US-Republikaner gegen Joe Biden:Der Schuldenstreit wird ernst

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Gegenspieler auf Konfrontationskurs: Wird sich Präsident Joe Biden durchsetzen oder der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy? (Foto: Evelyn Hockstein/Reuters)

Weil den USA Anfang Juni das Geld ausgeht, muss Präsident Joe Biden mit den Republikanern schnell eine Notlösung aushandeln. In Zeiten maximaler Polarisierung eine schwierige Aufgabe.

Von Fabian Fellmann, Washington

Joe Biden hat ein Problem. First Lady Jill Biden hält ihn dazu an, mehr Gemüse und Fisch statt Spaghetti und Eis zu essen. Mehr Eiweiß und weniger Kohlenhydrate sollen ihrem Mann helfen, seinen für einen 80-Jährigen bemerkenswert guten Fitnesszustand beizubehalten. Biden aber möge keinen Lachs, berichten US-Medien dieser Tage. Sobald seine Frau außer Sichtweite sei, schnappe sich der Präsident Kuchen und Kekse.

Das Alltagsproblem dürfte für Biden diese Woche allerdings in den Hintergrund rücken, weil ihn die politischen Herausforderungen seines Amtes mit Wucht einholen. Seiner Regierung droht in knapp einem Monat das Geld auszugehen, was die Vereinigten Staaten in eine Rezession stürzen und die Weltwirtschaft in den Abgrund reißen könnte.

Nur dank Buchhaltungstricks des Finanzministeriums sind die USA überhaupt noch in der Lage, Ausgaben zu tätigen, nachdem sie im Januar die vom Kongress auferlegte Schuldenobergrenze von 31,4 Billionen Dollar erreicht haben.

Die Finanzministerin warnt vor einer "Katastrophe"

Nun hat Finanzministerin Janet Yellen ihren Spielraum weitgehend aufgebraucht, und am 1. Juni ist laut ihren Angaben Schluss. Dann muss die US-Regierung wieder Schulden aufnehmen können, um weiterhin Zinsen zu bedienen, Renten und Sozialhilfe auszuzahlen und Gehälter für Staatsangestellte zu überweisen. Kann sie das nicht, geriete die US-Regierung erstmals in ihrer Geschichte in die Zahlungsunfähigkeit, was laut Yellen in "eine wirtschaftliche und finanzielle Katastrophe" führen würde.

Für Dienstag nun hat Biden die Spitzen der Parteien im Kongress ins Weiße Haus eingeladen, um einen Ausweg zu suchen, was außerordentlich schwierig zu werden verspricht. Das weckt Erinnerungen an die Jahre 2011 und 2013, als die Republikaner den damaligen Präsidenten Barack Obama an den Verhandlungstisch zwangen, indem sie drohten, die USA zahlungsunfähig werden zu lassen. In allerletzter Sekunde fanden sie damals zu einer Einigung, 2011 indes erst, nachdem sich auf internationalen Finanzmärkten Anzeichen einer Panik gemehrt hatten.

Ob auch diesmal Grund zur Zuversicht besteht, dass sich Republikaner und Demokraten rechtzeitig zusammenraufen werden, ist umstritten. Bisher haben sich beide Seiten maximal unnachgiebig gezeigt, um ihre Verhandlungsposition nicht frühzeitig zu schwächen. Präsident Joe Biden beharrt darauf, dass der Kongress die Schuldenobergrenze diskussionslos erhöhen solle. Er argumentiert, der Kongress entscheide bereits über sämtliche Staatsausgaben, die Aufnahme der entsprechenden Schulden sei darum lediglich eine nachgelagerte technische Frage.

Die Republikaner verlangen umfangreiche Kürzungen der Staatsausgaben

Die Republikaner jedoch weigern sich bisher ebenso eisern, die Schreckensszenarien aus der Welt zu schaffen und ihr Verhandlungspfand aus der Hand zu geben. Sie verlangen, dass die Demokraten umfangreichen Kürzungen der Staatsausgaben zustimmen, bevor der Kongress der Regierung erlaubt, weitere Schulden zu machen. Sie wollen damit verhindern, dass Biden die Steuern für Unternehmen und Multimillionäre erhöhen, den Klimaschutz steuerlich fördern und Studentenkredite erlassen kann.

Anführer ist dabei Kevin McCarthy, Sprecher des Repräsentantenhauses, in dem die Republikaner über eine Mehrheit verfügen. Sie haben einen Gesetzesentwurf beschlossen, der die ungebundenen Ausgaben der USA auf dem Vorjahresniveau einfrieren und danach jährlich nur ein Prozent Wachstum zulassen würde. Angesichts der hohen Inflation käme das einer markanten Kürzung gegenüber den bisher projizierten Auslagen gleich. Würden die Sektoren Verteidigung und soziale Sicherheit verschont, wie es die Mehrheit der Republikaner fordert, wäre das Budget vieler Bereiche um 50 Prozent zu senken, warnen einige Analysten.

Klar ist, dass die Republikaner dieses extreme Ziel nicht erreichen werden. Eingenommen haben sie die Position unter dem Druck des rechten Parteiflügels, der McCarthy schon eine Menge Zugeständnisse abgerungen hatte, bevor er ihn ins Amt des Sprechers wählte. Theoretisch würde eine Handvoll Republikaner reichen, um einen Kompromiss zu schließen, doch der rechte Flügel droht damit, McCarthy umgehend vom Sessel zu stürzen, falls er sich darauf einlässt. Der Kongress wäre damit nicht mehr beschlussfähig.

Wie viel Durchsetzungskraft McCarthy besitzt, ist darum nun eine entscheidende Frage. Viel wird ihm nicht attestiert. Als positives Zeichen wird allein schon gewertet, dass es ihm gelang, eine Mehrheit für einen eigenen Gesetzesentwurf zu beschaffen. Wie viel Spielraum er darüber hinaus hat, ist bisher nicht durchschaubar.

Keine Partei kann es sich leisten, die Wirtschaft in den Abgrund zu führen

Für Biden bedeutet das, dass er nicht um Verhandlungen herumkommt. Dafür sprechen auch vereinzelte Stimmen aus dem demokratischen Lager, die ihn zu Kompromissbereitschaft auffordern. Auch wohlwollende Kritiker deuten auf das wachsende Defizit hin, das laut Prognosen in den kommenden Jahren auf sechs Prozent steigen dürfte. Weder mit Steuererhöhungen noch mit Ausgabenkürzungen alleine lässt sich verhindern, dass die USA jedes Jahr mehr Geld ausgeben, als sie einnehmen.

Schnelle Lösungen sind allerdings in Zeiten maximaler Polarisierung nicht in Sicht, besonders nicht vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen im Jahr 2024. Keine der beiden Parteien kann es sich leisten, die Wirtschaft in den Abgrund zu führen; laut Umfragen würden sowohl Biden als auch die Republikaner in gleichen Teilen dafür verantwortlich gemacht.

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Nur können es sich die einzelnen Kongressmitglieder derzeit ebenso wenig leisten, vom Kurs der Partei abzuweichen. Zudem wird die Zeit für Kompromisse knapp: Biden wird Ende des Monats beim Treffen der G 7 in Japan erwartet und gleich anschließend zu einem Besuch in Australien. Nun kursieren allerlei Notszenarien, die alle sowohl die Institutionen der USA als auch die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen dürften.

Während die Welt damit erneut gespannt darauf schaut, ob die Republikaner oder der US-Präsident zuerst blinzelt, erhält Biden zumindest genug Gelegenheiten, sich fern der wachsamen Augen von Jill Biden mit Süßigkeiten zu trösten.

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