USA:"Senator für 70 000 Dollar zu kaufen"

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Ein weiteres Reizthema: Die Personalie Betsy DeVos. Auf die Frage eines jungen Lehrers, warum er die Wahl der umstrittenen Bildungsministerin im Senat unterstützt habe, ist Cassidy offenbar nicht vorbereitet. "Ich habe sie gefragt, ob sie öffentliche Schulen unterstützen wird und sie hat gesagt, ja, absolut", versucht er sich herauszureden. Die Antwort kommt nicht gut an beim Publikum. "Sie lügt, sie lügt!", schreien sie. DeVos ist dafür bekannt, die Privatisierung des amerikanischen Schulsystems schnell und radikal voranzutreiben zu wollen.

Die Frage, wie glaubhaft die Aussagen republikanischer Politiker sind, gehen längst über einzelne Aspekte hinaus: Einige im Publikum halten Schilder hoch: "Senator für 70 000 Dollar zu kaufen", ist darauf zu lesen. Der Vorwurf: Cassidy habe sich in seinem Wahlkampf 2014 von DeVos mit 70 000 Dollar sponsern lassen - und seine Stimme für ihre Ernennung sei nun die Gegenleistung.

Der Senator streitet das ab, die Szene wird tumultartig. Alle schreien durcheinander. Hysterisches Gekreische, aggressives Gebrüll. Sean Marx, ein korpulenter Rotschopf, hat es mit seiner lauten Stimme und den Provokationen offenbar übertrieben. Er wird vom Sicherheitspersonal nach draußen eskortiert, wild schimpfend.

Es macht an diesem Nachmittag nicht den Eindruck, als wären die wütenden Bürger an den Antworten des Senators interessiert. Oder an einem echten Gespräch. Cassidy ist nur das Symbol, die Personifizierung eines größeren Problems: Die liberalen Amerikaner fürchten nichts mehr als einen unumkehrbaren Umbau des Landes nach den Idealen der Republikaner und den fixen reaktionären Ideen des Donald Trump. Und wie das aussehen könnte, können sie im konservativen, armen und korrupten Louisiana ohnehin schon oft genug sehen.

Bezahlt nicht, aber gut organisiert

Ähnliche Szenen wie in New Orleans spielen sich in dieser Woche im ganzen Land ab. Texas, Florida, Pennsylvania, Colorado - egal, wo man hinblickt, werden republikanische Senatoren und Abgeordneten bei ihren "Town Halls" von aufgebrachten Bürgern niedergebuht und zusammengeschrieen. Führende Republikaner in Washington, unter ihnen Trump, sprechen von organisiertem Widerstand, hinter dem liberale Aktivisten stünden. Manchmal fällt auch die Anschuldigung von "bezahlten Protestierern".

Die Wähler auf Cassidys Veranstaltung verneinen das nicht nur vehement, selbst der Senator glaubt nicht, dass das Publikum Geld bekommen habe, um zu protestieren. "Das sind Amerikaner, die sich leidenschaftlich für ihr Land einsetzen, noch nicht alles verstehen und gute Dinge wollen", sagt er. Und lächelt.

Die Demokraten können sich über die Tatsache freuen, dass die Proteste bis auf die lokale Ebene bestens organisiert sind. Diese Strategie hatte einst die "Tea-Party"-Bewegung nach der Wahl Obamas erfolgreich angewendet. Nun haben auch die Demokraten ihre oppositionelle Graswurzelbewegung.

Als Cassidy die Versammlung nach 50 Minuten verlässt, skandiert die Menge "Mach' deinen Job! Mach' deinen Job!". Zurück bleiben unzufriedene Bürger. "Er hat keine einzige Frage beantwortet", sagt eine, und ein anderer: "Der ist doch vorher trainiert worden, wie er sich verhalten soll".

Cassidy interpretiert die Konfrontation natürlich ganz anders: "Zwei oder drei in der ersten Reihe haben sich für meine Antworten bedankt und waren respektvoll", sagt er am Ende des chaotischen Nachmittags - lächelnd. "Das ist doch positiv."

Noch erfreulicher dürfte er finden, dass er in der kommenden Woche wieder in Washington ist und weiter die Pläne der Republikaner vorantreiben darf. Weit weg von der Wut in der Stadtbücherei.

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