Süddeutsche Zeitung

US-Wahl:Trumps kalkulierter Seximus

Lesezeit: 3 Min.

Der Präsidentschaftskandidat setzt auf die Macho-Karte und behauptet, Clinton habe nur Erfolg, weil sie eine Frau ist. Das könnte ihn Stimmen kosten, aber auch seine Kernwählerschaft mobilisieren.

Von Nicolas Richter, Washington

Vor ein paar Tagen hätte Donald Trump großmütig und staatsmännisch sein können, gerade hatte er fünf Vorwahlen am Stück gewonnen und seinen Anspruch auf die Nominierung der Republikaner gefestigt. Stattdessen knöpfte er sich seine mutmaßliche Gegnerin in der Hauptwahl vor.

"Wäre Hillary Clinton ein Mann", sagte er über die Demokratin, "würde sie nicht einmal fünf Prozent der Stimmen bekommen. Alles, was sie zu bieten hat, ist, dass sie eine Frau ist. Und das Wunderbare daran ist: Frauen mögen sie nicht."

Bei der US-Präsidentschaftswahl im Herbst dürfte zum ersten Mal ein Mann gegen eine Frau antreten. Zum ersten Mal stehen nicht nur zwei Programme und Charaktere zur Wahl, sondern zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts. Trump möchte diesen Umstand ausschlachten: Er greift Clinton dafür an, dass sie eine Frau ist.

Ihr Lebenslauf legt zwar nahe, dass sie die qualifizierteste Person ist, die sich je für das Weiße Haus beworben hat; sie kennt die Regierung, das Parlament, das Ausland sehr viel besser als Trump. Dass sie also bloß Erfolg hat, weil sie eine Frau ist, gehört zu jenen Gehässigkeiten, für die Trumps Wahlkampf längst berüchtigt ist.

Schon in der ersten TV-Debatte der Republikaner hielt ihm die Moderatorin Megyn Kelly vor, er habe Frauen "fette Schweine" und "Schlampen" genannt. Trump empfand dies als Affront und erklärte später, Kelly komme Blut aus den Augen und aus ihrem "irgendwas", was als Anspielung auf Menstruation verstanden wurde. Eine Frau, die ihm die Stirn bietet, soll das wohl heißen, muss ihre Tage haben.

Alsbald sagte Trump über seine Rivalin Carly Fiorina: "Schaut euch dieses Gesicht an." Dann spottete er über das Aussehen von Heidi Cruz, die Frau seines Rivalen Ted Cruz.

Erst Mexikaner, dann Muslime - jetzt Frauen

Trump weist den Vorwurf zurück, er sei frauenfeindlich: "Ich schätze Frauen, ich möchte Frauen helfen", sagt er. Seine Fürsprecher merken an, dass seine Tochter Ivanka zu seinen einflussreichsten Beratern gehört und Trump auch gegen Männer hart austeile. Aber das stimmt nur zum Teil. Trump mag Männer "Verlierer" und "Lügner" nennen, aber bei Frauen schmäht er oft deren Äußeres.

Hinter seinen Angriffen auf Clinton steckt offenbar nicht nur dumpfer Sexismus, sondern Kalkül. Am Morgen nach seinem jüngsten Wahlsieg sagte er über sie, er habe sich noch nicht ganz erholt von ihrem "Geschrei" und wiederholte den Vorwurf, sie spiele die "Frauen-Karte".

Es legt den Verdacht nahe, dass Trump seinen Wahlkampf in der Hauptwahl so fortsetzen wird, wie er ihn in der Vorwahl begonnen hat: Indem er Ressentiments schürt und eine gesellschaftliche Gruppe gegen die andere aufbringt. Zunächst galt seine Geringschätzung Mexikanern, dann Muslimen, nun offenbar Frauen. Aussehen, Geschrei, Menstruation, unfaire Wettbewerbsvorteile wegen des Geschlechts - Trump benutzt sämtliche Sexisten-Klischees.

Trump hätte Amerikas Frauen durchaus von sich überzeugen können, er ist in vielerlei Hinsicht, etwa bei Abtreibung, kompromissbereiter als seine Partei. Und Hillary Clinton ist bei Wählerinnen keineswegs nur deshalb gesetzt, weil sie eine Frau ist.

Gerade jüngeren Frauen ist soziale Gerechtigkeit wichtiger als nur der Umstand, eine Frau zu wählen. Erstwählerinnen sind überzeugt, dass sie die erste Präsidentin der USA erleben werden, es muss aber nicht Hillary sein. Deswegen führt der "Sozialist" Bernie Sanders besonders unten jüngeren Demokraten deutlich.

Aber Trump hat viele gemäßigte Frauen so abgeschreckt, dass sie in einer Hauptwahl (trotz aller Vorbehalte) für Clinton stimmen dürften. Umfragen zufolge würde Clinton die Hauptwahl gegen Trump deutlich gewinnen, unter anderem weil sie bei Wählerinnen 20 bis 30 Prozentpunkte vor Trump liegt. Und wenn die Jüngeren noch Sanders bevorzugen, würden in einer Hauptwahl Trump-Clinton 61 Prozent für Clinton stimmen, und nur 25 für Trump.

Bei dieser Ausgangslage hat ein Kandidat zwei Möglichkeiten: Entweder geht er auf die Frauen zu und spielt den großen Versöhner, der alle frauenfeindlichen Tiraden gar nicht so gemeint hat. Oder aber er gibt die weibliche Wählerschaft auf der Linken und in der Mitte verloren und mobilisiert dafür maximal seine Kernwählerschaft: ältere, weniger gebildete, weiße Männer.

Frauen-Karte - kein Vorteil

Diese fühlen sich bedroht, durch eine sich ändernde Wirtschaft, durch Ausländer, aber auch durch das Ende traditioneller Geschlechterrollen. Besonders dann, wenn sie selbst weniger Geld verdienen als ihre Ehefrau oder Lebenspartnerin. Dies legt eine neue Studie des Politikwissenschaftlers Dan Cassino in New Jersey nahe.

Wenn Trump mit den Ressentiments älterer, konservativer Männer spielt - so diese Theorie - kann er womöglich einen Teil jener Verluste wettmachen, die er unter linken bis gemäßigten Frauen ohnehin wird hinnehmen müssen.

Sollte der politisch unerfahrene Trump aber gegen die hoch qualifizierte Clinton die Hauptwahl gewinnen, so wäre es der bisher eindrucksvollste Beleg einer in zahllosen Studien längst bewiesenen Theorie: Über Frauen wird in aller Regel viel härter geurteilt als über Männer. Die Frauen-Karte ist, wenn es sie denn überhaupt gibt, noch immer mehr Nachteil als Vorteil.

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SZ vom 03.05.2016
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