2011/segi
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